KZ-Gedenkstätte Wöbbelin: "Man konnte das Lager riechen"
Das Mecklenburgische KZ Wöbbelin, gelegen zwischen Schwerin und Ludwigslust, war eines der letzten Konzentrationslager, die die Nationalsozialisten noch errichteten. Es wurde zum Auffanglager für Häftlinge anderer KZs, die die SS durch das Vorrücken der Alliierten im Frühjahr 1945 aufgeben musste. In zehn Wochen, zwischen Februar und Mai 1945, wurden dort rund 5.000 KZ-Häftlinge zusammengepfercht. Mehr als 1.000 von ihnen starben an Hunger, Entkräftung und Krankheiten.
"Was ich am häufigsten von Überlebenden höre ist, dass sie bei der Ankunft in Wöbbelin dachten, es sei alles zu Ende. Im gesamten Lager lagen verstreut Leichen", sagt Ramona Ramsenthaler, die seit 2007 Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Wöbbelin ist. Die rund 5.000 Häftlinge, die kurz vor Kriegsende in dem KZ interniert waren, stammten aus 24 Nationen, der jüngste war neun Jahre alt. Unter den Häftlingen waren viele, die Auschwitz und andere KZs überlebt hatten. Endstation war nun Wöbbelin.
Ramsenthaler berichtet von den katastrophalen Zuständen: eine Wasserpumpe für 5.000 Häftlinge, zu essen gab es - wenn überhaupt - nur Brot und dünne Suppe. "In dem Waschhaus haben Tote gelegen, und die Amerikaner berichten, dass sie dort 155 Tote fanden und dass die Menschen von diesen Toten gegessen haben, um zu überleben", schildert Ramsenthaler.
Amerikanische Soldaten konnten das Lager riechen
Ein Viertel der Insassen waren jüdische Häftlinge. Zu ihnen gehörte der aus Budapest stammende Filmproduzent Gyula Trebitsch: "Dass man am Leben bleiben konnte, war nur möglich, wenn man die eigene Hoffnung auf Befreiung nicht aufgegeben hat. Die Hoffnung, dass dies bald Ende ist, das war bei sehr vielen auch bei mir immer wieder da."
Am 2. Mai 1945 wird das Lager durch amerikanische Soldaten eher zufällig entdeckt: "Alle sagen das Gleiche: Man konnte das Lager riechen, ehe man es sehen konnte", so Ramsenthaler. Erschütterte US-Soldaten gaben den Verhungernden aus ihren Beständen unter anderem Kondensmilch und Schokolade.
NSDAP-Mitglieder mussten Gräber ausheben
In den Wochen nach der Befreiung sterben noch 180 der KZ-Häftlinge. Das US-Militär ordnete sofort an, dass die über 500 Toten, die nicht verscharrt worden waren, in öffentlichen Beerdigungen beigesetzt werden sollten: in Einzelgräbern in den umliegenden Orten Ludwigslust, Schwerin und Hagenow. NSDAP-Mitglieder mussten die Gräber ausheben, die Bevölkerung hatte an den Bestattungen teilzunehmen. Die "Umerziehung" beginnt Anfang Mai an den Gräbern. Auch in Wöbbelin: Die Amerikaner wählten die Theodor Körner Grabstätte aus, weil sie eine Propagandastätte der Nationalsozialisten war und dort Vereidigungen von SS-Soldaten stattfanden.
Ältere bevorzugen Theodor-Körner-Ausstellung
Theodor Körner war ein junger Schriftsteller, der 1813 in Gadebusch als Mitglied eines Freikorps bei einem Überfall auf französische Soldaten starb. Er wurde später zu einer patriotischen Identifikationsfigur. Heute muss Ramona Ramsenthaler mit diesem Spannungsfeld deutscher Geschichte umgehen. Sie ist Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte sowie des Theodor-Körner-Museums. Bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen geht es aber vor allem um die Verbrechen der Nationalsozialisten: "Die Kinder machen mir Mut, weil sie an Geschichte interessiert sind. Wir erleben leider in der älteren Generation, dass viele Menschen kommen, und dann die Theodor-Körner-Ausstellung sehen wollen, und sie sagen: 'Dass mit dem KZ möchte ich mir nicht angucken, das ist ja schon so lange her.'" Genau 75 Jahre ist es her, der Tod von Theodor Körner dagegen mehr als 200 Jahre.