Günter Kunert - Der heitere Melancholiker
Der Lyriker ist "Fremd daheim"
Keine wesentlichen Änderungen also im Universum des Günter Kunert in den letzten 30 Jahren? Zweifelsohne waren die politischen Umbrüche der Jahre 1989/90 auch für ihn eine Zäsur. Auch wenn er seinen Lesern eine zusammenhängende Darstellung seiner Reaktionen auf den Mauerfall vorenthalten mag, mit dem Untergang der DDR auseinandergesetzt hat er sich natürlich. In viel beachteten Büchern thematisierte er die Wende, zum Beispiel im Gedichtband "Fremd daheim" und in mehreren Essaysammlungen.
Keineswegs geschwiegen hat Kunert auch stets, wenn es um die persönliche Verstrickung von Intellektuellen in die Machenschaften der Stasi und den DDR-Machtapparat ging. "Keinem, der nicht mitmachte, ist etwas passiert", lautet sein Credo. Das Verständnis des Schriftstellers für die persönliche Anbiederung an den SED-Staat hält sich dementsprechend in sehr engen Grenzen.
Vor Altersweisheit wird gewarnt
Wolf Biermann, mit dem er nicht nur die Ablehnung von intellektuellem Duckmäusertum gegenüber staatlicher Macht teilt, schrieb über Kunert einst, dieser sei "Pessimystiker", während er, Biermann, sich für einen "Optimystiker" halte. Anlässlich des 70. Geburtstages des Freundes im November 2006 entgegnete Kunert in seiner Laudatio: "Auch Dichter altern. Manche bekommen Alzheimer oder - ebenfalls unangenehm - die berüchtigte Altersweisheit." Er selbst - so versichert Kunert mit viel augenzwinkerndem Witz - spüre diese auch jenseits der 80 Jahre glücklicherweise überhaupt nicht: "Ich bin so unweise, wie ich es immer war, weil ich mir meine Naivität bewahrt habe", sagt er und in dieser Bemerkung steckt vielleicht die gebündelte Lebenserfahrung des "heiteren Melancholikers", als den Kunert sich selbst gerne beschreibt.
- Teil 1: Der heitere Melancholiker
- Teil 2: Die "Kassandra von Kaisborstel"
- Teil 3: Vor Altersweisheit wird gewarnt