Roberto Baggio und Pistazieneis in Jesolo
Wie haben wir eigentlich früher Urlaub gemacht? Als es weder Online-Portale noch Billigflieger gab? Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von NDR Info erinnern sich - dieses Mal: Beke Schulmann.
Zum ersten Mal müssen wir keine Handtücher einpacken - denn es geht nicht wie sonst in die Ferienwohnung an der Ostsee, sondern ins Hotel, nach Italien. Trotzdem machen wir uns mit dem Auto auf den Weg: von Lüneburg nach Jesolo. Schlappe 1.200 Kilometer im Opel Kadett mit Schiebedach, aber natürlich ohne Klimaanlage.
Celentano: Der Sound von Italien
Mein Vater pfeift Adriano Celentanos "Azzurro" mit. Für die Fahrt hat er eine Kassette mit den größten Italo-Hits zusammengestellt, die wir bis zum Brenner gefühlte 30 Mal durchhören. Aus meinem Walkman dröhnen die Toten Hosen, meine neuste Entdeckung - und deren Cover-Version von Celentanos Klassiker.
Während seines Wehrdienstes war mein Vater mit Freunden im Käfer nach Jesolo gereist: Zelten unter Pinien, Baden im warmen Meer, vino rosso und vor allem auch Venedig. Das alles will er nun Frau und Tochter zeigen. Auf der Autobahn Richtung Venedig wird es langsam unerträglich heiß im dunklen Auto. Immerhin kommt die italienische Beschallung mittlerweile aus dem Radio.
Der Schweiß der Autofahrt bleibt in der Adria
Als wir im Hotel ankommen, ist es irgendwie doch fast wie an der Ostsee. Denn alle sprechen Deutsch, Touristen wie Hotel-Angestellte. "Ciao! Buona Sera! Guten Abend!" Der Mann an der Rezeption führt das Hotel seit immerhin 50 Jahren, erzählt er uns. Deutschland hat er auch schon bereist, sogar Lüneburg kennt er. Und überhaupt: In zwei Stunden gibt es Abendessen: Pasta, vongole, formaggio, alles da!
Also schnell die Koffer aufs Zimmer bringen und dann erst mal alle ins Meer: Der Schweiß der Autofahrt bleibt in der Adria. Am Lido stehen die Liegen gar nicht sooo eng, wie es auf den Bildern im Katalog aussah. Und: Niemand hat hier das Bedürfnis einen Sandburgen-Schutzwall um seine Liegen zu errichten so wie an deutschen Stränden.
Schokolade, Pistazie und Fußballer Baggio
"Gelato! Coco Coco Coco! Acqua! Acqua! Acqua!" Weil das Strandleben schon anstrengend genug ist, bringen wandernde Verkäufer in weißen Hemden alles, was Urlauber so brauchen: Eis, Kokososnuss-Stücke, Wasser und Säfte. Noch können sie in Ruhe verkaufen, werden nicht gejagt und vertrieben. Noch ist Berlusconi nicht Presidente.
Ab Tag zwei des Urlaubs haben wir eine Stamm-Eisdiele, Schokolade und Pistazie sind Pflicht. Natürlich trägt der Eisverkäufer ein Fußball-Trikot der italienischen Nationalmannschaft - und natürlich begrüßt mein Vater ihn mit einem lautstarken: "Aaah Baggio! Roberto Baggio!!" Immer, wenn wir die Eisdiele betreten. Ich gucke betreten auf den Boden und bin doch beeindruckt. Denn jedes Mal fachsimpeln die beiden Männern über diesen Baggio-Fußballer - obwohl mein Vater kein Wort Italienisch und der Mensch in der Gelateria kein Wort Deutsch spricht.
Wow! Venedig!
Es geht nach Venedig - ein Tagesausflug, die Serenissima liegt ja um die Ecke. Mit dem Boot schaukeln wir etwa eine Stunde auf der Adria. Zum Glück sind wir schon ein paar Tage da und haben uns an die Sonne gewöhnt. Alle anderen Deutschen auf dem Schiff verstecken sich unter Strohhüten und sind trotzdem knallrot, als wir den Anleger erreichen.
Dann ist es so weit: Marcusplatz, Palazzi, Canale Grande, Seufzer- und Rialto Brücke, Glasbläserei auf Murano - aufregend. Fehlt nur noch die Fahrt mit der Gondel. 200 D-Mark für eine Stunde, signalisiert uns der Gondoliere mit den Händen. Meine Mutter lacht laut, weil sie es für einen Scherz hält. Wir laufen dann lieber noch eine Runde ...