Sommer 1974: Der VW Golf I geht an die Kundschaft
Am 5. August 1974 beginnt die Auslieferung eines neuen VW-Modells: des Golfs. Er soll an den Erfolg des Käfers anknüpfen. Mittlerweile gibt es acht Generationen - und längst wurden mehr Exemplare verkauft als vom runden Vorgänger.
"Der Golf bietet ein Maximum an Nutzraum und Sicherheit. Er ist kompromisslos auf die Praxis ausgerichtet." VW-Werbung von 1974
Den praktischen Nutzen betonend wirbt Volkswagen zur Markteinführung vor 50 Jahren für sein neues Modell: den Golf. Der steht Firmenangaben zufolge ab dem 8. Juli 1974 in den Verkaufsräumen der Händler. Am 5. August 1974 beginnt die Auslieferung an die Kunden. "Die tiefe Gürtellinie macht ihn übersichtlich, die abfallende Fronthaube gibt den Blick auf die Fahrbahn bis kurz vor den Wagen frei", heißt es im Werbeprospekt weiter. "Das tief heruntergezogene Heckfenster macht Rückwärtsrangieren problemlos."
Der Golf begründet eine eigene Kompaktwagenklasse, die nach ihm benannt wird, prägt eine ganze Generation und ist für VW die Rettung in wirtschaftlich schwierigen Fahrwassern. Sieben Generationen folgen dem Urmodell bis heute - und über 37 Millionen verkaufte Fahrzeuge. "Rein rechnerisch entschieden sich damit an jedem einzelnen Tag der letzten 50 Jahre über 2.000 Menschen für einen neuen Golf", schreibt VW in einer Jubiläumsbroschüre 2024.
Aus der Krise geboren zum Welterfolg
Dabei war es zu Beginn keineswegs sicher, dass der neue Wagen ein Erfolg werden würde. Klar war den Managern in Wolfsburg nur: Ein Nachfolger für den langjährigen Verkaufsschlager, den VW Käfer, musste dringend her. Volkswagen hatte in den Jahren zuvor mit einbrechenden Verkaufszahlen zu kämpfen, der Konzern schickte Beschäftigte in Kurzarbeit oder ganz nach Hause.
Der Golf wurde aus der Krise heraus geboren - mit einem gegenüber dem Käfer neuen Antriebskonzept und einem völlig veränderten Design. Dafür war der Italiener Giorgetto Giugiaro verantwortlich. Er verabschiedet sich vom runden Käfer-Look und entwirft einen sportlich-kantigen Kompaktwagen mit klaren Linien. Der Motor ist nicht mehr im Heck des Fahrzeugs untergebracht, sondern wie heute meist üblich vorne. Stattdessen bekommt der Golf einen Kofferraum mit großer Heckklappe.
Große Herausforderung für den Designer
Den Nachfolger eines Bestsellers ganz neu zu entwerfen, das sei eine große Herausforderung für einen Designer, erinnert sich Giugiaro. "Ein schönes Fahrzeug zu kreieren, wenn man nur einige wenige davon fertigt, ist einfach. Aber wenn du Tausende davon bauen willst, musst du das Auto so gestalten, dass es in der Montage einfach vonstatten geht."
Nicht nur der reine Stil, sondern auch die Praktikabilität beeinflusst seine Zeichnungen zum Golf. "Ursprünglich hatte ich die Rechteckscheinwerfer in Dimension und Anordnung als Spiegelbild der Heckleuchten vorgesehen. Aber das kostete zu viel und so musste ich die runden Scheinwerfer nehmen." Am 29. März 1974 rollen in Wolfsburg die Bänder für die Serienproduktion an. Zunächst kommt der Golf ohne rechten Außenspiegel und ohne Kopfstützen daher und ist für rund 8.000 D-Mark zu haben.
"Die Welt ist groß für dieses Auto, und wo sie eng ist, passt der Golf kompakt und wendig hinein." Werbeslogan für den VW Golf 1974
Schneller Erfolg: Wartezeit für Besteller
"Das moderne und sichere Antriebskonzept, die große Variabilität mit einer Heckklappe und umklappbarer Rücksitzlehne und letztlich auch das Design überzeugten derart, dass bereits im Oktober 1976 der millionste Golf gefeiert werden konnte", schreibt VW in seiner Jubiläumsschrift. Schon von 1975 an ist der Golf für lange Zeit das meistverkaufte Auto in Deutschland. Kunden müssen zum Teil ein Jahr warten, etwa auf das Dieselmodell.
Von der ersten Generation des Golf werden knapp sieben Millionen Exemplare auf der ganzen Welt verkauft. Obwohl 1983 die zweite Generation des Golf in Serie geht und danach bis heute im Abstand von sechs bis acht Jahren sechs weitere folgen, wird der Ursprungs-Golf noch bis 2009 weitergebaut - und zwar in Südafrika als "Citi Golf".
Produktionsstandorte auf vier Kontinenten
Alle Golf-Modelle werden nicht nur überall auf der Welt verkauft, sondern auch auf vier Kontinenten produziert: in Belgien, Brasilien, China, Malaysia, Mexiko, der Slowakei und eben in Südafrika. Im Stammwerk in Wolfsburg wurden bislang mehr als 20 Millionen Golf gebaut - und teils an Empfänger ausgeliefert, die man so nicht direkt auf dem Schirm hatte.
10.000 Golf für die DDR
Am 30. November 1977 etwa bestellt die DDR 10.000 VW Golf. Im Gegenzug liefert die DDR Maschinen und Spezialwerkzeug - und für die Werkskantine Thüringer Würstchen. Im grauen Straßenbild der DDR sorgt der Golf, der in sechs Farben geliefert wird, für bunte Tupfer. Der Großteil der Wagen landet in Ost-Berlin. Allerdings kostet der Westimport anfangs stolze 35.000 Mark, Ost-Mark wohlgemerkt. Trabbis gibt es ab 9.000 Ost-Mark - wenn es sie denn gibt. Die langen Wartezeiten auf einen Trabant oder Wartburg sind legendär. Immerhin: Im Februar 1978 senkt die DDR den Verkaufspreis des Golf um etwa 10.000 Ost-Mark, je nach Ausführung.
Das meistverkaufte europäische Auto aller Zeiten
Während die DDR beim Import ausländischer Fahrzeuge später auf Mazda setzt, geht der Siegeszug des Golf ansonsten weltweit weiter. Es wird zum Symbol einer ganzen Generation. Der Autor Florian Illies setzt dem Auto mit seinem Buch "Generation Golf" ein Denkmal. Wie das Fahrzeug wird auch das Buch zum Bestseller.
Der Nachfolger des Käfers, der an dessen Erfolge anknüpfen sollte, überflügelt ihn am 26. Juni 2002. Damals wird Golf Nummer 21.517.415 verkauft. Bis heute sind weitere 16 Millionen hinzugekommen. Der Golf ist damit mit großem Abstand der erfolgreichste Volkswagen und das meistverkaufte europäische Auto aller Zeiten.