Wannsee-Konferenz: Wie Bürokraten den Holocaust planten
Am 20. Januar 1942 trafen sich am Berliner Wannsee 15 führende Vertreter der NS-Bürokratie. Ihr Thema: die Organisation des systematischen Massenmords an Juden.
Der Mord an den europäischen Juden war geplant und er wurde von den Nationalsozialisten systematisch umgesetzt. Zwar sind die Wege, die zum Massenmord führten, verschlungen - aber ein Datum ist besonders mit dem bürokratisch organisierten Verbrechen verbunden: der 20. Januar 1942, der Tag der Wannsee-Konferenz.
Wannsee-Konferenz: Anfang oder Fortsetzung?
Die berüchtigte Konferenz begann an einem Wintermittag in einer Villa der SS am Berliner Wannsee. Geladen zu einer Besprechung "mit anschließendem Frühstück" hatte Reinhard Heydrich, Chef der berüchtigten Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes (SD). Gekommen waren 15 Männer - Staatssekretäre, Spitzen der NS-Verwaltung im besetzten Osteuropa und hochrangige SS-Führer. Einziger Tagesordnungspunkt: die Organisation und Umsetzung der "Endlösung der Judenfrage".
Bis heute sind Historiker unterschiedlicher Auffassung darüber, wie die Konferenz zu bewerten ist, denn der Mord an den Juden war im Januar 1942 bereits im vollen Gang. Heydrich war bereits Anfang 1941 von Reichsmarschall Hermann Göring und SS-Chef Heinrich Himmler mit dem Mord an den Juden Europas beauftragt worden. Die gängige Annahme, dass erst auf der Konferenz die "Endlösung der Judenfrage" beschlossen worden sei, deckt sich nicht mit den historischen Fakten.
Organisation der "Endlösung der Judenfrage"
Die Mehrheit der Forscher geht davon aus, dass es in erster Linie um die Organisation und Umsetzung des Völkermordes ging. Heydrich habe sich die Kooperation der Konferenzteilnehmer sichern und ihnen seine neue Machtfülle in der "Judenfrage" demonstrieren wollte. Bereits im Juli 1941 hatte er von Göring die Vollmacht erhalten, "alle erforderlichen Vorbereitungen in organisatorischer, sachlicher und materieller Hinsicht zu treffen für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflussgebiet in Europa".
Heydrichs "Judenreferent" Adolf Eichmann, der das Protokoll der Sitzung anfertigte, erklärte später bei seiner Vernehmung während des Prozesses gegen ihn in Jerusalem, sein Chef sei nach dem Treffen in außergewöhnlich guter Stimmung gewesen. Tatsächlich hatte keiner der Anwesenden Heydrichs Richtlinienkompetenz infrage gestellt.
Wannsee-Konferenz: Symbol des bürokratischen Massenmords
Als nach dem Krieg US-amerikanische Ermittler die 16. Ausfertigung des Papiers für Unterstaatssekretär Luther vom Auswärtigen Amt fanden, wurde die Konferenz zum Symbol für den staatlich verordneten Massenmord. Das Dokument - dessen Echtheit Holocaust-Leugner bis heute in Zweifel zu ziehen versuchen - gibt Aufschluss darüber, wer an der Konferenz teilgenommen hat und macht deutlich: Involviert in den Judenmord war ein ganzer bürokratischer Apparat.
Die Teilnehmer besprachen die Zusammenarbeit ihrer Behörden bei der bevorstehenden Deportation aller Juden in Europa in die eroberten Gebiete im Osten. Das Protokoll verzeichnet "nach entsprechender vorheriger Genehmigung durch den Führer die Evakuierung" von insgesamt über elf Millionen europäischen Juden "nach dem Osten". "In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter" sollten die "arbeitsfähigen Juden (...) straßenbauend in diese Gebiete geführt" werden, "wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen" wird. Der "allfällig endlich verbleibende Restbestand" solle "entsprechend behandelt" werden, "da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten handelt", der "eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaus anzusprechen ist (siehe die Erfahrung der Geschichte)".
Intensiv wurde auch über die Behandlung von "Halbjuden" und "Mischehen" diskutiert. Heydrichs Versuch, den Kreis der Betroffenen über die seit den Nürnberger Rassegesetzen von 1935 hinaus als "Jude" definierten Menschen auszuweiten, hatte allerdings keinen Erfolg.
Gesamter Staatsapparat in den Holocaust eingebunden
Die Wannsee-Konferenz war eine wichtige Etappe bei der Organisation des planmäßigen Völkermordes an den Juden, der Auftakt war sie nicht: Seit der deutschen Invasion in der Sowjetunion im Sommer 1941 waren Heydrichs Einsatzkommandos damit beschäftigt, sowjetische Juden systematisch zu ermorden. Die Vernichtungslager im Osten waren bereits im Bau. Schon im September hatte Hitler den Deportationsbefehl für die noch im Reich verbliebenen Juden erteilt. Und der Genozid wurde seit Oktober im "Generalgouvernement" planmäßig praktiziert, auch, um Platz für die Juden aus dem Reich zu schaffen. Mit der Kriegserklärung an die USA im Dezember erteilte Hitler mündliche Befehle zur "Endlösung der Judenfrage" im nun zur globalen Auseinandersetzung eskalierten Weltkrieg.
Mit der Wannsee-Konferenz wurde der Mord an allen europäischen Juden zum schriftlich fixierten Ziel deutscher Regierungspolitik. Heydrich sicherte sich mit der Konferenz nicht nur die Zustimmung der Ministerien, sondern er machte die Staatssekretäre mitverantwortlich. Das Treffen markiert den Punkt, an dem die Organisation des Völkermordes nach bereits erfolgter Entscheidung auf der höchsten Führungsebene festgeschrieben wurde. Jetzt gab es kein Zurück mehr: Der gesamte Staatsapparat war nun involviert und mitverantwortlich für ein bis dato undenkbares Verbrechen.
Haus der Wannsee-Konferenz ist heute eine Gedenkstätte
Heute informiert das "Haus der Wannsee-Konferenz" mit einer umfassenden Ausstellung über den geplanten Völkermord an den europäischen Juden.