Die Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel in Hamburg © NDR Foto: Irene Altenmüller

Das Schicksal der Frauen in den KZ-Außenlagern

Stand: 06.04.2025 05:00 Uhr

Tausende weibliche Häftlinge mussten während der NS-Zeit Zwangsarbeit in Hamburg verrichten. Das KZ Sasel wurde am 7. April 1945 geräumt - vorerst. Seit 1985 erinnert eine Gedenkstätte in Poppenbüttel an die Frauen.

von Irene Altenmüller

Zwischen modernen Mehrfamilienhäusern und der Einfahrt zum Parkdeck eines großen Einkaufszentrums in Hamburg-Poppenbüttel liegt ein schlichter Flachbau - ein Gebäude, so unauffällig, dass die meisten Menschen an ihm vorbeigehen, ohne es wirklich zu bemerken. Errichtet wurde das Plattenhaus von Frauen, die in den Jahren zwischen 1944 und 1945 an diesem Ort zu Schwerstarbeit gezwungen wurden. Die meisten waren Jüdinnen, aber auch Sinti, politische Gefangene und andere Gegnerinnen des NS-Regimes gehörten dazu. Sie waren inhaftiert im nicht weit entfernten Konzentrationslager Sasel, einem der sieben Frauen-Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme im Hamburger Stadtgebiet. Seit 1987 befindet sich in dem Bau eine Gedenkstätte.

Viele Frauen starben an Entkräftung

Zwischen September 1944 und Anfang April 1945 waren im KZ Sasel rund 500 vorwiegend jüdische Frauen untergebracht. Obwohl durch Hunger und Krankheit geschwächt, mussten sie im Hafen und im gesamten Stadtgebiet Bombenschäden beseitigen und Behelfswohnheime wie das in Poppenbüttel für die Ausgebombten errichten. Mindestens 35 Frauen starben an Entkräftung und Krankheiten. Tafeln in der Gedenkstätte schildern die Schicksale einiger Inhaftierter. Sie stehen stellvertretend für die Biografien Tausender weiblicher Häftlinge, die während des Nationalsozialismus in den Hamburger Frauen-Außenlagern inhaftiert waren.

Hunger und Misshandlungen waren an der Tagesordnung

Ausstellung in der Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel in Hamburg © NDR Foto: Irene Altenmüller
Auf Texttafeln zeichnet die Ausstellung einzelne Schicksale inhaftierter Frauen nach.

Eine dieser Frauen war die Hamburgerin Lucille Eichengreen (geb. als Cecilie Landau, 1925-2020). In einem Gespräch von 2004 beschrieb sie den alltäglichen Hunger in dem Außenlager Sasel: "Die meisten von uns husteten und waren krank, aber wir mussten trotzdem arbeiten, arbeiten oder sterben. Es gab wenig Brot, eine tägliche Scheibe war in Sekunden verschlungen. Wir träumten von Brot, fantasierten von Brot, stellten uns einen unerschöpflichen Brotlaib vor." An anderer Stelle berichtet sie über die Misshandlung einer Mitgefangenen: "Der SS-Mann ließ sie in der Mitte des Raumes niederknien und befahl uns, einen Kreis um sie bilden. Wir standen da, schweigende, eingeschüchterte Zeuginnen, während er mit einem schweren Lederriemen schlug. Seine Wut schien grenzenlos. Schließlich brach sie zusammen. Wir durften ihr nicht helfen. Morgen könnte es ich sein, geschlagen oder getötet."

Gedenkstein erinnert an die Opfer

Am 7. April 1945 wurde das Saseler Außenlager von der Waffen-SS geräumt und die jüdischen Frauen per Bahn in das KZ Bergen-Belsen deportiert. Dort starben viele von ihnen aufgrund der dort herrschenden unbeschreiblichen Zustände. Ab dem 21. April wurde das Lager noch mit nicht jüdischen Frauen aus dem geräumten Außenlager Beendorf belegt. Von ihnen starben bis zum Ende des Krieges noch 29. In Sasel erinnert ein Gedenkstein an der Ecke Petunienweg/Feldblumenweg an die Opfer, der auf Initiative von Schülern dort 1982 errichtet wurde.

Lucille Eichengreen, die den Holocaust als einzige ihrer Familie überlebt hatte, wirkte nach dem Krieg an der Identifizierung von SS-Tätern mit, wie auf einer Tafel neben dem Gedenkstein zu lesen ist. Während ihrer Haft hatte sie die Namen der Wachmänner und Aufseherinnen auswendig gelernt. Einige wurden zu Haftstrafen verurteilt. Nachdem sie Morddrohungen erhalten hatte, wanderte Eichengreen in die USA aus.

Nachgebaute Behelfsheimwohnung zu besichtigen

Mobiliar einer Behelfswohnung von 1944 für Ausgebombte in der Gedenkstätte Plattenhaus in Hamburg-Poppenbüttel © NDR Foto: Irene Altenmüller
Bei Luftangriffen wurden in Hamburg Tausende Wohnungen zerstört. Viele Ausgebombte kamen in Behelfswohnheimen unter.

Neben den einzelnen Biografien dokumentiert die Gedenkstätte in Poppenbüttel auf weiteren Tafeln die systematische Verfolgung der Juden in Hamburg durch die Nationalsozialisten sowie Standorte und Funktionen der anderen Frauen-Außenlager im Stadtgebiet. Zudem können Besucher eine rekonstruierte Behelfsheimwohnung aus dem Jahr 1944 mit Mobiliar aus der Kriegsproduktion besichtigen.

Plattenhaus-Siedlung wurde in den 60er-Jahren abgerissen

Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel

Adresse:
Kritenbarg 8
22391 Hamburg

Öffnungszeiten:
sonntags 10 - 17 Uhr
Eintritt frei

Das Plattenhaus, in dem sich seit 1985 die Gedenkstätte befindet, ist das letzte erhaltene von rund 370 Wohnheimen, die von den Frauen des Konzentrationslagers Sasel errichtet wurden. Alle anderen Plattenhäuser wurden Ende der 1960er-Jahre abgerissen, um das Einkaufszentrum zu bauen. Auch das Konzentrationslager Sasel, das etwa zwei Kilometer entfernt von der Behelfsheimsiedlung lag, ist nicht erhalten.

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 05.02.2011 | 19:30 Uhr

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