Otto Hahn: Nobelpreisträger und Pazifist
Otto Hahn gelingt im Dezember 1938 die Kernspaltung von Uran und ebnet dadurch unfreiwillig den Weg zur Atombombe. Nach den zerstörerischen Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki wird er zum Gegner nuklearer Aufrüstung im Kalten Krieg.
"Er verstand es, mit einfachsten Hilfsmitteln an die schwierigsten Probleme heranzugehen, geleitet von seiner ungewöhnlichen intuitiven Begabung und seinen ebenso ungewöhnlichen, vielseitigen chemischen Kenntnissen", schrieb die Physikerin Lise Meitner in ihren Erinnerungen an Otto Hahn, mit dem sie viele Jahre lang zusammengearbeitet hat.
"Der Unterricht in Chemie war zum 'Schlafen langweilig'"
Otto Hahn wird am 8. März 1879 als Sohn eines Geschäftsmannes in Frankfurt am Main geboren. Auch Kindheit und Jugend verbringt er dort. Auf Wunsch des Vaters soll er Architekt werden. Doch schon als Kind experimentiert er in der Waschküche des elterlichen Hauses. "Der Unterricht in Chemie war zum 'Schlafen langweilig' und doch interessierte ich mich zunehmend gerade für dieses Fach. Schon in der Zeit der Untersekunda hatte ich mit einem meiner Kameraden in der Waschküche meiner Mutter Versuche durchgeführt", schreibt Hahn 1969 seiner Autobiografie "Mein Leben".
Einser in Turnen und Singen - und ein Studium der Chemie
1897 legt er sein Abitur ab. Sein Abschlusszeugnis "zeigt drei volle Einsen, aber nicht in Chemie, Mathematik oder Französisch, sondern in Turnen, Singen und Religion", so Hahn. Er entschließt sich dennoch, Chemie zu studieren und beginnt das Studium noch im gleichen Jahr in Marburg. Bereits im Sommer 1901 absolviert er sein Doktorexamen und geht 1901 als Freiwilliger zum 81. Infanterieregiment nach Frankfurt. Schon während dieser Zeit wird ihm eine Vorlesungsassistenz am Chemischen Institut in Marburg angeboten.
Otto Hahn entdeckt Radiothor und wird Kernchemiker
Gegen Ende seiner Zeit am Chemischen Institut in Marburg sucht der damalige Direktor der Chemischen Werke Kalle & Co in Biebrich einen Chemiker. Unter der Voraussetzung, dass er seine englischen Sprachkenntnisse verbessert, erhält Hahn die Zusage für die Stelle als Industriechemiker. So macht er sich 1904 auf nach London und beschäftigt sich dort am University College bei Sir William Ramsey mit der Radiochemie. Seine Entdeckung einer neuen radioaktiven Substanz, Radiothor, ist Anlass für seinen Wandel vom organischen Chemiker zum Kernchemiker.
Durchbruch in Kanada bei Ernest Rutherford
Ein Aufenthalt in Montreal (Kanada) folgt 1905. Am Physikalischen Institut der Mc. Gill University entdeckt er das Radioactinium und untersucht gemeinsam mit Ernest Rutherford - dem damals besten Kenner und erfolgreichsten Forscher der Radioaktivität - Alphastrahlen von Radiothor und Radioactinium. Die entdeckten Elemente sind in der Lage, das teure Radium zu ersetzen und können in der Medizin verwendet werden. Von da an ist Hahns Weg in die Forschung endgültig vorgezeichnet.
Enge Zusammenarbeit mit Lise Meitner
1906 habilitiert er sich für das Fach Chemie und wird 1911 Mitglied der neu gegründeten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft am Institut für Chemie in Berlin-Dahlem. 1913 heiratet Otto Hahn. Mit seiner Frau Edith bekommt er einen Sohn. Es bleibt das einzige Kind des Paares.
Dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie steht er zwischen 1928 und 1945 auch als Direktor vor. Hahn arbeitet dort 30 Jahre lang mit der österreichischen Wissenschaftlerin Lise Meitner zusammen, bis diese als Jüdin 1938 Deutschland verlassen muss. Zeitlebens bleiben Lise Meitner und Otto Hahn wissenschaftlich und freundschaftlich verbunden.
Die Entdeckung der Kernspaltung
Im Dezember 1938 gelingt Hahn zusammen mit Fritz Straßmann die Spaltung eines Urankerns durch Neutronenbestrahlung. Bei dem Versuch werden bis dahin nicht vorstellbare Mengen von Energie freigesetzt. Überall in der Welt werden Versuche angestellt, die die gefundenen Ergebnisse bestätigten.
In Deutschland wird die Entdeckung jedoch nicht, wie man besonders in den USA annimmt, für die Entwicklung neuartiger Waffensysteme benutzt. In einem englischen Internierungslager erfährt Otto Hahn 1945 vom Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki und ist tief bestürzt, hat er doch mit seiner Forschung die Voraussetzungen für diese Katastrophe geschaffen. Dort erfährt Otto Hahn auch, dass ihm der Chemie-Nobelpreis 1944 verliehen wurde. Erst 1946 kann er die Auszeichnung entgegennehmen.
Hahn wird erster Präsident der Max-Planck-Gesellschaft
Noch in England erreicht den Wissenschaftler die Bitte des damals 88-jährigen Max Planck, die Präsidentschaft der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zu übernehmen und die verbliebenen Reste der Wissenschafts-Gesellschaft neu zu organisieren. So entsteht im Februar 1948 unter der Präsidentschaft von Otto Hahn die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.
Hahn warnt vor den Gefahren der Atombombe
Hahn warnt immer wieder vor den Gefahren der Atombombe, setzt sich dafür ein, dass Wissenschaft und Forschung dem Wohle der Menschheit dienen und nicht gegen sie verwendet werden sollen: "Wir müssen wieder Ehrfurcht vor dem Menschenleben haben! Es kann nicht der Sinn einer Weltordnung sein, das, was eine jahrtausendelange Entwicklung dem Menschen in die Hand gegeben hat, dazu zu verwenden, den Menschen selbst zu vernichten".
Als Bundeskanzler Adenauer 1957 Atomwaffen als eine "Weiterentwicklung der Artillerie" bezeichnet und sich damit für eine atomare Aufrüstung der Bundesrepublik ausspricht, ruft das die Wissenschaftler auf den Plan. Zusammen mit 17 Kollegen - darunter Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker - formuliert Hahn eine Erklärung, die als "Göttinger Appell" in die Geschichte eingeht. Darin weisen sie deutlich auf die Gefahren von Atomwaffen hin und lehnen es ab, sich an ihrer Herstellung und Erprobung zu beteiligen.
Otto Hahn stirbt am 28. Juli 1968 in Göttingen.