Das deutsch-britische Herrscherhaus der Welfen
Das alte Adelsgeschlecht der Welfen verbinden heute viele mit dem 1954 geborenen Oberhaupt des Hauses Hannover, Ernst August. Doch im 18. und 19. Jahrhundert standen das Haus Hannover an der Spitze eines Weltreichs.
Als Ehemann von Caroline von Monaco ist der dreifache Vater aus der Boulevard-Presse bekannt. Neben Auftritten bei Society-Events hat Ernst August, Prinz von Hannover, mehrfach mit handfesten Skandalen für Schlagzeilen gesorgt: Mal prügelte er mit einem Regenschirm auf einen Kameramann ein, mal stand er wegen einer Attacke gegen einen Disco-Besitzer in Kenia vor Gericht oder urinierte während der Weltausstellung in Hannover gegen den türkischen Pavillon.
1714: Die Welfen folgen auf die Stuarts
Als Ernst August, Prinz von Hannover 1999 Caroline von Monaco heiratet, zeigt eine kleine Anekdote den Glanz und die weltpolitische Bedeutung, die das Haus Hannover einst hatte: Für seine Heirat mit der Monegassin bittet der Welfe die britische Königin Elizabeth II. um ihre Genehmigung. Nach einem Gesetz aus dem Jahr 1772, dem "Royal Marriages Act", waren alle Nachkommen König Georgs III. bis ins Jahr 1967 offiziell dazu verpflichtet, den amtierenden britischen Monarchen bei einer Eheschließung um seinen Segen zu bitten.
Die enge Verbindung des Hauses Hannover mit dem britischen Königshaus geht auf das Jahr 1714 zurück: Der Kurfürst von Hannover besteigt als Georg I. den englischen Thron. Ein Welfe steht erstmals an der Spitze eines weltumspannenden Kolonialreiches - und für rund 120 Jahre soll sich an dieser Personalunion nichts ändern.
Möglich wird die Übernahme der Krone des Inselreiches durch den "Act of Settlement", ein Thronfolgegesetz aus dem Jahr 1701. Dort ist geregelt, dass nur protestantische Nachkommen des Hauses Stuart Anspruch auf den englischen Thron haben. Im Alter von elf Jahren verstarb jedoch Wilhelm, der Herzog von Gloucester und einzige Sohn von Königin Anne. Die Dynastie der Stuarts stirbt aus. Als Sohn von Sophie von der Pfalz, der Enkelin des englischen Königs Jakobs I., tritt Georg Ludwig von Hannover das englische Thronerbe an. Bis heute verlieren alle Mitglieder des englischen Königshauses sämtliche Ansprüche, den Thron zu erben, wenn sie einen katholischen Partner heiraten.
Wiener Kongress - Das Königreich Hannover entsteht
Unter der Leitung des österreichischen Außenministers Fürst von Metternich stellen Europas gekrönte Häupter auf dem Wiener Kongress (1814-1815) die alte Staatenordnung wieder her, die Napoleon durch seine Feldzüge und Eroberungen aus den Angeln gehoben hatte. Das ehemalige Kurfürstentum Hannover wird mit geringfügig erweitertem Territorium zum Königreich erhoben, nachdem es während der französischen Besatzung als selbstständiger Staat von der Landkarte verschwunden war.
Zwar haben viele liberale Bürger als Freiwillige in den Armeen der europäischen Könige und Fürsten gegen Napoleon gekämpft, doch ihren Wünschen nach Verfassungen und Rechtsstaatlichkeit wird vielerorts durch die alten Mächte nicht entsprochen. Auftrieb gibt den liberalen Kräften in ganz Europa allerdings die Pariser Julirevolution von 1830, die mit der Einführung eines verfassungsgebundenen Bürgerkönigtums in Frankreich endet. Unter dem Druck der Pariser Ereignisse stimmt der König von Hannover, Wilhelm IV., 1833 einer Verfassung zu, die aus dem Welfenreich eine konstitutionelle Monarchie macht.
Welfisches Erbrecht beendet Personalunion
Als König Wilhelm IV. Heinrich von England ohne männliche Nachkommen im Jahr 1837 stirbt, besteigt nach welfischem Erbrecht, das eine weibliche Thronfolge nicht zulässt, sein jüngerer Bruder als Ernst August I. den Thron des Königreichs Hannover. Im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Irland wird die legendäre Königin Viktoria Monarchin. Sie ist die Tochter von Wilhelms 1820 verstorbenem Bruder Eduard August, dem Herzog von Kent und Strathearn. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1901 dauert die Regentschaft der Welfin. Mit der Krönung Viktorias endet die Personalunion zwischen dem Haus Hannover und dem britischen Königshaus.
Staatsstreich - Protest der Göttinger Sieben
Als eine seiner ersten Amtshandlungen setzt Ernst August I. das liberale Staatsgrundgesetz von 1833 außer Kraft. Zu den Verfassungsvätern gehörte der Historiker und Staatsrechtler Christoph Friedrich Dahlmann, der als Vertreter und Professor der Universität Göttingen in der Ständeversammlung des Königreiches sitzt. Zusammen mit sechs weiteren Professoren der Universität, zu denen auch die Brüder Grimm gehören, protestiert er in einem Brief gegen den königlichen Staatsstreich.
In Windeseile werden Kopien des Briefes an Universitäten in ganz Deutschland verteilt, was eine Welle der Solidarität mit den Protestierenden auslöst. Um seine Autorität zu wahren, entlässt der König "Die Göttinger Sieben" aus dem Universitätsdienst und verweist sie des Landes. Heute gelten die streitbaren Professoren als Wegbereiter der liberalen Revolution von 1848 und des ersten frei gewählten gesamtdeutschen Parlaments in der Frankfurter Paulskirche.
Deutscher Krieg - Preußen annektiert Hannover
1866 ist das Schicksalsjahr für das Königreich Hannover: Zwischen den beiden Großmächten Preußen und Österreich entbrennt ein Krieg um die Vormachtstellung in Deutschland. Offiziell entzündet sich der Streit an der gemeinsamen Verwaltung der Herzogtümer Schleswig und Holstein. Als Verbündete hatten die beiden Großmächte das Land zwischen Nord- und Ostsee im siegreichen Krieg gegen Dänemark 1864 annektiert und sich in der Gasteiner Konvention 1865 auf eine gemeinsame Verwaltung verständigt. Doch statt sich mit Preußen über die herzögliche Erbfolge in Holstein zu einigen, schlägt Österreich vor, diese Frage von der Versammlung des Deutschen Bundes in Frankfurt entscheiden zu lassen.
Das militärisch starke und durch den Deutschen Zollverein - dem Österreich nicht angehört - wirtschaftlich prosperierende Preußen sieht seine Chance gekommen, die Führung in Deutschland zu übernehmen, und lässt Truppen in Holstein einmarschieren. Als der Deutsche Bund, in dem Österreich seit dem Wiener Kongress 1815 den Vorsitz übernommen hatte, sein Bundesheer mobilisiert, erklärt Preußen die Bundesverfassung für außer Kraft gesetzt und besiegelt das Ende des Staatenbundes.
Untergang des Königshauses Hannover
13 Staaten - darunter auch das Königreich Hannover - kämpfen an der Seite Österreichs gegen Preußen und seine 18 vorwiegend norddeutschen Verbündeten. Als preußische Verbände Mitte Juni von Hamburg und Minden auf Hannover vorrücken, versucht die hannoversche Armee nach Süden auszuweichen und sich mit den Truppen ihrer Verbündeten zu vereinigen. Bei Langensalza in Thüringen kommt es jedoch am 27. Juni zur Schlacht mit den Preußen, aus der die Hannoveraner zunächst als Sieger hervorgehen. Doch das Gefecht mit den preußischen Verbänden hat die schlecht ausgerüstete hannoversche Armee - die ohne Nachschub weiterhin einer modern ausgerüsteten militärischen Übermacht gegenübersteht - völlig aufgerieben.
Am 29. Juni 1866 kapituliert die hannoversche Armee mit Zustimmung König Georgs V., des letzten Königs von Hannover. Das Königreich Hannover wird preußische Provinz und verschwindet als selbstständiger Staat von der deutschen Landkarte. Georg V. geht ins Exil - zunächst nach Wien, später nach Paris. Am 3. Juli 1866 erringen die Preußen dann in der Schlacht bei Königgrätz in Böhmen den entscheidenden Sieg über Österreich. Unter der Führung Preußens kommt es in der Folge 1871 zur Gründung des Deutschen Reiches - dem Österreich nicht mehr angehört.
Streit um beschlagnahmten Welfen-Besitz
Bis zu seinem Tod am 12. Juni 1878 fordert Georg V. die Rückgabe seiner Ländereien. In der eigens gegründeten Exil-Zeitschrift "Situation" kritisiert er regelmäßig die neue Ordnung in Deutschland und schürt in Frankreich Ressentiments gegenüber der preußischen Politik. 1867 baut er sogar eine Exil-Armee auf, die sogenannte Welfenlegion, mit deren Hilfe er im Fall eines deutsch-französischen Krieges sein Königreich zurückerobern will. Als Reaktion streicht der preußische Außenminister Fürst Otto von von Bismarck dem Welfen zugesicherte Entschädigungszahlungen und beschlagnahmt große Teile des Geldvermögens des Hauses Hannover.
Bismarck nutzt die rund 50 Millionen Reichsmark des "Welfenfonds" vorwiegend zur Zahlung von Bestechungsgeldern: Mit großzügigen Zahlungen an König Ludwig II. von Bayern erkauft er die Zustimmung des Wittelsbachers zur Reichsgründung. Gelder fließen auch an Zeitungen, um kritische Berichterstattung zu verhindern. Weil auch die Nachkommen Georgs V. ihre Ansprüche gegenüber dem preußischen Staat aufrechterhalten, setzt sich der Streit bis ins Jahr 1933 fort: Nach einem langwierigen Prozess spricht das Reichsgericht dem Haus Hannover rund zehn Millionen Reichsmark Entschädigung sowie den welfischen Stammsitz Schloss Marienburg südlich von Hannover und das Gut Calenberg zu.
Doch innerhalb des Hauses Hannover wird die Marienburg neun Jahrzehnte später erneut zum Zankapfel. In einem Rechtsstreit kämpfen Ernst August Prinz von Hannover und sein Sohn Ernst August Erbprinz von Hannover um den Besitz des Kulturdenkmals.