Historische Porträtzeichnung des Barons Hieronymus von Münchhausen. im Hintergrund Szenen aus seinen Erzählungen. © picture alliance  / akg-images

Wie der Baron von Münchhausen zum "Lügenbaron" wurde

Stand: 23.02.2024 09:30 Uhr

Er band sein Pferd an eine Kirchturmspitze, ritt auf einer Kanonenkugel, zog sich am Schopf aus dem Sumpf und reiste sogar zum Mond. Die Anekdoten mögen nicht stimmen, aber den "Lügenbaron" gab es wirklich.

von Irene Altenmüller

Die Abenteuer des berühmten Barons von Münchhausen sind noch heute weltbekannt. Weniger bekannt ist, dass es sich bei dem legendären "Lügenbaron" nicht etwa um eine literarische Erfindung, sondern um eine historische Persönlichkeit handelt. Am 11. Mai 1720 wurde Hieronymus Carl Freiherr von Münchhausen im kleinen Städtchen Bodenwerder im Weserbergland geboren. Doch wie wurde aus dem kleinen Landadeligen der weltbekannte "Lügenbaron"?

Münchhausen in Diensten Anton Ulrichs

Nur wenige Details aus Münchhausens Leben sind historisch belegt. Gemeinsam mit seiner Mutter und sieben Geschwistern wächst Hieronymus auf dem Gut seiner Eltern auf. Sein Vater stirbt, als er vier Jahre alt ist. Mit 13 Jahren verlässt der Junge Bodenwerder, dient zunächst als Page auf Schloss Bevern und später am Braunschweiger Hof in Wolfenbüttel. Im Dezember 1737 folgt Hieronymus seinem Dienstherrn, dem Prinzen Anton Ulrich, nach St. Petersburg, denn der Prinz hat eine Nichte der russischen Zarin geheiratet. Diese Reise durch das winterliche Russland taucht als Motiv in einigen von Münchhausens bekanntesten Geschichten auf, etwa in der vom Pferd an der Kirchturmspitze.

Ritt auf der Kanonenkugel: Münchhausen und der Krieg

Historische Illustration des Barons von Münchhausen beim Ritt auf einer Kanonenkugel von Gustave Doré. © picture alliance  / akg-images
Der legendäre Ritt auf der Kanonenkugel spielt im russisch-türkischen Krieg - hier eine historische Illustration von Gustave Doré.

Als Teil des russischen Braunschweig-Regiments kämpft Münchhausen wahrscheinlich wenig später an der Seite Anton Ulrichs im russisch-türkischen Krieg. Dieser Krieg und speziell die Belagerung der Festung Otschakow am Schwarzen Meer bilden den historischen Hintergrund für Münchhausens legendären Ritt auf der Kanonenkugel: Um eine türkische Festung auszuspionieren, fliegt der Baron kurzerhand auf einer Kanonenkugel in Richtung Feind, überlegt es sich aber noch im Flug anders. So wechselt er mitten in der Luft auf eine türkische Kugel, die ihn wieder zurück in die eigenen Reihen bringt.

Münchhausens Zeit in Russland und Riga

1741 wird Anton Ulrich, dessen kleiner Sohn bereits zum neuen Zaren ernannt ist, gemeinsam mit seiner Frau Anna Leopoldowna von der neuen Kaiserin entmachtet und gefangen genommen - für Münchhausen ist das ein schwerer Schlag, denn seine aussichtsreiche Karriere ist damit beendet. In Riga sitzt Anton Ulrich mit seiner Familie in Haft. Auch Münchhausen hält sich bis zum Jahr 1750 hauptsächlich im Baltikum auf.

Der Baron wird zum beliebten Erzähler

Historische Illustration des Barons von Münchhausen beim Erzählen seiner Anekdoten © picture alliance  / akg-images
Bei rotem Punsch und Tabakpfeife soll Münchhausen seine Gäste mit Anekdoten unterhalten haben.

Vermutlich bereits während dieser Zeit gibt Münchhausen im Freundeskreis unterhaltsame Anekdoten zum Besten, erzählt von Abenteuern aus dem Krieg oder bei der Jagd. Im Baltikum lernt Münchhausen auch seine spätere Ehefrau Jacobine kennen, die er 1744 heiratet.

Gemeinsam kehren sie 1750 nach Bodenwerder zurück. Von nun an lebt Münchhausen das typische Leben eines Landadeligen, vertreibt sich die Zeit mit der Jagd und lädt Gäste ein. In geselliger Runde, bei Punsch und Tabakpfeife, unterhält er Bekannte und Jagdgefährten mit seinen Geschichten. Für die geselligen Abende lässt er 1763 eigens einen Pavillon bauen. Diese "Münchhausen-Grotte" in Bodenwerder ist bis heute erhalten.

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Der Eingang des Münchhausen-Museums in Bodenwerder mit einer Skulptur des Lügenbarons. © picture alliance  / akg-images

"Des Freyherrn von Münchhausen Wunderbare Reisen"

Die Texte der deutschen Original-Ausgabe aus dem Jahr 1786 in der Fassung von Gottfried August Bürger. extern

Münchhausens Geschichten werden veröffentlicht

Dass seine Anekdoten je niedergeschrieben und veröffentlicht werden, hat Münchhausen wohl nie gewollt. Und doch lässt sich ein bis heute unbekannter Zuhörer von den Geschichten inspirieren und veröffentlicht sie 1781 im "Vademecum für lustige Leute". Darin heißt es einleitend: "Es lebt ein sehr witziger Kopf, Herr von M-h-s-n im H-schen, der eine eigene Art sinnreicher Geschichten aufgebracht hat. Es sind Erzählungen voll der unglaublichsten Übertreibungen, dabei aber so komisch und launig, daß man, ohne sich um die Möglichkeit zu bekümmern, von ganzem Herzen lachen muß."

Gottfried August Bürger bringt Erzählungen heraus

Porträt des Dichters Gottfried August Bürger, historische Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert. © picture alliance Foto: H.-D. Falkenstein
Gottfried August Bürger brachte die Münchhausen-Erzählungen auf Deutsch heraus, die bis heute unser Bild des "Lügenbarons" prägen.

Auf diese erste Sammlung von Erzählungen folgt 1785 eine Reihe von Abenteuer- und Lügengeschichten - diesmal ohne Münchhausens Namen zu verschleiern. Der Schriftsteller und Gelehrte Rudolf Erich Raspe veröffentlicht sie in England - dorthin musste er fliehen, weil er wertvolle Münzen aus einer ihm anvertrauten Sammlung gestohlen hatte.

Die Geschichten kommen gut an, und schon bald ergänzt Raspe sie um See-Abenteuer, die mit dem Leben des echten Münchhausen nichts mehr zu tun haben.

Unter dem Titel "Wunderbare Reisen des Freiherrn von Münchhausen" erscheinen sie 1786 auch auf Deutsch, übersetzt und durch weitere Erzählungen ergänzt vom Göttinger Dichter Gottfried August Bürger.

Münchhausen fühlt sich verspottet

Münchhausen ist nun berühmt als glänzender Fabulierer. Für den Landadeligen kein Grund zur Freude, im Gegenteil. Der Baron ist zutiefst gekränkt, sieht sich von aller Welt verspottet und verlacht. Er überlegt, Autoren und Verleger zu verklagen, fühlt sich durch deren "Bosheit vor aller Welt prostituiert". Immer misstrauischer und wortkarger sei er danach geworden, so sein Nachfahr Albert Friedrich in einer Familien-Historie.

Wachsende Verbitterung am Lebensabend

Doch nicht nur der Ärger über seinen ruinierten Ruf verleidet Münchhausen seine letzten Lebensjahre. 1790 stirbt seine Frau Jacobine. Münchhausen bleibt einsam zurück, die Ehe war kinderlos geblieben. Um der Einsamkeit zu entfliehen, heiratet der 74-jährige Baron erneut, seine Braut ist die 20-jährige Bernhardine von Brünn. Schon nach wenigen Monaten ist die Ehe mit der viel jüngeren Frau zerrüttet, Münchhausen reicht die Scheidung ein.

Aus Münchhausen wird der "Lügenbaron"

In dem jahrelangen Scheidungsprozess verliert Münchhausen große Teile seines Vermögens. Vor Gericht wirft man ihm "übertriebene Phantasie" und "rege Einbildungskraft" vor. Die Vorwürfe dieses "Lügenbarons" seien so frei erfunden wie seine berühmten Erzählungen. Einsam, verbittert und mit dem Schmähtitel "Lügenbaron" gebrandmarkt stirbt Münchhausen am 22. Februar 1797 noch vor Abschluss des Prozesses. Er wird in der Klosterkirche St. Marien Kemnade in Bodenwerder beigesetzt.

Wo Bodenwerder noch heute an Münchhausen erinnert

Münchhausens Anwesen in Bodenwerder ist bis heute erhalten. In seinem Geburtshaus befindet sich heute das Rathaus der Stadt, in der sogenannten Schulenburg, dem ältesten Gebäude des Gutshofs, ist heute ein Münchhausen-Museum untergebracht. Der "Lügenbaron" ist die vielleicht wichtigste Werbefigur der Stadt und der Region. Zu seinem 300. Geburtstag erscheinen eine Sonderbriefmarke und eine Gedenkmünze. Ein Festakt und weitere zahlreiche Veranstaltungen zum Jubiläum werden wegen der Corona-Krise verschoben.

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Eine Figur des Lügenbarons Münchhausen auf einer Kanonenkugel vor dem Eingang zum Münchhausen-Museum in Bodenwerder. ©  imago/Schöning

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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 10.05.2020 | 19:30 Uhr

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