Screenshot einer Amateurfilm-Aufnahme von den Olympischen Segelwettbewerben 1972 in Kiel, Filmbild auf "Kielympia" von ZeitZeugenStudio e.V. © ZeitZeugenStudio e.V.

"KIELympia": Die Stadt und die Spiele 1972 im Film

Stand: 25.08.2022 05:00 Uhr

Vor 50 Jahren haben die Olympischen Segelwettbewerbe in Kiel stattgefunden. Aus Amateur-Aufnahmen und Interviews hat Filmemacher Gerald Grote mit dem Verein ZeitZeugenStudio einen Geburtstagsfilm produziert: "KIELympia - Unsere Stadt und die Spiele 1972".

von Andrea Ring

Als Deutschland 1972  zum zweiten Mal nach 1936 Gastgeber der Olympischen Spiele ist, wird auch Kiel zur Sporthauptstadt: Dort finden ab dem 28. August die Segelwettbewerbe statt. Für die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt heißt das im Vorfeld auch: Sie bekommt einen Anschluss ans Autobahnnetz, eine neue Hochbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal und das Olympiazentrum in Schilksee - dem Stadtteil, der an die offene Ostsee grenzt.

Für "KIELympia" 20 Stunden Amateur-Material gesichtet

Screenshot einer Amateurfilm-Aufnahme von den Olympischen Segelwettbewerben 1972 in Kiel, Filmbild auf "Kielympia" von ZeitZeugenStudio e.V. © ZeitZeugenStudio e.V.
Olympische Spiel in der eigenen Stadt - das ist schon etwas Besonders. Viele Kieler haben 1972 daher zur Super-8-Kamera gegriffen.

Die Spiele werden zum großen Fest, bei dem viele Menschen die Kamera am Auge haben - Schmalfilm statt Smartphone. Zum 50. Jubiläum hat der Kieler Filmemacher Gerald Grote zusammen mit Cutter Matthias Fey und ihrem Verein ZeitZeugenStudio aus Amateur-Aufnahmen und Gesprächen mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen den Film "KIELympia - Unsere Stadt und die Spiele 1972" produziert. Um die 20 Stunden Filmmaterial haben sie dafür gesichtet.

Nach einem Aufruf kam das Material quasi wie von selbst in Haus. "Ich hab 'ne ganze Tüte voller Filme, die habe ich '72 gedreht", erzählt Fey von einem Amateurfilmer, der sich erinnerte, die Kamera bei bei den Olympischen Spielen dabei gehabt zu haben. Eine große Papiertüte mit 10, 15 Rollen habe er Fey in die Hand gedrückt: "Vielleicht finden Sie ja noch was." Und es waren schöne Aufnahmen von der Windjammerparade mit dabei.

"Schön, dass Sie das noch benutzen können"

Der ersten Windjammerparade auf der Kieler Förde überhaupt. Sogar Luftaufnahmen, aus einem Hubschrauber gefilmt, schlummerten in einem Privat-Archiv. Gemeldet hatte sich ein Amateurfilmer, der 1972 für die Vermessung der Segelboote nach Bootsklassen mit zuständig war: "Drei wunderbare Filmrollen hat er uns gegeben", so Fey. "Wirklich super gedreht, wunderbar dokumentiert. Er hat auch gesagt: 'Naja, ich bin jetzt über 80, meine Kinder interessiert’s nicht, meine Enkel interessiert’s nicht - schön, dass Sie das noch benutzen können.'"

Olympia '72: Der Fackellauf aus allen Perspektiven

Screenshot einer Amateurfilm-Aufnahme von den Olympischen Segelwettbewerben 1972 in Kiel, Filmbild auf "Kielympia" von ZeitZeugenStudio e.V. © ZeitZeugenStudio e.V.
Von der Eröffnung der Spiele in Kiel haben die Filmemacher besonders viele Aufnahmen bekommen.

Auch der Fackellauf, gedreht vom Olympiazentrum in Schilksee aus, ist Teil dieses Materials - ein beliebtes Motiv. Ideal für Gerald Grotes Filmprojekt: "Ich weiß nicht, wie viele Schnipsel das jetzt sind", sagt er begeistert darüber, aus wie vielen Perspektiven dieser Lauf nun zusammengesetzt werden kann." "Besser aufgelöst kann man das kaum haben", freut sich auch Cutter Fey. "Wir haben bestimmt fünf oder sechs verschiedene Positionen, aus denen das gedreht wurde. Da kommt einer nah vorbei, dann haben wir eine Totale, eine Supertotale. Dann haben wir einen, da geht nur die Fackel vorbei, weil er so beengt stand. Das macht natürlich Spaß, sich das alles zusammenzusuchen."

"Solche Bilder findet man nicht im Fernseh-Archiv"

Die Fackel mit dem Olympischen Feuer trägt an diesem Montag im August 1972 unter anderem der Sportinternatsschüler Uwe Brandenburg aus Malente. Zuvor habe es zwar geheißen, die Fackelläufer dürften sie behalten. Doch Brandenburg hatte Zweifel - und überlegte, wie er die Fackel trotzdem mit nach Hause bekommt: "Ich hatte meine Mutter gebeten, eine große Tasche mitzubringen. Und es kam tatsächlich so, dass ich einen Augenblick Luft hatte. Ich hab' die Fackel auseinandergenommen und meiner Mutter übergeben."

Genau diese Situation ist offenbar auf einer der Filmrollen festgehalten, die ZeitZeugenStudio zur Verfügung gestellt wurden. "Eine Frau mit einer Fackel - das kann doch nicht wahr sein", freut sich Cutter Fey. "Solche Bilder findet man nicht im Fernseh-Archiv. Dieses hier lebt halt und ist erlebt."

Eine Kamera für alle: "Das Bild ist rund"

Siebzig Kinder und Jugendliche in ihren Optimisten-Jollen sorgten bei der Eröffnungsfeier für ein passendes Panorama im Bildhintergrund. Katrin Cornelius hat sie damals betreut. Auf ihrem Schreibtisch hatte sie eine Filmkamera und 50 Filme liegen - zu freien Verfügung. "Jeder, der meinte, jetzt passiert etwas Aufregendes, durfte sich an der Kamera bedienen", erinnert sie sich. Denn so etwas habe man festhalten müssen. Und sie selbst habe kaum Zeit dafür gehabt. "Ich habe vielleicht einen halben Film gedreht, mehr nicht." Die anderen hingegen griffen zu. Bronzemedaillen-Gewinner Ulli Libor und Weltmeister und Olympiasieger Wilhelm Kuhweide bekamen das Ergebnis damals zu sehen: "Die sagten, ja, das Bild ist rund", so Cornelius. "Es ist gut gewesen, dass so viele die Kamera benutzen konnten."

Passion Amateur-Schmalfilm: "So ehrliche Bilder"

Filmemacher Gerald Grote arbeitet nicht zum ersten Mal mit Amateur-Aufnahmen. "Es sind so ehrliche Bilder, die auf Augenhöhe sind", sagt er. "Das ist nicht vorprogrammiert und nicht fürs Fernsehen in irgendeiner Form 'geschönt', sondern da sind einfach Bilder, die aus dem Augenblick entstehen." Auch Cutter Fey zieht den Schmalfilm jedem Smartphone-Video vor: "Ich finde das einfach ästhetischer, so ein schönes gedrehtes Bild, ein analoges. Das hat einfach viel Ausstrahlung."

Promi-Stelldichein durch die Amateur-Linse

Die Opernsänger Anna Moffo und Rudolf Schock 1972 in Kiel vor einem Übertragungswagen des NDR. Screenshot einer Amateurfilm-Aufnahme von den Olympischen Segelwettbewerben 1972 in Kiel, Filmbild auf "Kielympia" von ZeitZeugenStudio e.V. © ZeitZeugenStudio e.V.
Show-Einlage der Opern-Stars Anna Moffo und Rudolf Schock vor dem Übertragungswagen des NDR: Auch das bunte Rahmenprogramm war für viele Kieler den Griff zur Kamera wert.

Nicht nur bei den eigentlichen Segelwettbewerben wurde 1972 viel gefilmt, auch das üppige Rahmenprogramm an Land bot eine Menge Stoff - und Promis: Opern-Star Rudolf Schock und Opernsängerin Anna Moffo, Jürgen Drews mit den Les Humphries Singers - und die Amateurfilmer waren ziemlich nah dran. Am Bundespräsidenten Gustav Heinemann, am späteren spanischen König Juan Carlos auf seinem Boot. Die Gespräche mit Organisatoren, Architekten und der Segel-Legende Ullrich Libor, der mit 82 Jahren noch heute aktiv segelt, machen den Eindruck vom Kieler Großereignis perfekt: "Bei allen ist rausgekommen, dass es einen gewissen Geist gegeben hat, einen Zusammenhalt. Alle waren fröhlich", so Matthias Fey.

Filmstart von "KIELympia" am 28. August

Wie das damals aussah, erfahren Kiel-, Sport- und Nostalgie-Freunde ab dem 28. August in Schilksee: Pünktlich zum 50. Jubiläum der Olympischen Segelwettbewerbe soll der Film "KIELympia - Unsere Stadt und die Spiele" dort Premiere feiern. Das Kommunale Kino in der Pumpe (KoKi) in Kiel zeigt den Film ab 4. September bis in den Winter hinein täglich. Wer es nicht ins Kino schafft: Im November soll "KIELympia" auch auf DVD erscheinen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 19.07.2022 | 09:40 Uhr

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