Der Alte Elbtunnel: Hamburger Baudenkmal im Sanierungszustand
Er ist der erste große Flusstunnel in Europa - und eine technische Sensation: der St. Pauli-Elbtunnel in Hamburg. Am 6. September 1911 geht er in Betrieb. Seit Jahren wird das "Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst" saniert. Die Weströhre soll 2025 wiedereröffnet werden.
Ein riesiges Kuppeldach, drei imposante Steinportale mit Pfeilern und Giebeln: Auf den ersten Blick erinnert der Rundbau an den St. Pauli Landungsbrücken in Hamburg an ein Bauwerk der Antike. Doch in dem Gebäude an der Elbe verbirgt sich weder Tempel noch Kirche. Es bildet den Zugang zu einem Meisterwerk der Ingenieurbaukunst - dem Alten Elbtunnel. Zwei Treppen mit je 132 Stufen, vier hydraulisch betriebene Fahrkabinen für Fahrzeuge und zwei kleine Personenaufzüge führen 24 Meter in die Tiefe. Dort befindet sich der Eingang zu zwei hell gekachelten Röhren. Sie führen 426,5 Meter unter dem Wasser entlang nach Steinwerder auf die südliche Elbseite.
Erster großer Flusstunnel Kontinentaleuropas entsteht
Als der St. Pauli Elbtunnel am 7. September 1911 seinen Betrieb aufnimmt, ist er der erste große Unterwassertunnel auf dem europäischen Kontinent. Als Vorbilder werden die Tunnel unter der Themse in London und unter dem Clyde im schottischen Glasgow angesehen. Letzterer wurde 1895 eröffnet. Er verband ebenfalls die Stadt mit dem Hafengebiet und verfügte auf jeder Seite über sechs Aufzüge. Auch der 1899 eingeweihte Straßenbahntunnel unter der Spree zwischen Treptow und Stralau bei Berlin gab Impulse.
Der Hamburger Industriearchäologe und Buchautor Sven Bardua bezeichnet den Bau unter der Elbe als "in mehrfacher Hinsicht schrittmachend". Dabei gebe nicht den Länge des Tunnels den Ausschlag - der Berliner Tunnel ist etwas länger - sondern die Tiefe unter dem Wasserspiegel und den damit verbundenen Druckverhältnissen sowie die Dimensionen wie etwa der Durchmesser der Röhren. Außerdem gelte der Baugrund in Hamburg als besonders schwierig. Die Firma Philipp Holzmann, die sowohl den Spree- als auch den Alten Elbtunnel gebaut hat, habe deshalb auch immer Letzteren verstärkt gewürdigt, so Bardua.
4.400 Arbeiter sind vier Jahre lang im Einsatz
Der St. Pauli Elbtunnel gilt als eine technische Sensation. Vier Jahre lang haben sich 4.400 Arbeiter durch den feuchten Modder unter der Elbe Stück für Stück vorangeschoben und unter schwierigen Bedingungen zwei Röhren mit je sechs Metern Durchmesser geschaffen. Dabei wurde das damals hochmoderne und noch heute genutzte Schildvortriebverfahren angewandt. Mit Schaufeln schafften Arbeiter vor einem großen hydraulisch angetriebenen Bohrschild Sand und Erde aus dem Weg. Danach stützten sie den so entstandenen Tunnel mit sogenannten Tübbings. Das sind Stahlelemente, die zu einem Ring zusammengesetzt und anschließend vernietet, abgedichtet und verputzt wurden.
Risikoreiches Arbeiten bei Überdruck
Um das Eindringen von Wasser zu verhindern, wurden die Arbeiten bei Überdruck ausgeführt und die betroffenen Arbeiter und Ingenieure einem hohen gesundheitlichen Risiko ausgesetzt. Zwar wurden bereits Druckschleusen verwendet, in denen die Männer sich beim Ein- und Aufstieg an den Umgebungsdruck anpassen sollten, dennoch zeigten knapp 700 von ihnen leichte bis schwere Symptome der sogenannten Taucherkrankheit, drei starben daran. Das konnte auch das Ärzteehepaar Bornstein nicht verhindern, das 1909 für die Betreuung der Mannschaft eingesetzt wurde, denn damals hatte die Medizin noch wenig Erfahrung mit der Druckluftmedizin gesammelt.
Wichtiger neuer Verkehrsweg für die Stadt Hamburg
Nach der Eröffnung nutzen in Spitzenjahren bis zu 19 Millionen Menschen jährlich den Tunnel. Für viele Hafenarbeiter ist er eine schnelle und kostenlose Möglichkeit, um von der Stadt zu ihren Arbeitsplätzen im Hafen und auf den Werften auf der anderen Elbseite zu gelangen. Bereits seit den 1870er-Jahren hatten die Stadtverantwortlichen über eine Alternative zum Fährverkehr nachgedacht, der an seine Kapazitätsgrenzen stieß und bei Nebel und Eisgang oft eingestellt werden musste. Der Senat zog sowohl eine Schwebefähre als auch eine Hochbrücke in Erwägung, verwarf aber beides aus Kostengründen und entschied sich 1902 für den Bau eines Tunnels.
1907: Der Tunnelbau beginnt
Am 22. Juli 1907 begannen die Arbeiten. Zunächst entstanden an den Kopfseiten des Tunnels in Steinwerder und St. Pauli zwei Schachtgebäude, die später mit je vier Lastenaufzügen für Fuhrwerke und Fahrräder, zwei Personenfahrstühlen und Treppen ausgestattet wurden. Zum Betrieb der Aufzüge wurde in Steinwerder ein Kraftwerk errichtet. Drei Dieselgeneratoren lieferten den notwendigen Strom.
Technisch und architektonisch außergewöhnlich
Die Besonderheit des Elbtunnels ist nicht nur die technische Leistung, die dahintersteht, sondern auch die für ein solches Bauwerk ungewöhnlich schöne und aufwendige Architektur. Otto Wöhlecke, der auch die angrenzenden Landungsbrücken entworfen hatte, schuf mit dem Schachtgebäude in St. Pauli einen imposanten Tuffstein-Bau im Stil des repräsentativen Historismus - mit Kuppeldach, großen Fenstern, Plastiken an den Wänden und einer offenen Stahlkonstruktion mit den Fahrkörben. Reliefs, die Fische und andere Wassertiere darstellen, zieren die mit hellen Fliesen verkleideten Röhren. Diese Zurschaustellung der Ingenieurskunst war durchaus gewollt. "Es war Ziel, die Faszination des Ingenieursbaus bewusst zu vermitteln. Baumeister Otto Stockhausen wollte technische Konstruktion und Schönheit in einem Bau vereinigen", sagt Buchautor Bardua.
Das Schachtgebäude in Steinwerder sah ursprünglich genauso aus wie das in St. Pauli - mit dem Unterschied, dass die Fassade der Umgebung entsprechend aus rotem Backstein bestand und die Plastiken an den Wänden Arbeiter statt Ingenieure zeigte. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude bis 1952 als reiner Zweckbau wiedererrichtet. Kuppeldach und Plastiken wurden nicht wiederhergestellt.
Auszeichnung als "Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst"
Seit 2003 steht der Alte Elbtunnel unter Denkmalschutz, zum 100. Geburtstag im Jahr 2011 kam eine besondere Auszeichnung hinzu: Die Bundesingenieurkammer verlieh ihm den Titel "Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland". Auch die Bundesregierung würdigte das Baudenkmal - mit einer 10-Euro-Gedenkmünze in Silber. Auf der Bildseite sind das Schachtbauwerk mit den Aufzügen, beide Tunnelröhren im Querschnitt sowie die darüber liegende Elbe mit Schiffen zu sehen.
Verkehrstechnische Bedeutung nimmt durch neuen Elbtunnel ab
Aus dem Stadtbild ist der Alte Elbtunnel nicht mehr wegzudenken. Er verkörpert ein Stück Hamburger Geschichte, ist eine beliebte Sehenswürdigkeit und ein schneller Verkehrsweg zur Elbquerung innerhalb der Stadt. Seine verkehrstechnische Bedeutung hat allerdings seit den 1970er-Jahren, als die Werften in die Krise gerieten und der neue Elbtunnel gebaut wurde, stark abgenommen. Während früher auch Autos durch den Tunnel fuhren, nutzen ihn heute nur noch Radfahrer, Fußgänger und Touristen - insgesamt fast zwei Millionen Menschen in 2019. Wirtschaftlich ist das allerdings nicht, die alte Technik ist sehr personalintensiv.
Aufwendige Sanierung mit Hindernissen
Auch die laufende Instandsetzung kostet viel Geld. Seit 1995 wird der Alte Elbtunnel aufwendig restauriert. Die Schachtgebäude auf beiden Seiten wurden innen und außen komplett restauriert. Die Kuppel auf der St.-Pauli-Seite bekam eine neue Kupferhaut und die dortigen Fenster, die jahrelang verdeckt gewesen waren, wurden originalgetreu wiederhergestellt. Während der Bau von außen in altem Glanz erstrahlt, gab es bei der Sanierung der Röhren enorme technische Probleme. Sie dauert deshalb wesentlich länger als ursprünglich geplant und ist auch deutlich teurer. In den ersten Planungen wurden die Kosten ursprünglich einmal auf rund 16 Millionen Euro geschätzt. Im Mai 2023 wurde eine Summe von 131 Millionen Euro genannt. Die Erneuerung der Oströhre wurde im Frühjahr 2019 abgeschlossen. Noch laufen die Arbeiten an der Weströhre, die für den Verkehr gesperrt ist. Die Wiedereröffnung ist für 2025 geplant, das gesamte Projekt soll 2026 beendet sein.
Der Alte Elbtunnel fasziniert noch immer
Der Faszination des Tunnels tut jedenfalls auch die langjährige Baustelle keinen Abbruch. Wer die 132 Stufen nach unten steigt oder in einem der Lastenaufzüge mit den sich vertikal öffnenden Holztoren fährt, staunt noch immer über die kunstvolle und effektive Anlage. "Bauschmuck innen und außen und die einmalige Konstruktion ohne Rampen - das fasziniert die Menschen noch heute", sagt Sven Bardua. Der Alte Elbtunnel ist der einzige Tunnel weltweit, der nach diesem Prinzip funktioniert und noch als Verkehrsweg genutzt wird. Der Straßenbahntunnel unter der Spree in Berlin wurde bereits 1932 wegen eindringenden Wassers gesperrt, im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, 1948 geflutet und ist seitdem nicht nutzbar. Das Glasgower Vorbild wurde 1980 komplett stillgelegt.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags war die Bezeichnung des Alten Elbtunnels als erster Unterwassertunnel auf dem europäischen Festland nicht ganz eindeutig. Der Berliner Tunnel unter der Spree ist zwar älter und etwas länger, die Dimensionen des Hamburger Baus sind insgesamt aber größer, die Arbeiten waren schwieriger. Von daher wird er von Experten als bedeutender eingeschätzt. Die Passage wurde entsprechend geändert.