Petra Zieger und Band bei der Veranstaltung "Rock für den Frieden" im Jahr 1987 in Ostberlin. © picture-alliance/ ZB Foto: Günter Gueffroy

Musik in der DDR: Wie lenkbar ist Musikkultur?

Stand: 06.04.2021 11:01 Uhr

Ab den 60er-Jahren entwickelt sich ein musikalischer Austausch zwischen Bundesrepublik und DDR. Die SED-Regierung betrachtet das Eindringen "westlichen Gedankenguts" als Gefahr. Doch kurze Zeit später nutzt sie westliche Musik als Propaganda-Mittel.

von Christin Nax

Die Staatsführung der DDR verlangt damals von Künstlern, dass sie sich an marxistisch-leninistischen Ideen orientieren. "Freie Kunst" ohne autoritäre Aufsicht ist aus der Perspektive der SED-Regierung eine Illusion. Westliche Musik sei ein Instrument, um imperialistisches Gedankengut in sozialistische Länder zu bringen. Dennoch erweist es sich als schwierig, eine solche Politik dauerhaft auf die künstlerischen Bereiche zu übertragen. Die DDR-Politik kann die Unterhaltungsmusik nicht vollständig von internationalen Trends absondern und nutzt die westliche Musik schließlich, um sie nach sozialistischen Normen zu verändern.

Festnahmen un "Umerziehung" der Beat-Fans

John Lennon bei einem Beatles-Konzert in Hamburg 1966 © Picture-Alliance
Beatmusik wie die der Beatles ist auch in der DDR beliebt, doch die SED versucht das zu unterbinden.

Anfang der 60er-Jahre entwickelt sich die sogenannte Beatmusik, eine Variante der Rockmusik, welche der Staatschef Walter Ulbricht zunächst unterstützt. Am 15. September 1965 ändert sich seine Haltung nach einem Rolling-Stones-Konzert auf der West-Berliner Waldbühne. Fans aus der Bundesrepublik zerstören diese nach dem Auftritt. Daraufhin verbietet die SED-Regierung zahlreiche Beat-Gruppen in der DDR, da jene Musikrichtung anscheinend Aggressionen hervorrufe. Kurz darauf demonstrieren jugendliche Beat-Anhänger gegen die Sanktionen der SED-Führung in Leipzig. Die Volkspolizei beendet den Protest gewaltsam mit Schlagstöcken und Wasserwerfern. Die Beamten nehmen 267 Jugendliche fest und bringen 113 Demonstranten zur "Umerziehung" in einen Braunkohletagebau.

Rock unter staatlicher Kontrolle

Am Ende der 60er-Jahre entwickelt sich in der DDR die Rockmusik. Vorbilder für ostdeutsche Bands sind englische Künstler, unter anderem "Uriah Heep", "Deep Purple" und "Led Zeppelin". Nach der Ära von Walter Ulbricht wird Erich Honecker 1971 Regierungschef der DDR. Er fördert die aufkommende Musikrichtung und kontrolliert sie gleichzeitig durch zahlreiche Institutionen, beispielsweise durch das Komitee für Unterhaltungskunst.

FDJ organisiert politische Konzerte

Ab 1970 organisiert die FDJ unter dem Titel "Festival des politischen Liedes" große Veranstaltungen, um die Jugendbewegung politisch zu beeinflussen und zu kontrollieren. Ab 1982 singen jährlich Künstler auf dem Konzert "Rock für den Frieden" im Berliner "Palast der Republik". Die Regierung plant und prüft auch diese Veranstaltung. Und doch steigt innerhalb der Musikbranche der DDR die "Kapitalisierung". Es entstehen beispielsweise Privatstudios, die DDR-Rockmusik produzieren. Die SED-Führung verliert zunehmend an Einfluss auf die Musikszene.

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Ausschreitungen während 750-Jahrfeier setzt Regierung unter Druck

Anlässlich der 750-Jahrfeier 1987 in West-Berlin singen unter anderem David Bowie und die Band "Genesis" auf dem "Platz der Republik" in unmittelbarer Grenznähe. Mehr als 6.000 Jugendliche versammeln sich rund um das Brandenburger Tor in Ostberlin, um die Musik der Bands zu hören. Die SED-Führung versucht den Einfluss der westlichen Musik zu verhindern, währenddessen protestieren die Fans mit lauten Rufen: "Die Mauer muss weg". Die Polizei geht teilweise gewaltsam gegen die Zuhörer und westliche Journalisten vor und nimmt 158 Personen fest.

Um weitere solcher Vorfälle zu verhindern, entscheidet die SED-Regierung, westliche Interpreten in die DDR zu holen. Unter der Aufsicht und Kontrolle der SED-Regierung treten sogenannte West-Stars in der DDR auf, darunter Bruce Springsteen, Udo Lindenberg, David Bowie, Bob Dylan und Joe Cocker.

West-Stars treten in der DDR auf

Rund 160.000 Fans beim Konzert des amerikanischen Rockmusikers Bruce Springsteen am 19. Juli 1988 in Ost-Berlin. © picture-alliance / dpa Foto: ADN
Zum Bruce-Springsteen-Konzert kommen 1988 rund 160.000 Fans.

Die Künstleragentur der DDR vermittelt, nach Zustimmung des Komitees für Unterhaltungskunst, Musiker für Auftritte in Deutschland. Auch West-Stars arrangieren ihre Veranstaltungen in der DDR mit jener Agentur. Vertreter der Künstleragentur übersetzen fremdsprachige Liedtexte und prüfen ihre Inhalte. Zudem müssen die Künstler den Ablauf der Konzerte detailliert darlegen.

Die Puhdys sind die erste Rockband der DDR, die in West-Deutschland auftreten darf. Am 19. Juli 1988 gibt Bruce Springsteen ein Konzert in Weißensee, circa 160.000 Zuhörer kommen zu der Veranstaltung. Unter dem Titel "Konzert für Nikaragua" wird der "5. FDJ-Rocksommer" eröffnet. Die Regierung stellt die Konzerte stets in einen sozialistischen Zusammenhang und brüstet sich mit dem Erfolg.

Scheitern der DDR-Kulturpolitik

Die DDR-Musik steht unter der strengen Kontrolle der Regierung und soll Jugendliche nach kommunistischen Idealen erziehen. Doch diese Ziele erreicht die Regierung nie. Die zunächst bekämpften Musikrichtungen schränkt die DDR-Führung nach sozialistischen Normen ein und integriert sie in die eigene Musikkultur.

Nach dem Fall der Mauer müssen sich DDR-Musiker mit einer größeren Konkurrenz messen. Viele Bands halten diesem Druck nicht stand und werden bedeutungslos. Einige Bands stellen sich erfolgreich den neuen Herausforderungen: "Die Prinzen" beispielsweise überzeugen Gesamtdeutschland mit ihrer Musik. Erst 1992 treten etablierte Ost-Bands wieder vermehrt auf.

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Unsere Geschichte | 08.07.2008 | 22:00 Uhr

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