Tierpark Hagenbeck: Die Zoo-Attraktion mit Schattenseiten
Am 7. Mai 1907 präsentiert Carl Hagenbeck in Hamburg-Stellingen den weltweit ersten gitterlosen Zoo. Die Institution hat aber auch dunkle Flecken in der Geschichte: "Hagenbecks Thierpark", am 11. März 1874 am Neuen Pferdemarkt eröffnet, stellte auch Menschen aus.
Der Tierpark geht zurück auf Gottfried Claes Carl Hagenbeck. Er präsentiert den Hamburgern schon ab 1848 auf dem Spielbudenplatz im Stadtteil St. Pauli Seehunde, die er Fischern abgekauft hat und hat damit Erfolg. 1863 gründet er Carl Hagenbeck's Handels-Menagerie. Hagenbecks Bekanntheitsgrad steigt. 1866 verlegt sein Sohn Carl das Tierhandelshaus zum Neuen Pferdemarkt.
Carl Hagenbecks diskriminierende "Völkerschauen"
Tiere sind allerdings nicht das Einzige, das Carl Hagenbeck damals ausstellt: Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird Europa als Folge des Kolonialismus von einer Faszination des Fremden und Exotischen gepackt. Am 11. März 1874 eröffnet "Hagenbecks Thierpark" (damals noch mit -h-) auf dem Neuen Pferdemarkt. Dort lässt der Namensgeber bei den damals beliebten "Völkerschauen" ab 1875 unter anderem Samen, Inuit, Massai, Singhalesen und Nubier auftreten. Später finden diese Schauen auch im Tierpark in Stellingen statt. "Heute kaum noch vorstellbar", schreibt der Tierpark auf seiner Website. Das neugierige Hamburger Publikum kommt damals aber in Scharen, um die ausgestellten Fremden zu "besichtigen". Von ihnen kommt ein Teil vermutlich freiwillig und verdient mit den Auftritten Geld, um danach wieder nach Hause zu reisen. Ein anderer Teil wird Experten zufolge unter falschen Versprechungen aus der Heimat gelockt, zum Teil werden die Menschen sogar verschleppt.
Carl Hagenbeck verdient mit den "Völkerschauen" viel Geld. Erst als die Kritik stärker wird, schwinden die Einnahmen, bis sich das Geschäft nicht mehr lohnt. Kritiker werfen dem Tierpark heute vor, diese Vergangenheit nicht ausreichend aufgearbeitet zu haben. Dazu zählt unter anderem der ehemalige französische Fußballspieler Christian Karembeu. Sein aus Neu-Kaledonien stammender Urgroßvater Willy ist in den 1930er-Jahren als angeblicher Kannibale im Tierpark "ausgestellt" worden.
Idee von einem modernen Zoo
Carl Hagenbeck hat nach den "Völkerschauen" weitere Pläne. Zunächst gründet er seinen ersten Zirkus auf dem Hamburger Heiligengeistfeld. Außerdem entwickelt er die Methode der "zahmen Dressur", bei der die Tiere durch Belohnung anstatt durch Strafe trainiert werden.
Außerdem möchte eine moderne Form des Zoos schaffen. Ihm schwebt die Idee von einer perfekten Illusion einer Abenteuerreise durch die Wildnis vor. Der ehemalige Fischhändler träumt von einem Zoo mit Parklandschaften, in dem die Besucher den Tieren in einer möglichst natürlichen Umgebung ohne störende Gitter begegnen können. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung im Umgang mit Tieren kann Hagenbeck die Sprungweite von Löwen, Tigern und Co. genau ermitteln. 1896 meldet er das Patent für gitterlose Freianlagen an.
7. Mai 1907: Erster gitterloser Zoo eröffnet
Am 7. Mai 1907 verwirklicht Carl Hagenbecks seinen Traum endlich: In dem damals noch nicht zum Hamburger Stadtgebiet gehörenden Stellingen eröffnet der Tierpark Hagenbeck als erster gitterloser Zoo der Welt. Das Konzept der Tierhaltung in naturnahen Umgebungen übernehmen schon bald zahlreiche Zoos.
In Hagenbeck leben die Tiere in sogenannten Panorama-Anlagen. Anstatt durch Gitterstäbe sind sie von den Besuchern nur durch Trocken- und Wassergräben getrennt. Aus dem Eröffnungsjahr bis heute erhalten sind unter anderem der Affenfelsen, auf dem heute die Paviane herumtollen, sowie das sogenannte Afrika-Panorama mit Löwenschlucht und einer künstlichen Felslandschaft, in der verschiedene Huftiere leben.
Hunderte Tiere sterben im Bombenhagel des Weltkriegs
Carl Hagenbecks Söhne führen nach dessen Tod 1913 die Arbeit ihres Vaters fort, erweitern den Tierpark stetig. 1937 eröffnet eine großzügige Anlage für die Elefanten. Doch der Zweite Weltkrieg zieht auch am Tierpark nicht spurlos vorüber. Mehrere Hundert Tiere sterben im Bombenhagel und etwa 70 Prozent des Parks, darunter etwa die Eismeer-Anlage, werden beschädigt oder zerstört. Doch die Familie Hagenbeck schafft es mit vielen Helfern, die Anlage wieder aufzubauen. Motto: "Aufgeben ist keine Option".
Exotik und Erlebnis in Tierpark und Tropen-Aquarium
Bis heute ist der Tierpark in privater Hand. Carl Hagenbecks Nachfahren verfolgen weiter die Ziele des Gründers: Hagenbeck soll eine Erlebniswelt sein, Exotik und Abenteuer bieten. Am 10. Februar 1997 wird der gesamte Tierpark in die Denkmalliste der Stadt Hamburg eingetragen. Der Park ist nun als kulturhistorisches Baudenkmal zu schützen. 2003 verändert sich das Gesicht des Parks entscheidend: Der Haupteingang wird an die Koppelstraße verlegt, nah an der U-Bahnstation. Das bis dahin prägende Jugendstil-Tor bleibt als historisches Ensemble erhalten.
Im November 2006 wird die neue Elefanten-Freilaufhalle eingeweiht. 2007, 100 Jahre nach der Eröffnung, erhält er mit dem rund 8.000 Quadratmeter großen Tropen-Aquarium eine weitere Attraktion. In einer fantasievollen Kulissenwelt beherbergt das Gebäude Tausende exotische Tiere, darunter Haie, Muränen, Nilkrokodile, giftige Schlangen, Fledermäuse, Höhlenfische sowie Skorpione.
Eismeer: Seit 2012 Heimat von Walrossen und Eisbären
Im Sommer 2012 eröffnet mit dem Eismeer ein weiterer Neubau. Er ist Nachfolger des Nordland-Panoramas, das bereits 1907 von Carl Hagenbeck eingeweiht wurde. In der 8.000 Quadratmeter großen Anlage sind Eisbären, Pinguine, Kegelrobben und Seebären zu Hause. Außerdem sind dort erstmals seit dem Tod des NDR Maskottchens Antje 2003 wieder Walrosse zu sehen. Die Anlage ist begehbar: Im Inneren können Besucher die Tiere durch gläserne Panorama-Scheiben auch unter Wasser beim Tauchen beobachten.
2021 wird das Giraffenhaus großzügig umgebaut. Im selben Jahr bekommt Orang-Utan-Dame "Bella" einen Eintrag in das Guinnessbuch der Weltrekorde: Sie - 1961 geboren - gilt als der älteste Sumatra-Orang-Utan der Welt. 2023 wird dieser Eintrag erneuert.