Stand: 06.03.2014 21:57 Uhr

Günter Kunert - Der heitere Melancholiker

von Andrej Reisin

Die "Kassandra von Kaisborstel"

Kunert veröffentlicht bei westdeutschen Verlagen und hält sich mit Erlaubnis der DDR-Behörden zu Gastvorträgen in den Vereinigten Staaten und in England auf.

Der Dichter, Musiker und Liedermacher Wolf Biermann zeigt eine von den Holzkisten, in denen ihm nach der Ausbürgerung seine Habe nachgeschickt wurde. © Hoffmann und Campe Verlag Foto: Thorsten Jander
Wolf Biermann und Günter Kunert verbindet eine viele Jahrzehnte lange Freundschaft.

1976 ist er einer der Erstunterzeichner der Petition gegen die Ausbürgerung seines lebenslangen Freundes Wolf Biermann - und wird aus der SED ausgeschlossen. 1979 entkommt er schließlich der DDR und siedelt sich hoch im Norden der Bundesrepublik an, so unscheinbar, dass man es kaum glauben mag - in einem kleinen Ort bei Itzehoe.

Seine stets mit spitzer Feder formulierte Kulturkritik trägt ihm bei manchem Rezensenten bald den Spottnamen "die Kassandra von Kaisborstel" ein. Ganz so, als könne einer, der dort oben auf dem Dorf wohnt, das Geschehen der großen, weiten Welt wohl nicht recht deuten.

Ein Schwarz sehender Hellseher

Den Skeptikern seiner Skepsis antwortet Kuhnert gerne mit einem Aphorismus des von den Nazis aus Wien vertriebenen Lyrikers Felix Pollak: "Ein Hellseher, der kein Schwarzseher ist, ist kein richtiger Hellseher." Die fortschreitende Umweltzerstörung nimmt er als das wichtigste Problem unserer Zeit war. Schon zu DDR-Zeiten sei ihm aufgefallen, dass "die Menschheit mit großem Fleiß damit befasst war, den Planeten unbewohnbar zu machen". Daran habe sich leider nichts geändert, im Gegenteil: "Meine Skepsis ist im Laufe der Jahre leider immer größer geworden. Wenn jeder Chinese in Folge des ungeheuren industriellen Aufschwungs dort anfängt Auto zu fahren", so befürchtet Kunert, "werden wir große, große Probleme bekommen, gegen die uns die gegenwärtigen wie paradiesische Zustände vorkommen werden."

Ein Zuhause in Norddeutschland

Angesichts dieser Weitsicht ist es auch nicht verwunderlich, dass Kunert es nicht für nötig befindet, einen zweiten Teil seiner Autobiografie zu schreiben, obwohl die bisherige mit seinem Umzug nach Schleswig-Holstein im Jahre 1979 endet. Seitdem habe sich doch "nichts Wesentliches ereignet", antwortet Kunert diesbezüglichen Nachfragen gerne nonchalant. Er habe "30 Jahre am Schreibtisch" gesessen und das sei nun einmal nicht berichtenswert.

Gefunden hat er bei den Menschen im Norden allerdings ein Stück Geborgenheit, wie er selbst sagt. Zu Unrecht hänge den Nordlichtern nämlich ein Ruf nach, sie seien stur und introvertiert, meint Kunert: "Sie sind freundlich und hilfsbereit, halten gerne einen Klönschnack im Supermarkt und haben mich schnell akzeptiert." Auch, wenn Berlin seine Heimat im engeren Sinn bleibe, so sei Schleswig-Holstein mittlerweile sein Zuhause.

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 06.03.2014 | 19:30 Uhr

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