Die spektakulärsten Taten des "Lords von Barmbeck"

Stand: 17.03.2022 13:00 Uhr

Um 1920 ist Julius Adolf Petersen Hamburgs berüchtigster Einbrecher-König, bekannt als "Lord von Barmbeck". Am 29. Juni 192 wird er verhaftet. In vier Teilen erzählt der NDR seine Geschichte. Teil 2: Die spektakulärsten Taten.

von Marc-Oliver Rehrmann, NDR.de

Die Frauen spielen eine besondere Rolle im Leben des "Lords von Barmbeck", dessen Leben 1973 auch verfilmt worden ist. Sie verschaffen ihm immer wieder dringend benötigte Alibis für die Nächte, in denen er seine Einbrüche begeht. Als Gegenleistung bedenkt er sie mit Schmuck oder Geld aus der Beute.

Verliebt in die "Blondine" der Heilsarmee

Szene aus dem Spielfilm "Der Lord von Barmbeck": Judy Winter als Ehefrau Helmi © picture alliance/United Archives Foto: IFTN
Helmi Petersen, die Ehefrau des "Lord von Barmbeck", soll ausgesprochen attraktiv gewesen sein. In dem Film von 1973 wird sie von Judy Winter gespielt.

Aber eine Frau hat es ihm besonders angetan: In seiner Zeit als Kneipenwirt verliebt er sich in eine "Blondine von der Heilsarmee" mit dem Namen Helmi - so schildert er es zumindest in seinem Memoiren. Sie soll eine bildschöne Frau gewesen sein. 1911 heiraten die beiden, aber die Ehe verläuft alles andere als glücklich. Denn Helmi verkehrt am liebsten in vornehmen Kreisen, mit dem Gangster-Freunden ihres Mannes kann sie nichts anfangen. Petersen wiederum klagt, die hohen Ansprüche seiner Frau hätten ihn zu immer neuen Straftaten bewogen.

"Ohnmächtig an dieses Weib gekettet"

1915 wird ihr einziger Sohn Adolf geboren, genannt "Hatzel". Der "Lord" leidet unter seiner gefühlskalten Frau, die seine leidenschaftliche Liebe offenbar nicht erwidert. Und doch kommt er lange Zeit nicht von ihr los. "Wie war es möglich, an dieses Weib ohnmächtig gekettet zu sein? Losreißen dünkte mich wie ewige Nacht, sie um mich haben das Paradies", erinnert sich Petersen später. Gemeinsam durchstehen sie den Ersten Weltkrieg - auch wenn er zwischenzeitlich wieder im Gefängnis sitzt. Petersen darf nicht als Soldat in den Krieg ziehen, weil er als Berufsverbrecher gilt. Während des Krieges stiehlt Petersen auch Butter und Zigarren, um die Not zu lindern.

Ein liebestoller Nachtwächter beim Post-Raub

Das ehemalige Postamt in der Susannenstraße (Aufnahme von 2015) © NDR Foto: Marc-Oliver Rehrmann
Die Petersen-Bande hat 1920 auch das Postamt in der Susannenstraße ausgeraubt. Inzwischen gibt es die Filiale nicht mehr.

Nach dem Kriegsende hat Petersen seine größte Zeit als Einbrecher. Er gilt als Spezialist für Geldschränke, die er in Handarbeit aufbohrt. Oder er öffnet den Tresor auf die "Bettentour": Er schleicht sich nachts in das Schlafzimmer des Hausbesitzers, um aus dem Nachttisch den Tresor-Schlüssel zu entwenden. Sein spektakulärster Einbruch aber ist der Überfall auf das Postamt 6 in der Susannenstraße - im heutigen Schanzenviertel.

Am 29. September 1920 schleichen sich Petersen und seine sechs Komplizen an das Postamt heran. Sie haben leichtes Spiel: Der einzige Nachtwächter ist abgelenkt. "Wir amüsierten uns über die Liebschaft, die der Wächter mit einem Mädchen hatte", schilderte Petersen den Raub. Sie lassen ihn gewähren und brechen ein Kellerfenster auf. "Der Wächter in seinem Liebesrausch hörte nichts davon." Als das Mädchen das Gebäude verlassen hat, sperren sie den verdutzten Nachtwächter in einen Kleiderschrank. "Ich gab dem Wächter die Hand und sagte, ihm geschehe nichts", so Petersen. Dann räumen sie den Geldschrank leer. Die sagenhafte Beute: 221.000 Mark in Bargeld und 335.000 Mark in Briefmarken.

Überfall auf Geldtransport in Western-Manier

Ein weiterer Coup der Petersen-Bande ist der Überfall auf einen Geldtransport der Farmsener Trabrennbahn im selben Monat. Im Western-Manier stürmen sie die Kutsche auf offener Straße - und entkommen. Schnell fällt in den Hamburger Zeitungen der Name Petersen - so auch im "Hamburger Fremdenblatt". Der "Lord" fürchtet um seinen Ruf - und entschließt sich zu einer gewagten Aktion: Er taucht in der Redaktion auf und weist in gespielter Empörung die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Geldtransport-Überfall zurück. "Ich bin kaufmännischer Angestellter und habe mit der Sache nichts zu tun", teilt Petersen mit. "Und wenn es Sie interessiert: Ich bin überhaupt kein Einbrecher, sondern höchstens Ausbrecher! Meine letzte Straftat liegt zwölf Jahre zurück." Das "Hamburger Fremdenblatt" druckt prompt am nächsten Tag eine Gegendarstellung - die Redakteure sind dem "Lord von Barmbeck" auf den Leim gegangen. Sein Anteil an der Trabrennbahn-Beute: 40.000 Mark.

Pension für Geliebte mit Beutegeld gekauft

Das Haus in den Colonnaden 21, in dem einst der "Lord von Barmbeck" eine Pension kaufte. © NDR.de Foto: Marc-Oliver Rehrmann
In diesem Haus in den Colonnaden in Hamburg (Aufnahme von 2015) hat Julius Adolf Petersen 1921 von seinem Beutegeld eine Pension gekauft.

Der "Lord" ist nun ein reicher Mann. Zumal er auch weiter in illegalen Spielklubs mitmischt. Doch er selbst lebt eher bescheiden. Von einem Teil des ergaunerten Geldes kauft er im Januar 1921 seiner Geliebten Frida Goedje für 100.000 Mark eine Pension in den Colonnaden in Alsternähe. Die Ehe mit Helmi ist längst zerrüttet, im Frühjahr 1921 folgt die Scheidung. Frida Goedje kennt er schon von Kindesbeinen an, sie waren für einige Zeit Nachbarn. Später laufen sie sich immer wieder über den Weg, Petersen bändelt nach dem Ersten Weltkrieg mit ihr an. Er wohnt nun meistens bei ihr in der Pension - wenn ein Zimmer frei ist. Von seinen nächtlichen Beutezügen bringt er immer wieder Diebesgut in die Pension, um es dann zu verkaufen.

Im Kleiderschrank verhaftet

Eine historische Aufnahme von Frida Goedje, der Geliebten des "Lords von Barmbeck". © Privat
Frida Goedje hat lange Zeit an der Seite des "Lords von Barmbeck" gestanden - diese Aufnahme von ihr stammt aus der Zeit um 1940.

Frida Goedje hat sich nicht gerne an diese Zeit erinnert. "Ich musste für alles sorgen in der Pension. Da hielt er mich schon wie eine Gefangene", schreibt sie Ende 1921 in einem Brief. Den Pensionsgästen gibt Petersen sich als ihr Bruder Adolf aus. Eine Frau, die monatelang in der Pension wohnte, schildert später, wie Petersen seine Geliebte Frida geschlagen und misshandelt hat. "Meiner Ansicht nach stand sie vollständig unter seinem Einfluss", gibt die Zeugin bei der Polizei zu Protokoll.

So ist es auch kein Zufall, dass Petersen im Juni 1921 nach einem Einbruch in einem Wäschegeschäft in der Pension verhaftet wird. Frida Goedje öffnete der Polizei die Tür und leugnete seine Anwesenheit. Doch die Polizisten lassen sich nicht abwimmeln und erwischen Petersen, "wie er gerade einem Kleiderschrank entstieg". Auch Goedje wird verhaftet.

Das Märchen mit dem Verlobten aus den USA

In den Verhören gibt Frida Goedje zunächst an, dass ihr Verlobter aus den USA das Geld für den Kauf der Pension spendiert hat. Sein Name sei John Black gewesen, aber aus welcher Stadt er komme, könne sie nicht mehr sagen. Er sei immer zwischen Hamburg und den USA hin- und hergefahren. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges habe er ihr dann für Notzeiten 80.000 Mark zur Verfügung gestellt. Später wird Goedje von diesem "Märchen" abrücken und einräumen, dass Petersen die Pension erworben hat. Einen Verlobten in den USA hat sie nie gehabt.

Im dritten Teil der Serie über das Leben des "Lords von Barmbeck" erfahren Sie, mit welchen Methoden der Untersuchungsrichter den inhaftierten Julius Adolf Petersen zu einem Geständnis bringen will, warum sich seine Geliebte Frida Goedje von ihm lossagt und zu welcher Strafe er verurteilt wird.

Weitere Informationen
Eine historische Aufnahme aus dem Jahr 1911 zeigt Adolf Petersen, auch Lord von Barmbeck genannt. © Polizeimuseum Hamburg

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Eine historische Aufnahme aus dem Jahr 1911 zeigt Adolf Petersen, auch "Lord von Barmbeck" genannt. Seine ehemalige Lebenspartnerin hat sich aus dem Bild herausgeschnitten. © Polizeimuseum Hamburg

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 10.08.2019 | 19:30 Uhr

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