Hindenburgdamm: Mit der Bahn durchs Watt nach Sylt
Seit Juni 1927 verbindet der Hindenburgdamm das Festland mit der Insel Sylt. Doch der Weg zum Damm war lang. Erst im dritten Versuch gelang der Dammbau. Seine Folgen sind nicht nur positiv.
Am 1. Juni 1927 dampfte Reichspräsident Paul von Hindenburg im Salonwagen über den neuen, etwa elf Kilometer langen Damm von Klanxbüll nach Sylt. Ein "großer Bahnhof" mit Ehrenpforte empfing ihn in Westerland. Die angeblich schönste Nordseeinsel und das Festland waren nun verbunden. Im Überschwang der Feier kommt dann die Idee auf, den neuen Schienenweg durch das Watt Hindenburgdamm zu nennen. So heißt er trotz immer wiederkehrender Diskussionen bis heute. Seit 1972 durchgängig zweigleisig, nutzen ihn mittlerweile rund 5.000 Pendler täglich und etwa 640.000 Inselgäste pro Jahr.
Hindenburgdamm nach Sylt: Umstritten und notwendig
Seine Geschichte beginnt, als 1855 das Seebad Westerland gegründet wird: Immer mehr Fremde kommen zur Sommerfrische auf die Insel. Bereits 1876 wird untersucht, ob es nicht möglich ist, einen Damm zu bauen. Es ist möglich - doch die Sylter protestieren. Vor allem im Osten, in Archsum und Morsum, wo der Damm die Insel erreichen soll, will man ihn nicht. Es beginnt eine Debatte um die Überfremdung Sylts, die bis heute andauert. Doch schließlich reifen die Pläne für den Damm. 1913 genehmigt der preußische Landtag den Bau. Gebaut wird dann jedoch nicht, weil der Erste Weltkrieg ausbricht.
Ein Damm im dritten Anlauf
1920 - in Folge des Ersten Weltkrieges - gibt es eine Volksabstimmung über die deutsch-dänische Grenze. Dadurch wird der Kreis Tondern geteilt. Nun ist ein Visum erforderlich, um durch Dänemark zum Sylter-Festlandshafen Hoyerschleuse zu gelangen. Es muss ein "deutscher" Weg nach Sylt gesucht werden.
1921 beginnen die Vorarbeiten. Im Mai zwei Jahre später startet der erste Bauversuch. Nach nur drei Monaten spült eine Sturmflut alles wieder weg. Ein neuer Plan muss her. Im Frühjahr 1924 beginnen die Bauarbeiter deshalb damit, eine Spundwand durch das Watt zu ziehen. Dafür treiben sie Stahlplatten in den Wattboden - so soll das Wasser gestoppt werden. Nun rollen täglich 70 Waggons mit Material vom Festland heran. Von Sylt schaffen 30 Frachtsegler, drei Schlepper und 20 Schuten das Material heran, um rechts und links der Spundwand jeweils einen halben Damm aufzuschütten.
Bis zu 1.500 Menschen arbeiten an dem Damm mit einer Sohle von 50 Meter Breite. Zehn Meter hoch bietet der Damm auf seiner Krone elf Meter Breite. 3,6 Millionen Kubikmeter Erde (das entspricht einem Würfel mit einer Kantenlänge von 153 Meter) und 400.000 Tonnen Steine werden verbaut. Das ganze Bauwerk kostet 18,5 Millionen Rentenmark.
Eingleisig und ohne Autos
Zunächst verbindet nur ein Gleis das Festland mit der Insel. Darauf fahren Personen- und Güterzüge. Erst 1932 wird das erste Auto verladen. Seit 1950 dürfen die Insassen bei der Überfahrt im Auto sitzen bleiben. Zehn Jahre später fahren die ersten reinen Autozüge, seit 1962 auch doppelstöckig.
Doch immer wieder sind die Kapazitäten kleiner als der Bedarf. Auch deshalb brandet regelmäßig die Diskussion auf, den Eisenbahn- in einen Autodamm umzubauen. Die ist seit 1972 (vorerst) beendet. Seitdem ist der komplette Damm zweigleisig ausgebaut, und bis heute reine Bahnstrecke.
Ein Damm gewinnt Land
Als der Damm fertig ist, ist er 11,3 Kilometer lang, er teilt das Watt. Damit umspülen Ebbe und Flut die Insel nicht mehr an ihrer Ostseite. Durch das beruhigte Wasser setzt sich immer mehr Schlick und Sand ab. 1954 entsteht so am Festland der Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog - er wird an den Damm gebaut.
Hindenburgdamm: Fluch und Segen für Sylt zugleich
Damit liegen vom Hindenburgdamm inzwischen nur noch 8,1 Kilometer im eigentlichen Bereich des Wattenmeers. Über den Damm sind seit 1927 nicht nur Millionen von Sylt-Urlaubern und von 1932 an auch ihre Autos auf die Insel gekommen und haben zur wirtschaftlichen Entwicklung des Touristen-Traums beigetragen. Das Bauwerk veränderte auch die Natur der Insel: Fuchs, Maulwurf und Dachs fanden über den Damm den Weg auf die Insel - mit enormen Folgen für die dortige Vogelwelt.
Tiefgreifender als die neuen Zuwanderer in Fauna und Flora wirkte sich der Dammbau aber auf das Inselleben aus. Sylt droht durch die vielen Autos inzwischen vor allem im Sommer ein Verkehrsinfarkt. Die Insel wird zunehmend zersiedelt und die explodierenden Immobilienpreise vertreiben inzwischen die Einheimischen von der Insel. Immer mehr Sylter leben mittlerweile auf dem Festland und pendeln auf "ihre" Insel.