Kriegsende Hamburg: Die Versenkung der "Cap Arcona"
War es ein Faustpfand für die Verhandlungen mit den Briten? War es, um Spuren zu verwischen? Oder Teil eines mörderischen Plans, alle Gefangenen zu töten? In den letzten Kriegstagen trieb die SS etwa 9.000 Häftlinge und KZ-Insassen auf Schiffe: den ehemaligen Luxusdampfer "Cap Arcona" sowie auf die Frachter "Athen" und "Thielbek".
Walter Feldner war zweiter Offizier an Bord der "Thielbek". "Zu uns kamen die in Güterwaggons, waren immer so 50 bis 60 in einem Waggon", berichtet er. "Dann wurden die Toten aus den Waggons ausgeladen, dann ging da einer von der SS mit der Pistole und hat dann noch jedem einen Kopfschuss gegeben, damit die auch wirklich tot waren."
"Cap Arcona": Unmenschliche Zustände
Schon als die Häftlinge an Bord der Schiffe gebracht werden, herrschen dort unmenschliche Zustände, erinnern sich zwei, die die Tragödie überlebt haben: "Angekommen in Lübeck fragten wir uns natürlich, was mit uns geschehen würde. Aus dem Zug ausgestiegen ließ man uns über ein Schiff, das am Kai festgemacht war, auf ein zweites Boot steigen. Später erkannten wir, dass das die 'Athen' war."
"Ich erinnere mich nur noch, dass ich ganz eindrückliche Bilder zurückbehalten habe von den Laderäumen. Ich glaube, es waren die Laderäume von der 'Athen'. Ganz unten in diesen Laderäumen. Ich erinnere mich, dass die ersten, die hinunter gestiegen waren, sich ausgebreitet haben. Dann plötzlich schien der Laderaum voll zu sein und auf den Leitern kam man ins Stocken. Es wurde geschrien. Alle schlugen um sich und schließlich... - ich glaube, dass man letztlich doppelt so viele Leute dort runter geschickt hat."
Die Schiffe als Ziel der britischen Luftwaffe
In der Lübecker Bucht ankern die Schiffe schließlich und werden zum Ziel der britischen Luftwaffe. Vertreter des schwedischen Roten Kreuzes versuchen zwar noch die Briten zu warnen, aber zu diesem Zeitpunkt sind die Bomber bereits in der Luft. Neun Piloten der Royal Air Force nehmen von niedersächsichen Nordhorn aus Kurs auf die Flotte der Häftlingsschiffe. Der Russe Leonid Meijksi an Bord der "Thielbek" schafft es, an Deck zu gehen. Es ist ein klarer Tag, erinnert er sich: "Und plötzlich hörten wir Lärm von Flugzeugen. Wir freuten uns, es kommt die Freiheit. Aber das war ganz anders. Das waren Raketen, Maschinengewehre, Kanonen und so weiter. Ich habe mich völlig ausgezogen und sprang ins Wasser", so Meijski.
Panik an Bord der Schiffe
An Bord der Schiffe: reine Panik, so erinnert sich der Häftling Erwin Geschonnek. "Mir gelang es dann, mich hindurchzuzwängen. (...) Und kurz hinter mir brach die große Treppe ein, die auf das Vorderschiff führte. Ein alter Genosse wurde mir gebracht, dem fehlten die Beine und plötzlich wurde der Horizont tief und ich sah, wie sich das Schiff langsam auf die Seite drehte."
Eine der größten Schiffstragödien der Welt
Bis heute ist nicht klar, ob die britischen Bomben allein die Schiffe versenkt haben, oder ob die Bewacher an Bord nachgeholfen haben. Nach neueren Erkenntnissen könnte die SS den britischen Angriff genutzt haben, um die "Cap Arcona" zu sprengen. Der Untergang des ehemaligen Hamburg-Süd-Schiffes gilt als eine der größten Schiffstragödien der Welt. Etwa 7.000 Menschen sterben, lediglich 600 überleben, sie können sich an Land retten. Einzig der Frachter "Athen" schafft es, den Hafen von Neustadt zu erreichen.
Leichen werden an den Strand gespült
Tage und Wochen später werden immer noch Leichen und Leichenteile an den Stränden angespült. Aus Angst vor Seuchen werden sie schnell beerdigt, erinnert sich Eberhard Mann, damals gerade elf Jahre alt: "Man hatte ja früher Mistschleppen, mit zwei Kufen. Diese Mistschleppe wurde genommen, da wurden paar Bretter quer gelegt, da fuhren wir zum Strand, und mit Kartoffelfurken haben sie dann die Wasserleiche auf diese Bretter transportiert und hatten dann in den Dünen hier ein Loch geschaufelt, da fuhr man ran. Ich hab dann die Bretter an der Seite angehoben und - schlupp - schlupfte die rein. Weiß kein Mensch, wer heute da liegt."
Gedenkfeiern fallen wegen Corona aus
Heute erinnern Gräber, Ehrenmale und Gedenksteine in den umliegenden Gemeinden an die Opfer, darunter in Grömitz, Timmendorfer Strand, Niendorf und Neustadt. Zum Jahrestag wird hier der Opfer gedacht.