Spaziergänger auf der Gartenschau Planten un Blomen 1935. © Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Hamburg/Meding

Planten un Blomen für die Hamburger "Volksgenossen"

Stand: 06.06.2020 08:00 Uhr

Eine niederdeutsche Gartenschau - so planten es die Nazis. Doch als Planten un Blomen am 6. Juni 1935 in Hamburg eröffnet, sehen Besucher statt "völkischer" Blumenzucht Kakteen und Orchideen.

von Dirk Hempel

Am 6. Juni 1935 schreitet der Regierende Bürgermeister von Hamburg, der Nationalsozialist Carl Vincent Krogmann, eine Ehrenabordnung des Reichsarbeitsdienstes ab. Die Männer sind nahe dem Dammtorbahnhof angetreten. Sie tragen die senfgelbe Uniform des RAD, den Spaten geschultert, die Augen geradeaus. Dann eröffnet er die Niederdeutsche Gartenschau "Planten un Blomen" (plattdeutsch für Pflanzen und Blumen). Sie solle zeigen, so Krogmann in seiner markigen Ansprache, "was das gesamte nationalsozialistische Deutschland auf dem Gebiete der Blumen- und Pflanzenzucht zu leisten imstande ist."

Die gleichgeschalteten Hamburger Zeitungen haben schon vorher über das Ereignis berichtet. "Deutschlands größte Gartenschau vor der Eröffnung" und "Niemand wird das Zoogelände wiedererkennen", lauten die Schlagzeilen. Reichsbauernführer Darré, der den Bau des neuen Parks gefördert hat, spricht in einem Grußwort dem deutschen Volk "tiefste Sehnsucht nach der Scholle“ zu. Und der "Führer des deutschen Gartenwesens" will hier "Hunderttausende von Volksgenossen" im Gartenbau schulen.

Planten un Blomen: Arbeitslose an die Schaufeln

Die Hamburger NS-Führung braucht dringend Erfolge. Die Stimmung in der Hansestadt ist wenige Jahre nach der Machtübernahme schlecht. Die Geschäfte der Kaufleute stagnieren und noch immer haben viele Arbeiter keine Stellung. Da kommt den neuen Herren in Hamburg, neben Krogmann der Reichsstatthalter Karl Kaufmann, die Idee für einen großen Park am Rande der Innenstadt gerade recht. Sie stammt vom Fremdenverkehrsverein, der wohl an frühere erfolgreiche Gartenschauen in Hamburg und Altona anknüpfen will. Gleichzeitig können Hunderte Arbeiter beschäftigt und der Bevölkerung städtebaulicher Glanz und bürgerliche "Normalität" vorgespiegelt werden.

Es braucht Platz für Planten und Blomen

Das Areal für den neuen Park umfasst rund 20 Hektar und liegt hinter dem Dammtorbahnhof. Hier befand sich bis 1930 der Zoologische Garten, dessen erster Direktor 1863 der später weltberühmte Tierforscher Alfred Brehm war. Danach für wenige Jahre ein Volkspark mit Achterbahn und Motorbootstrecke, der nun abgerissen wird. Zudem soll auch ein Teil der alten Dammtorfriedhöfe umgestaltet werden, die schon seit Jahrzehnten geschlossen sind.

Die Verantwortung für die Planung erhält Hans Meding, Leiter des Hamburger Garten- und Friedhofwesens, der die Ausführung der meisten Arbeiten jedoch dem 30-jährigen Gartenarchitekten Karl Plomin überlässt. Sie beginnen im Herbst 1934 mit den Arbeiten. Zunächst müssen die alten Zoogebäude abgerissen, Fundamente gesprengt, Teiche zugeworfen, Gräber zum Ohlsdorfer Friedhof transportiert werden.

Die Kosten verdreifachen sich

Arbeiter verlegen Mitte der 1930er-Jahre Rohre für eine Eisbahn in Planten un Blomen. © Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Hamburg/Meding
Bis zu 1.800 Arbeiter sind auf dem Gelände beschäftigt. Unter anderem verlegen sie Kühlrohre für die künftige Eislaufbahn.

Die Zeit für die Gestaltung der Gartenschau ist knapp. Schon frühzeitig hat man sich auf den Eröffnungstermin festgelegt, eine Verschiebung kommt für die Organisatoren nicht infrage. So schickt die Fürsorgebehörde immer mehr Langzeitarbeitslose. Anfangs sind es 150 Arbeiter, später 850, in den Wochen vor der Eröffnung steigt ihre Zahl auf 1.800 Mann. Sie bewegen rund 150.000 Kubikmeter Boden, verlegen 177.000 Klinker für die Fußwege, pflanzen unter anderem 276.000 Sommerblumen, 73.000 Stauden, 35.000 Nelken, 10.000 Gladiolen und 6.000 Rosen. Die auf vier Millionen Reichsmark veranschlagten Kosten verdreifachen sich schnell.

Wasserkaskaden und Schlittschuhbahn

Die Eingangsbauten hinter dem Dammtorbahnhof - heute steht an dieser Stelle ein Hotelhochhaus - und eine 150 Meter lange Kakteenhalle hat der junge Architekt Konstanty Gutschow entworfen. Im Park begrüßt eine Sommerblumenwiese die Besucher. Weiße Mauern fassen Rosengärten ein. Den Mittelpunkt der Anlage bildet ein großes rechteckiges Wasserbecken, das im Winter als Schlittschuhbahn genutzt werden soll. Ein langer Kanal mit mehreren Kaskaden führt von Westen darauf zu.

Dazu gibt es Ausstellungshallen für Blumensonderschauen, ein weitläufiges Restaurant mit Terrasse als Relikt des Zoologischen Gartens, davor einen Musikpavillon in moderner Glas- und Betonbauweise für Platzkonzerte. Klein- und Schaugärten und zum Teil reetgedeckte Siedlungshäuser sollen den Besuchern Beispiele für Wohnen und Gärtnern im Nationalsozialismus bieten.

Bananen, Bambus und Kakteen

Der Kakteengang im Park Planten un Blomen in den 1930er-Jahren. © Peter Plomin
In dem 150 Meter langen Kakteengang konnten Besucher vom sonnigen Süden träumen.

Am Großen Becken liegt eine massige Bauernschänke, auch sie unter Reet und mit bunten Gebälk. Die eigentliche Attraktion aber bildet neben dem langen Kakteengang das exotische Orchideencafé am westlichen Ende des Parks. Seltene tropische Pflanzen wachsen hier in Glaskästen, die das Café von der Terrasse mit ihren bunten Sonnenschirmen trennen. Zwischen Bananenstauden und Bambus kann man hier die große Welt spüren. Gegenüber schwimmen in einem beheizten Becken grüne Tellerpflanzen auf dem Wasser, die vom Amazonas stammen.

Tatsächlich sehen die rund 800.000 Besucher, die bis Oktober 1935 zur Gartenschau kommen, neben der Bauernschenke kaum "Niederdeutsches". Weitere Großbauten wie die von Meding und Plomin geplanten Fischerkaten von den Halligen hat die Finanzverwaltung nicht genehmigt. In Planten und Blomen verbinden sich geometrisch-strenge Gartenvorstellungen aus der Zeit des Nationalsozialismus, die sich etwa auch am Maschsee in Hannover finden, mit technisch modernsten Elementen und vor allem Blumen "aus aller Herren Länder", wie Plomin im Begleitheft schreibt.

Planten und Blomen: Vergnügungspark, aber nicht für alle

Planten un Blomen © Christa Eickert Foto: Christa Eickert
Relikt der Gartenschau von 1935: die Sonnenuhr.

Auch wenn die Fachpresse die Anlage bald als "mondänen, großstädtischen Restaurationsgarten" kritisiert, lässt Bürgermeister Krogmann sie in den Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg zu einem Vergnügungspark erweitern. Erholung, Zerstreuung und Ablenkung für die "Volksgenossen" sind der politischen Führung anscheinend doch wichtiger als norddeutsche Fischerkaten und Bauerngärten. So gehören auch Kinderbetreuung, Ponyreiten und Buchausleihe zum Programm.

Bereits im ersten Winter wird das große Becken zur größten Eislaufbahn Deutschlands. Eine Rollschuhbahn sowie eine Konzerthalle werden eröffnet, außerdem eine Aquariumsgaststätte mit Haifischbecken. Abends begeistert eine Leuchtfontäne die Hamburger. Im Kakteengang ist 1938 die größte Riesenkakteenschau der Welt zu sehen, die der Kakteenforscher Curt Backeberg im Auftrag der Stadt auf einer Expedition nach Mexiko zusammengetragen hat. Millionen Besucher kommen bis zum Krieg nach Planten und Blomen. Juden aber dürfen zu dieser Zeit in Deutschland Parks nicht mehr betreten.

Kriegsbeginn verhindert Ausbau zum NS-Monumentalpark

Die Planungen der NS-Behörden gehen unterdessen weiter. Der neue Hamburger Chefarchitekt Konstanty Gutschow, der 1937 den Wettbewerb zur monumentalen Umgestaltung des nördlichen Elbufers im Stil der NS-Architektur gewonnen hat, will am Dammtor einen wesentlich größeren Park für die NS-Urlauberorganisation "Kraft durch Freude" bauen, mit Freibad und "Aufmarschfläche". Die Pläne werden nach Kriegsbeginn aufgegeben. Im Jahr 1941 stellt das Propagandaministerium in Planten un Blomen erbeutete Waffen der Kriegsgegner aus, wenig später müssen hier KZ-Häftlinge bei eisiger Kälte Zementsteine herstellen.

Nur wenig ist vom ursprünglichen Park geblieben

Nachdem die Luftangriffe auf Hamburg auch den Park zerstört haben, verändern später Internationale Gartenschauen in den Jahren 1953, 1963 und 1973 die Anlagen weitgehend. Heute erinnern neben der Sonnenuhr zwischen Parksee und Musikpavillon noch die Kaskaden und die Mauern des Rosengartens an die Gartenschau 1935.

Historisches
Planten un Blomen während der Niederdeutschen Gartenschau 1935 © Bildarchiv Gartendenkmalpflege der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt.

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 07.06.2020 | 19:30 Uhr

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