Stand: 16.07.2014 10:44 Uhr

Die Welfen erobern Großbritanniens Thron

Die Staatskrone von George I. aus dem Jahr 1715. © picture-alliance / dpa
Königlicher Kopfschmuck: Diese Krone trug George I. aus dem Haus der Welfen.

Ein Deutscher auf dem britischen Thron? Heute undenkbar. Doch vor gut 300 Jahren war das möglich. Georg Ludwig, damals Kurfürst von Hannover, wurde am 20. Oktober 1714 zum König von Großbritannien gekrönt. Standesgemäß fand die Zeremonie für George I., wie er sich nun nannte, in der Londoner Kirche Westminster Abbey statt.

Blut und Religion bestimmen die Erbfolge

Dass die Herrscher aus der niedersächsischen Provinz zu Herren über ein Weltreich wurden, verdankten sie einer Verkettung von traditionellen Verbindungen, Erbfolge-Regelungen und Schicksalen. Auf der britischen Insel existierten im späten 17. Jahrhundert drei Königreiche: England, Wales und Schottland. Wirtschaftlich und kulturell dominierte England, das erfolgreich Handel mit Kolonien in Übersee trieb. London stieg zum wichtigsten Bankenzentrum weltweit auf.

Reisen mit der Kutsche

Die hannoverschen Kurfürsten konnten zu ihrer Zeit nicht mit dem Flugzeug nach London reisen. Sie machten sich per Kutsche auf den Weg durch das heutige Niedersachsen und die Niederlande nach Den Haag - rund 450 Kilometer. Dank mehrerer Stationen zum Wechseln der Pferde war die Tour in fünf Tagen zu schaffen. Von Den Haag aus ging es per Schiff nach London.

1707 gab Schottland dem Druck aus England nach und beide Reiche vereinten sich zum Königreich Großbritannien. Erste gemeinsame Königin wurde die englische Herrscherin Anne Stuart, die den Titel von ihrem verstorbenen Schwager Wilhelm III. geerbt hatte. Nun mussten sich Schottland und England auf eine gemeinsame Regelung zur Thronfolge verständigen. Da trotz zahlreicher Schwangerschaften und Geburten kein Kind von Königin Anne überlebte, erkor das englische Parlament Sophie von der Pfalz als Nachfolgerin aus - die letzte Enkelin von König Jakob I. aus dem Hause Stuart. Dabei spielte nicht nur die Blutsverwandschaft eine Rolle, sondern auch die Religion. Zwar hätte es nähere Verwandte gegeben, doch die waren katholisch. Die neue Königin sollte jedoch unbedingt protestantisch sein, um den Einfluss der Katholiken in England zu begrenzen.

Die Verbindung nach Hannover steht

Mit dieser Wahl war die Verbindung zum uralten Adelsgeschlecht der Welfen geschaffen, denn Sophies Ehemann war Ernst August, Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg. 1660 wurde ihr erster Sohn geboren, jener Georg Ludwig, der später den britischen Thron bestieg. Nach dem Tod seines Vaters 1698 erbte er zahlreiche Ländereien, residierte im Leineschloss in Hannover, dem heutigen Landtagsgebäude, sowie auf seinem Sommersitz Herrenhausen.

Ahnengalerie
Georg I., König von England und Kurfürst von Hannover © Picture-Alliance / AKG-Images

Britische Könige aus Hannover

123 Jahre lang stellte das Adelsgeschlecht der Welfen die Könige von Großbritannien. Bildergalerie

Zwei entscheidende Todesfälle

1714 überschlugen sich die Ereignisse. Im Juni starb in Hannover Sophie von der Pfalz, die auch Sophie von Hannover genannt wurde. Ihr Anspruch auf den britischen Thron ging damit auf ihren Sohn Georg Ludwig über. Wenige Wochen später trat der vorhersehbare Fall ein: Die Königin von Großbritannien, Anne Stuart, starb, ohne einen Thronfolger zu hinterlassen. Nun zeigte sich die machtpolitische Weitsicht des englischen Parlaments, das 1701 den "Act of Settlement" erlassen hatten, der die Thronfolge regelte. Er schreibt vor, dass ausschließlich protestantische Nachkommen aus dem Hause Stuart Anspruch auf den englischen Thron haben. Diese Bedingungen erfüllte nach dem Tod seiner Mutter nur Georg Ludwig aus dem Hause der Welfen. Die große Mehrzahl der Stuarts waren Katholiken.

Macht und Einfluss für mehr als 100 Jahre

Porträt der britischen Königin Viktoria (1837-1901). © picture-alliance / dpa
Von 1837 bis 1901 herrscht in Großbritannien Königin Viktoria - eine ungewöhnlich lange Zeit.

Damit begann eine Ära die Welfen auf dem britischen Thron, die 123 Jahre anhielt. Fünf Könige stellte das Geschlecht aus Niedersachsen. Am 20. Juni 1837 starb Wilhelm IV., ohne einen männlichen Thronfolger zu hinterlassen. Damit endete die Personalunion, denn anders als in Großbritannien konnte nach den Erbregeln der Welfen in Hannover keine Frau auf den Thron nachrücken. Neue Königin wurde die erst 18 Jahre alte Viktoria, Tochter von Wilhelms 1820 verstorbenem Bruder Eduard August. Sie führte das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Irland zu großer Macht und begründete das viktorianische Zeitalter. Viktoria heiratete ihren Vetter Albert aus dem Hause Sachsen-Coburg-Gotha, das sich später in Windsor umbenannte und bis heute an der Spitze der Monarchie in Großbritannien steht.

Und in Hannover? Während König George I. noch häufig nach Hannover reiste und sich dort um die Amtsgeschäfte als Kurfürst kümmerte, blieben seine Nachfolger weitgehend in London. Die Geschäfte in der Heimat führten hohe Beamte. Erst nach dem Tod von Wilhelm IV. bestieg der Onkel von Königin Viktoria, Ernst August, den Thron in Hannover und regierte von dort.

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Dieses Thema im Programm:

die nordstory | 30.05.2014 | 20:15 Uhr

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