Ostfriesische Tee Gesellschaft: Das Tee-Imperium aus Leer
In Leer in Ostfriesland beginnt 1907 eine Erfolgsgeschichte: Laurens Janssen gründet die Ostfriesische Tee Gesellschaft (OTG). Enkel Laurens Spethmann und seine Frau Marianne bauen aus dem Ein-Mann-Betrieb später ein Tee-Imperium auf.
Schwarztee gehört in Ostfriesland Anfang des 20. Jahrhunderts bereits zur Region wie die Deiche. Die Lage für einen Tee-Handel ist günstig - Leer mit seinem Hafen ist gleichsam das "Tor zur Welt". In der Hafenstadt bestimmen Handwerk und Handel den Alltag der Bürger. Und für Laurens Janssen, 1882 geboren, steht schon als Kind fest, dass er Kaufmann werden will. Sein Vater ernährt die 15-köpfige Familie als Stadtschreiber und Bürovorsteher im Rathaus. Die Anstellung fürs Leben klingt für Janssen nicht nach Reichtum. Den erkennt er vielmehr bei den Kaufleuten und Kolonialwaren-Händlern, darunter auch Tee-Grossisten.
Umzug nach Hamburg
Die Konkurrenz im Tee-Geschäft ist groß: Onno Behrends aus Norden und die Frankfurter Familie Meßmer handeln schon länger mit Tee. Weil er in Leer keine Perspektive für sein Unternehmen sieht, verlegt Janssen den Firmensitz nach Hamburg. Im Hamburger Hafen, dem wichtigsten Umschlagplatz für Tee, kauft er Ware aus Asien ein: Assam und Darjeeling. Er verkostet den Tee und mischt ihn neu. Diese Fähigkeit erlernt ein Ostfriese von Kindesbeinen an. Zudem ist Janssen ein glänzender Verkäufer, was ihm auch den Beinamen "Teekönig" einbringt. Das Geschäft floriert und Janssen genießt in Hamburg einen guten Ruf.
Laurens Spethmann übernimmt die OTG
Enkel Laurens Spethmann, der bei den Großeltern lebt, lernt das Tee-Geschäft von der Pike auf - wird ein echter "Schwarzteemann". Nach der kaufmännischen Ausbildung in einer Tee-Firma sammelt er Erfahrungen in London und auf Tee-Plantagen in Ceylon und Indien. Als sein Großvater 1953 stirbt, übernimmt Laurens Spethmann im Alter von 23 Jahren die OTG. Um die Firma ist es zu diesem Zeitpunkt nicht gut bestellt. Laurens Spethmann arbeitet zunächst im eigenen Keller, mischt dort den Tee und liefert ihn selbst aus. 1957 zieht die OTG in die Speicherstadt, die neue Adresse: Sandtorkai 1. Spethmann erwirtschaftet mit vier Mitarbeitern gerade mal 100.000 Mark Jahresumsatz. Eine Buchhalterin hintergeht zudem den Firmenchef und treibt die OTG damit fast in den Ruin. Spethmanns Frau Marianne steigt in die Firma ein und übernimmt die Buchhaltung. Sie hält ihrem Mann den Rücken frei und überlässt ihm das Verkaufen. "Wir hatten einfach Glück, dass er wirklich ein blendender Verkäufer war", sagt Marianne Spethmann.
Spethmann geht nach Seevetal - und setzt auf Teebeutel
Der Siegeszug des Teebeutels stellt die Spethmanns vor neue Herausforderungen. Während die Konkurrenz bereits gute Geschäfte damit macht, wehrt sich Laurens Spethmann lange gegen Beuteltee: "Für einen echten Teemann, der echt Tee gelernt hatte, konnte das auch nicht so sein." Weil Marianne Spethmann wegen der Kinder aufs Land ziehen will, verlegt die Firma ihren Sitz ins niedersächsische Seevetal. Die Mitbewerber lachen - das sei wohl ein echter Ostfriesenwitz. Mit ihren fünf Mitarbeitern arbeiten sie von Zuhause aus und setzen nun auch auf den Teebeutel. Sie ergattern einen Großauftrag eines Discounters. Da die Spethmanns über keinen eigenen Produktionsstandort verfügen, übernimmt eine Firma im nahegelegenen Buchholz die Abfüllung. Um alles andere wie Verpackung und Vertrieb kümmert sich die Familie selbst.
Die OTG wird international
Noch hinken die Spethmanns der Konkurrenz hinterher, doch das ändert sich 1966. Vor dem Hintergrund des gestiegenen Tee-Verbrauchs gründen sie ihre erste eigene Marke: Milford. Sie erkennen außerdem, wie wichtig - neben der Qualität - die Verpackung für den Verkauf ist und richten eine eigene Design-Abteilung ein. Marianne legt die typischen Firmenfarben fest: weiß und grün. Sie ist die "Seele des Unternehmens", deren Handschrift überall zu erkennen ist. So dekoriert sie zum Beispiel die Büros und Arbeitsräume mit Orchideen. 1972 übernimmt die OTG die Firma Groschtee in Österreich und erhält damit den ersten eigenen Produktionsstandort. Es folgen Niederlassungen in Großbritannien, Frankreich und Russland.
Rückkehr nach Ostfriesland
In den 80er-Jahren findet eine Konzentration auf dem Tee-Markt statt. Laurens Spethmann kehrt nach Ostfriesland zurück, kauft 1988 die Firma Onno Behrends in Norden. So erhält er einen eigenen Produktionsstandort in Deutschland und eine Traditionsmarke, die Spethmann weiterführt. Darüber hinaus kann er auf das Know-how erfahrener Mitarbeiter setzen.
Die Söhne übernehmen
1990 übernimmt die OTG eine weitere Traditionsfirma: das Familienunternehmen Meßmer. Sechs Jahre später verlässt Laurens Spethmann die Firma. Seine Söhne Jochen und Michael werden zu den Herren über den Tee. Allerdings vererbt der Senior das Unternehmen nicht, seine Söhne müssen es kaufen. Laurens Spethmanns begründet das damit, "dass man nur dann ein richtiger Unternehmer wird, wenn man einen ordentlichen Sack voll Schulden hat", so Jochen Spethmann. Das Erfolgskonzept übernehmen die Söhne von den Eltern. Jochen, der Ältere, kümmert sich um Vertrieb und Marketing, Michael um Finanzen und Produktion. "Wir haben insofern auch Glück gehabt, als mein Bruder und ich sehr ähnliche Talente haben wie unsere Eltern. Das heißt: Ich bin der Außenminister, mein Bruder der Innenminister", sagt Jochen Spethmann in der Fernseh-Dokumentation "Spethmann - Ein Leben für den Tee".
Im Zuge einer Umstrukturierung des Unternehmens wird 1996 die Laurens Spethmann Holding (LSH) gegründet, die sämtliche Beteiligungen der Ostfriesischen Tee Gesellschaft übernimmt. Michael Spethmann ist mittlerweile Aufsichtsratsvorsitzender und Jochen Spethmann Mitglied des Beirates der LSH. Das Team der Ostfriesischen Tee Gesellschaft als Tochterunternehmen der LSH wird derzeit von Annemarie Leninger und Ingo Wiltfang geführt.
Tee von Meßmer, Milford, Onno Behrends und Yasashi
Zur Erfolgsgeschichte des Familienunternehmens gehört auch, dass es immer eigenständig war und ist. Es gehört neben Teekanne zu den Branchenriesen in Deutschland und Europa und fungiert heute als Holding, als Dachgesellschaft mehrerer Tochterunternehmen unter anderem mit den Marken Meßmer, Milford, Onno Behrends und Yasashi. Rund 1.900 Mitarbeiter im In- und Ausland arbeiten inzwischen für das Unternehmen, das eigenen Angaben zufolge - neben Süßstoffen, Riegeln und Cerealien - jährlich mehr als zehn Milliarden Teebeutel produziert.