Theodor Mommsen auf einer Druckgrafik aus dem Jahr 1863. © picture alliance / akg-images

Theodor Mommsen: Historiker, Demokrat und Nobelpreisträger

Stand: 01.11.2023 05:00 Uhr

Theodor Mommsen gilt als einflussreichster Historiker des 19. Jahrhunderts. Seine "Römische Geschichte", für die er 1902 den Literaturnobelpreis erhielt, zählt zu den Meisterwerken der Geschichtsschreibung. Am 1. November 1903 starb der gebürtige Norddeutsche.

Doch Theodor Mommsen war nicht nur Historiker: Als politisch denkender Bürger focht er für Einheit und Freiheit, kritisierte Otto von Bismarck und kämpfte gegen den Antisemitismus. Seine Vision, das Deutsche Reich nach innen freiheitlich zu gestalten, erfüllte sich jedoch nicht. Wer war der Mensch, der als Altertumswissenschaftler so große Erfolge feierte?

Theodor Mommsen studiert mit Theodor Storm

Mommsen kommt am 30. November 1817 im nordfriesischen Garding zur Welt. Der älteste Sohn einer Pastorenfamilie wächst mit fünf Geschwistern in Oldesloe (Kreis Stormarn) auf. Er besucht ab Oktober 1834 das altsprachliche Gymnasium in Altona. Im Mai 1838 beginnt er ein Jura-Studium an der Universität Kiel. Ein Jahr später lernt er seinen Mitstudenten Theodor Storm kennen, der später als Dichter berühmt wird. Beide teilen sich zeitweise eine Wohnung und veröffentlichen 1843 gemeinsam mit Mommsens Bruder Tycho die Gedichtsammlung "Liederbuch dreier Freunde". Mit einer Promotion über das römische Recht schließt Theodor Mommsen im selben Jahr sein Studium ab.

Theodor Mommsen © picture-alliance
AUDIO: Mommsen: Literaturnobelpreisträger und Historiker (15 Min)

Wegen demokratischer Gesinnung suspendiert

Porträt von Theodor Mommsen - Gemälde von L. Knaus 1881 © picture alliance / Keystone Foto: Röhnert
In seinen Ansichten war Mommsen oft kompromisslos. Dadurch geriet er mit mehreren Zeitgenossen in Streit.

1844 bekommt Mommsen ein Reisestipendium für altertumswissenschaftliche Forschungen. Auf seiner Reise entdeckt er in Rom seine Leidenschaft für die Geschichtswissenschaft. Dort schafft er die Grundlagen für die Herausgabe des "Corpus Inscriptionum Latinarum", einer Sammlung aller Inschriften im Römerreich. Im Revolutionsjahr 1848 kehrt der Gelehrte in seine Heimat zurück und arbeitet zunächst als Journalist bei der "Schleswig-Holsteinischen-Zeitung". Im Herbst desselben Jahres erhält Mommsen eine Professur für römisches Recht an der Universität Leipzig. Ein Jahr später beteiligt er sich am Dresdner Maiaufstand, der darauf abzielt, den sächsischen König zu stürzen und eine Republik einzurichten. Nach dem Scheitern des Aufstands wird Mommsen zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt, die er aber nicht antreten muss. 1851 wird er wegen seiner demokratischen Gesinnung aus dem Hochschuldienst entlassen.

Forschungsprofessur an der Preußischen Akademie

Theodor Mommsen liest ein Buch auf einer Fotografie um 1900 . © picture alliance / akg-images
"Ohne Leidenschaft gibt es keine Genialität", so Mommsen in seiner "Römischen Geschichte". Er selbst war mit sich oft unzufrieden.

Da er in Deutschland keinen Lehrauftrag mehr erhält, geht der Historiker 1852 nach Zürich. Dort wird er jedoch nicht richtig heimisch und stürzt sich deshalb in die Arbeit. Er beginnt seine mehrbändige "Römische Geschichte" niederzuschreiben. In den Fakten bleibt Mommsen penibel, doch formuliert er unterhaltsam und stilsicher wie ein Schriftsteller. Das Werk ist ein großer Erfolg, wird in acht Sprachen übersetzt und beflügelt die Begeisterung für Alte Geschichte.

1858 gelingt Mommsen der Sprung nach Berlin an die Preußische Akademie der Wissenschaften. Drei Jahre später erhält er an der Berliner Universität einen Lehrstuhl für römische Alterskunde und hält dort bis 1885 Vorlesungen. Mommsen ist bei seinen Studenten nicht allzu beliebt. Widerspruch weist er häufig mit wüster Polemik zurück. "Rasiermesser" lautet sein Spitzname bei den Studenten.

Theodor Mommsen kämpft gegen den Antisemitismus

Mommsen ist neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit stets auch politisch engagiert. Dem preußischen Landtag gehört er von 1863 bis 1866 und erneut von 1873 bis 1879 als Abgeordneter an. Von 1881 bis 1884 ist er Mitglied des Reichstags für die Liberale Vereinigung. Wütend kritisiert er die Politik Bismarcks als "nichtswürdig", nennt dessen Sozialpolitik gar eine "Politik des Schwindels". Bismarck fühlt sich durch Mommsen derart beleidigt, dass er Strafantrag stellt.

Vehement setzt sich Mommsen gegen den verbreiteten Antisemitismus ein. Im sogenannten Berliner Antisemitismusstreit tadelt er den Historiker Heinrich von Treitschke, weil dieser "den Judenhass salonfähig gemacht" habe. Treitschke hatte die Parole geprägt: "Die Juden sind unser Unglück." Für Mommsen ist der Antisemitismus dagegen "eine schauerliche Epidemie, wie die Cholera". Er gehört 1890 zu jenen 535 Persönlichkeiten, die den Gründungsaufruf des "Vereins zur Abwehr des Antisemitismus" unterschreiben.

1902: Nobelpreis für die "Römische Geschichte"

Für sein Privatleben bleibt dem Historiker, der insgesamt über 1.500 wissenschaftliche Studien und Abhandlungen verfasst, nur wenig Zeit. Dennoch fühlt er sich seiner Frau Marie, die er 1854 geheiratet hat, innig verbunden. Ein Leben lang schreibt er ihr Liebesbriefe. Marie bringt 16 Kinder zur Welt.

Theodor Mommsen - der Nobelpreisträger

Kategorie: Literaturnobelpreis
Jahr: 1902
Begründung des Komitees: "... dem gegenwärtig größten lebenden Meister der historischen Darstellungskunst, mit besonderer Berücksichtigung seines monumentalen Werkes 'Römische Geschichte' ".

Im Alter leidet Mommsen unter depressiven Verstimmungen. Er ist unzufrieden, glaubt, in seinem Leben nicht viel erreicht zu haben. Ein Jahr vor seinem Tod wird ihm dennoch noch einmal große Anerkennung zuteil. Für seine "Römische Geschichte" erhält er 1902 den Literaturnobelpreis - als erster Deutscher und bis heute einziger Historiker. Zu den Nominierten zählten neben Mommsen Mark Twain, Émile Zola und Leo Tolstoi. Am 1. November 1903 stirbt der große Wissenschaftler in Charlottenburg im Alter von 85 Jahren. Er wird auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof in der Kreuzberger Bergmannstraße begraben.

Mehrere Nachkommen ebenfalls Historiker

Seine Leidenschaft für die Geschichte hat Mommsen seinen Nachkommen offenbar vererbt: Zu seinen Enkeln gehören die Historiker Wilhelm Mommsen und Theodor E. Mommsen sowie der spätere Präsident des Bundesarchivs Wolfgang A. Mommsen. Die beiden Urenkel Hans und Wolfgang sind wichtige Zeithistoriker im Nachkriegsdeutschland gewesen. Mommsens Ururenkel Oliver Mommsen hat dagegen eine andere Laufbahn gewählt: Der Schauspieler ist lange Jahre als Bremer "Tatort"-Kommissar an der Seite von Sabine Postel zu sehen gewesen.

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Montage Max Planck und Licht in Spektralfarben zerlegt © Lichtbrechung: picture-alliance / OKAPIA KG, Germany, Fotopgraf: Karl Gottfried Vock

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | ZeitZeichen | 01.11.2013 | 20:15 Uhr

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