Weihnachten 1717: Sturmflut verwüstet den Norden
Für die Menschen an der Nordseeküste bringt Weihnachten 1717 keinen Frieden, sondern endet in einer Katastrophe. Eine schwere Sturmflut lässt die Deiche brechen und kostet Tausende Menschen das Leben.
Es ist eine der schwersten Sturmfluten der Geschichte, die in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 1717 Tod und Verwüstung über die Küstenbewohner der Niederlande, Norddeutschlands und Skandinaviens bringt. Mehr als 11.000 Menschen sterben, rund 100.000 Pferde, Schafe und Rinder ertrinken, 8.000 Gebäude werden zerstört.
Deiche brechen mitten in der Nacht
Die Naturkatastrophe, eine der schlimmsten in der frühen Neuzeit, kommt für die Menschen unerwartet: Der Sturm, der noch am Nachmittag des 24. Dezember aus Richtung Südwest gewütet hat, ist am Abend abgeflaut. Die Küstenbewohner besuchen den Gottesdienst und feiern mit ihren Familien den Heiligen Abend, danach legen sie sich schlafen. Doch der Wind hat mittlerweile auf Nordwest gedreht und steigert sich in der Nacht zum Orkan. Das Wasser steigt ungewöhnlich schnell. Bereits um drei Uhr morgens brechen in Ostfriesland und in der Grafschaft Oldenburg zeitgenössischen Berichten zufolge die Deiche.
Weite Teile der Küste werden überschwemmt
Die Flut überrascht viele Menschen im Schlaf. "Auff dem Wasser selbst schwammen noch Betten, Kasten, Menschen, Vieh und allerhand Guth herum. Man sah auch hin und wieder auf den Häusern Menschen sitzen, welche mit Noth-Zeichen ihr Elend vorstelleten", schildert ein zeitgenössischer Bericht die Katastrophe.
An fast allen Küsten der Nordsee zwischen den Niederlanden und Dänemark kommt es zu Überschwemmungen und Deichbrüchen. In Hamburg stehen ganze Stadtteile unter Wasser, darunter Stillhorn, Finkenwerder und Moorburg. Zwar gibt es im 18. Jahrhundert noch keine verlässlichen Pegelstandsmessungen. Einige Forscher vermuten aber, dass die Wasserstände, bezogen auf das damalige mittlere Tidehochwasser, teilweise über dem der schweren Sturmflut von 1962 lagen.
Weitere Flut folgt Ende Februar
Besonders schwer trifft es die Grafschaften Oldenburg und Ostfriesland sowie die Herrschaft Jever. Dort fällt ein Viertel der Bevölkerung der Flut zum Opfer. Zu den Toten kommt das verlorene Vieh sowie das zerstörte Hab und Gut hinzu. Zu allem Unglück folgt nur zwei Monate später, am 25. und 26 . Februar 1718, mit der sogenannten Eisflut eine weitere Sturmflut. Weitgehend ungehindert strömt das Wasser durch die zerstörten Deiche und lässt die landwirtschaftliche Flächen weiter versalzen.
"Göttliches Strafgericht"
In der damaligen Zeit vermuten viele Menschen hinter der Katastrophe eine Strafe Gottes für die "ruchlose Welt". In Bußpredigten erklären Pastoren, die Sturmflut zu einem "harten Exempel des göttlichen Straff-Gerichts" und deuten sie als "allen Menschen nöthiges, heilsames und nimmer zu vergessendes Denckmahl."
Marode und veraltete Deiche halten dem Wasser nicht Stand
Als gesichert gilt, dass die Weihnachtsflut von 1717 sich vor allem deshalb so verheerend auswirken konnte, weil die teilweise maroden Deiche den Wassermassen nichts entgegensetzen konnten. Durch Krieg und Viehkrankheiten wie die Rinderpest war die Küstenregion Anfang des 18. Jahrhunderts wirtschaftlich geschwächt. Für Pflege und Erhalt der Deiche und Entwässerungsanlagen fehlte das Geld. Wären die Deiche in einem guten Zustand gewesen, wären die Folgen der Flut vermutlich weniger drastisch gewesen.
Bevölkerung hungert und verarmt
Für die Bevölkerung wirkt die Katastrophe lange nach. In den Folgejahren kommt es zu Hungersnöten: Vorräte und Saatgut sind durch das Wasser vernichtet, viele Böden versalzen, was die Erträge jahrelang stark mindert. Um die Deiche wiederherzustellen, müssen die Küstenbewohner zusätzliche Abgaben leisten, sodass viele weiter verarmen oder sich über Jahrzehnte verschulden. Andere verlassen die Region für immer.