"Hitler war häufiger in Hamburg als bekannt"
"Hitler saß nie selbst am Steuer"
"Hitler hatte die Marotte, in einer Stadt immer in demselben Hotel abzusteigen, sobald er sich auf eines festgelegt hatte", erzählt Sandner. So hält es Hitler auch in Hamburg. Seine bevorzugte Herberge ist seit 1930 das Hotel Atlantic an der Alster. "Hitler fuhr am 1. Dezember 1930 mit dem Zug von Bremen nach Hamburg, redet vor dem Nationalclub von 1919 im Hotel Atlantic und übernachtete dann auch das erste Mal dort", schildert Sandner. Er hat jede einzelne Reise Hitlers erfasst. "Hitler reiste anfangs vor allem mit dem Auto und legte dabei Hunderttausende Kilometer zurück", weiß der Hobbyforscher. "Aber er saß wohl nie selbst am Steuer, er hatte immer einen Fahrer. Und wenn kein Chauffeur zur Hand war, nahm Hitler den Zug."
Nach 1933 sei Hitler dann häufiger mit der Bahn gereist, da er dann seinen eigenen Zug zur Verfügung hatte. Generell sei Hitler viel unterwegs gewesen. "Er war ja kein Schreibtischtäter", meint Sandner. Das Machtzentrum der Nationalsozialisten sei stets dort gewesen, wo Hitler war.
Letzter Besuch vor Kriegsbeginn
Zum letzten Mal hält sich Hitler Anfang Juli 1939 im Atlantic auf - zwei Monate vor Ausbruch des Krieges. Anlass sei das Begräbnis des Generals Wilhelm Knochenhauer gewesen, so Sandner. Es sollte zugleich der letzte Aufenthalt Hitlers in der Hansestadt sein. "Im Laufe des Zweiten Weltkrieges hat Hitler Hamburg nicht mehr besucht", sagt der Forscher. "Es hat sich wohl einfach nicht mehr ergeben." Die meiste Zeit habe Hitler während der Kriegsjahre in den Führerhauptquartieren verbracht, zum Beispiel in der Wolfsschanze.
Hunderte unveröffentlichte Fotos aufgespürt
Sandner hat versucht, alle zugänglichen Quellen auszuwerten. Unzählige Briefe hat er an Archive geschrieben und Hunderte bislang unveröffentlichte Fotos zusammengetragen. Sogar Gästebuch-Einträge wertete er aus. Von Hitler selbst sind kaum schriftliche Aufzeichnungen erhalten, höchstens mal ein Brief oder eine Postkarte. "Als der 'Stern' 1983 die angeblichen Hitler-Tagebücher veröffentlichte, war mir gleich klar, dass das Unsinn ist, "meint Sandner. Zu dem Zeitpunkt hatte er sich schon einige Jahre mit den Reisen Hitlers auseinandergesetzt. Sandner opferte für seine Recherchen oftmals seinen Urlaub - und viel Freizeit. Allein vier- bis fünfmal reiste der gelernte Kaufmann für sein Buchprojekt nach Hamburg.
"Sehr verdienstvolle Arbeit"
"Das Buch könnte als Hilfsmittel für Historiker ganz nützlich sein", sagt Axel Schildt. Er ist seit 2002 Direktor der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg. Das Werk hatte er noch nicht in der Hand. Aber er rechnet - was die Hitler-Forschung anbelangt - "nur mit marginalen Korrekturen". Historiker hätten sich bereits intensiv mit Hitlers Aufenthalten und Reden in Hamburg befasst. Ob er nun 33 oder 35 Mal in der Stadt war, sei nicht so bedeutend. "Ich sehe keine Brisanz in der Veröffentlichung", meint Schildt. Die Arbeit von Harald Sandner sei aber sehr verdienstvoll. "Wenn sich ein Profi-Historiker 25 Jahre lang mit den Reisen Hitlers befasst hätte, hätte ich gesagt: der arme Kerl. Aber Herrn Sandner kann man nur danken, dass er sich des Themas angenommen hat."
- Teil 1: An 75 Tagen in Hamburg
- Teil 2: "Hitler saß nie selbst am Steuer"