UKW: Die Welle der Freude
In Schleswig-Holstein hört das Radio einen Tag vor Weihnachten 1950 auf zu rauschen. Das Studio Flensburg strahlt über den Versuchssender Hamburg die erste Sendung auf UKW aus. Passend zum 23. Dezember sind es "Weihnachtserinnerungen alter Leute".
Zu hören ist das besinnliche Stück mit Geschichten, die bis zum Einmarsch der Preußen 1864 in Angeln zurückreichen, allerdings erst für wenige. Die Ultrakurzwelle - UKW - ist Ende 1950 noch ganz neu, sehr aufregend und soll die bis dahin dominierende rauschende Mittelwelle als Hauptsendeart für Radio ablösen.
In Kopenhagen "ultrakurz" gekommen
Deutschland hatte den Zweiten Weltkrieg verloren. Das ist die korrekte und kürzeste Erklärung dafür, warum die Bundesrepublik als erstes Land der Welt Abschied von der Mittelwelle nimmt. Anfang 1950 sitzen die Vertreter der europäischen Rundfunkanbieter in Kopenhagen zusammen. Es gilt, einen neuen Wellenplan zu entwickeln, denn seit Beginn der Rundfunkzeit von 1924 an entstehen in Europa immer mehr neue Sender. Es wird eng auf der Mittelwelle. Und dann sind da noch die Deutschen: Nach der Zentralisierung durch die Nationalsozialisten gibt es nun wieder regionale Sender.
Im Norden bildet der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) die britische Besatzungszone ab. Alle deutschen Sender wollen Frequenzen. Technisch ist das ohnehin nicht möglich. Und politisch ist es 1950 - zumindest was die Deutschen betrifft - auch nicht gewollt. Die Techniker des NWDR kehren aus Kopenhagen zurück und scherzen: Man sei "ultrakurz" gekommen. Sie spielen damit auf die voraussehbare Entwicklung an. Es gibt nicht genug Mittelwellen-Frequenzen, deshalb muss Deutschland auf UKW setzen.
Der hohe Preis für das Ende des Rauschradios
Dass UKW besser klingt als die Mittelwelle, ist den Technikern klar. Es ist aber auch sehr viel aufwendiger zu verbreiten. Der größte Nachteil von UKW: Es ist quasi nur auf Sichtweite der Sendemasten zu empfangen. Der größte Vorteil von UKW: Es ist nur auf Sichtweite zu empfangen. Anders als mit der Mittelwelle ist es jetzt zum ersten Mal in der Geschichte des Radios möglich, Programme für die Region auszustrahlen.
Das noch junge Studio Flensburg schickte so für Schleswig-Holstein vom 16. Mai 1951 an werktäglich die Sendung "Von Binnenland und Waterkant" in den schleswig-holsteinischen Äther. Zu Beginn übrigens parallel auch auf der Mittelwelle. UKW können die alten Radios nicht. Wer die neue Klang-Qualität erleben will, muss sich einen neuen Empfänger kaufen.
Voll-Programm in Stereo
Um rauschfrei Radio hören zu können, braucht bald keiner mehr zum Nachbarn zu gehen. UKW-Radios verbreiten sich rasend schnell. Doch in der NWDR Zentrale in Hamburg wird UKW noch nicht ernst genommen - auch nicht, als aus dem Sender 1956 der NDR und der WDR werden. Die große Politik wird auf Mittelwelle verbreitet, das Lokale, das Regionale über UKW. Die "Zeitfunker" in Hamburg spötteln, UKW sei die "Welle der Freude". Doch weil UKW tatsächlich Freude macht und spätestens mit dem Voll-Programm in Stereo von 1968 an die Mittelwelle schlicht veraltet ist, verstummen die Spötter. Flensburg als Geburtsort des Rundfunks in Schleswig-Holstein ist zu diesem Zeitpunkt bereits seit drei Jahren die Außenstelle des neuen NDR Studios in Kiel.
UKW kommt in die Jahre
Mit dem Start der Landesprogramme des NDR 1981 kann die UKW-Technik noch einmal furios durchstarten. Da Schleswig-Holstein flach ist und die sechs UKW-Hauptsender im Land nicht weit "gucken" können - UKW sendet ja nur auf Sichtweite -, kann im Norden regionalisiert werden. Der Sender Flensburg versorgt den Norden, Welmbüttel in Dithmarschen den Westen, Kronshagen bei Kiel die K.E.R.N.-Region, Armstedt bei Neumünster sowie Moorfleet in Hamburg Südholstein und der Bungsberg Ostholstein. Zweimal täglich wird das Programm so für Regionalnachrichten auseinander geschaltet - zehnmal für das Wetter in den Landesteilen. Technisch werden alle Versionen in Kiel gesammelt und dann - ohne, dass der Hörer es merkt - von Kronshagen an die übrigen Sender in fünf Versionen im Land verteilt.
Noch gehört die Ultrakurzwelle nicht der abgeschlossenen Geschichte an. Doch auch das Radio steckt mit Digital Audio Broadcasting (DAB) und DAB+ mitten im digitalen Zeitalter - inklusive einzelner Regionalfenster zum Beispiel des NDR.