Beate Uhse: Erotik-Pionierin hinterlässt vielfältiges Erbe
Beate Uhse, die Pionierin der Erotik-Branche, hat einst den ersten Sexshop der Welt gegründet - und ein vielfältiges Erbe hinterlassen. Im Stammhaus in Flensburg gehen allerdings die Lichter aus.
Manchmal gibt es diese Zufälle: Während Beate Uhse am 25. Oktober 2019 ihren 100. Geburtstag gefeiert hätte, ist die Stimmung rund um das Unternehmen, das sie einst in Flensburg gründete, wenig feierlich. In der Stadt an der Förde löst es sich in Luft auf. Eine Mitarbeiterin, die 38 Jahre im Unternehmen arbeitete, ist gerade von den Inventuren in Deutschland und Benelux zurückgekehrt, von Shops, die jetzt auch geschlossen werden. Im Büro packt sie ihre Kartons. Sie ist hier die Letzte. Nach mehreren Insolvenzen ist von dem Unternehmen, das nach dem Zweiten Weltkrieg den ersten Sexshop der Welt hervorbrachte, nur wenig geblieben.
Aktie der Beate Uhse AG ist nur noch 0,2 Cent wert
Auf einem Tisch stehen Souvenirs der Firmengeschichte: Ein großes Bild von Beate Rotermund - Uhses Name nach der zweiten Eheschließung - und metallene Dildos aus dem aufgelösten Beate Uhse Erotik-Museum Berlin, die noch versteigert werden sollen. Zwei weitere Mitarbeiter sitzen noch in Hamburg.
Die 1999 völlig überzeichnete Aktie der Beate Uhse AG, deren Verfall infolge umstrittener Kreditvergaben auch die Flensburger Sparkasse in den Abgrund zog, ist 20 Jahre später nur noch 0,2 Cent wert. Die Markenrechte liegen in den Niederlanden. Auf der Internetseite wird die Beate Uhse BV als "Unternehmen der EDC-Retail Group" geführt.
Beate Uhse Firmengebäude gehört einem Möbelhaus
Das denkmalgeschützte Firmengebäude in der Flensburger Gutenbergstraße dient seit 2013 dem Teppich- und Möbelhaus Knutzen als Verwaltungssitz. Vor 50 Jahren galt der architektonisch anspruchsvolle Bau als hochmodern, mit Klimaanlage und Musikbeschallung in allen Räumen, erzählt Geschäftsführer Peter Knutzen.
Sein Büro befindet sich etwa dort, wo die Erotik-Unternehmerin ihren Schreibtisch hatte. Knutzen hat sie aber nie kennengelernt. Jetzt steht das Foyer voll mit 180 Strandkörben, die nach der Saison übrig geblieben sind.
Geblieben ist der Großhändler Orion
Ein Bezug ist zumindest geblieben: Im Erdgeschoss sitzen einige junge Männer an ihren PC-Arbeitsplätzen. Die TMC Content Group organisiert den Bezahlsender Beate-Uhse-TV sowie "Unterhaltung für Erwachsene" im Internet. Diese Firma mit Hauptsitz in der Schweiz ist aber inzwischen unabhängig.
Das eigentliche unternehmerische Erbe der Frau, die mit ihrem Kondom- und Erotikbuchversand der sexuellen Revolution in Deutschland den Weg bereitete, findet sich an Flensburgs Westrand. Dort sitzt der Erotikversand und Großhandel Orion mit seinen 300 Mitarbeitern.
Teilung sorgt für quasi-interne Konkurrenz
Orion entstand 1981, als die Geschäftszweige zwischen den Söhnen aufgeteilt wurden. Dirk Rotermund und der kurz darauf verstorbene Klaus Uhse bekamen den Versand, Ulrich Rotermund die Shops und Kinos. Doch schon bald machten sich beide Zweige Konkurrenz. Bei den Shops kooperierte Dirk Rotermund von 1986 an mit einem hessischen Unternehmen - der Startschuss für den Namen Orion. Das Unternehmen Beate Uhse baute mit exklusiven Namensrechten eine eigene Versandabteilung auf.
In der Zeit nach der Wende liefen die Geschäfte zunächst gut. Kostenlose Inhalte im Internet sorgten dann für neuen Wandel. Orion hat die Höhen und Tiefen der Branche im Gegensatz zum Stammhaus gut gemeistert. Sextoys und Dessous machen inzwischen den meisten Umsatz. Die Bedürfnisse von Frauen stehen zunehmend wieder im Mittelpunkt. Schwerpunkt ist der weltweite Großhandel.
3D-Drucker erleichterten die Entwicklung
Das Flensburger Team erfindet ständig eigene Produkte. Bei den Kollegen stehen Dildos auf dem Tisch. 3D-Drucker haben die Entwicklung erheblich vereinfacht. Hier arbeitet auch eine Modedesignerin mit ihrem Team. Nebenan im großen Lager starten die vollautomatischen Maschinen schon morgens um vier.
Geliefert wird, was einvernehmlich eingesetzt wird
In China werden am 11. November viele Single-Partys gefeiert. Hierfür stapeln sich gerade die Kartons in Flensburg. Viele Waren werden zwar auch in China produziert. Dennoch bestellen die Chinesen lieber in Deutschland, weil sie ihren eigenen Qualitätskontrollen nicht trauten, erzählt Dirk Rotermund.
In der Packstraße füllt eine Mitarbeiterin gerade einen Karton mit einer ledernen Gesichtsmaske, die an einen Maulkorb für Hunde erinnert. Ein Randsegment, meint Orion-Sprecherin Susanne Gahr. Geliefert wird alles, was im gegenseitigen Einverständnis eingesetzt werden kann, sagt sie. Sodomie und Pornografie mit Minderjährigen seien gesetzlich verboten. Das werde natürlich von der Rechtsabteilung kontrolliert.
Beate Uhse hat die Gesellschaft verändert
Entscheidender als Beate Uhses unternehmerisches Wirken dürfte aber ohnehin ihr gesellschaftliches Erbe sein. "Sie hat als erste Frau ein Unternehmen geführt, das sich mit einem Thema beschäftigt hat, das so offen in der Gesellschaft niemand angesprochen hat. Es ging indirekt auch darum, Frauen selbstbestimmter zu machen," meint Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD).
Das bestätigt Biografin Katrin Rönicke. Mit der Legalisierung der Pornografie 1975 habe sich das Unternehmen dann aber auf Männer fokussiert. Beate Uhse sei auf diesen Zug mit Kinos und Filmen voll aufgesprungen.
Orion-Chefin: "Schuhe sind zu groß für mich"
Beate Uhse starb 2001 in der Schweiz. Orion wird inzwischen von Dirk Rotermunds Tochter Maike geleitet. Die Stiefenkelin der Firmengründerin sieht sich aber weniger als deren Nachfolgerin. "Diese Schuhe sind zu groß für mich," sagt sie. Sie sucht auch nicht das Rampenlicht.
Durch die Risse in der Familiengeschichte hatte die Stiefenkelin nur selten Kontakt zu der alten Dame. Positiv sei gewesen, "dass Mitarbeiter sich wertschätzen und Spaß daran haben, den Kunden das Thema nahezubringen". Das will sie bei Orion gerne fortführen.