Als Jimi Hendrix in Kiel spielte
In den 60er-Jahren wurde im Kieler Star-Palast getanzt. Das Konzept war damals neu, jeden Abend Live-Musik. Vor allem der Auftritt von Gitarren-Legende Jimi Hendrix ist bis heute unvergessen.
Die Gläser und Aschenbecher klirren auf dem Tischen, aus den schwarzen Lautsprecher-Türmen dröhnen die Klänge von "Hey Joe". Auf den roten Cocktailsesseln hält es keinen mehr, alle sind gebannt von dem Mann auf der Bühne. Er trägt die schwarzen Haare als Afro auf dem Kopf, seine Hose ist bunt gestreift und vor allem spielt er Gitarre wie kaum ein anderer vor oder nach ihm: Am 27. Mai 1967 tritt der Weltstar Jimi Hendrix im Star-Palast im Kieler Stadtteil Gaarden-Ost auf. "Er spielte über eine halbe Stunde 'Hey Joe' und da machte er so eine Show draus, ging immer zum Lautsprecher und versuchte, eine Rückkopplung zu erzeugen", erinnert sich Inge Hansen. "Das war so beeindruckend für mich. Ich hatte Gänsehaut", sagt Henrik Maaß, der damals ebenfalls Musik macht.
Kieler Club nach Hamburger Vorbild
Damals kommt die Musik von der Schallplatte. Einmal im Monat läuft im Fernsehen der Beat-Club. Und dann gibt es noch Radio Luxemburg. Auch Inge Hansen sitzt abends vor dem Empfänger. "Mein Vater hat sich immer gewundert, warum ich so lange Hausaufgaben machte", erzählt sie. Als 1964 der Star-Palast in Kiel eröffnet, ist das in der Region ein komplettes Novum. "Mit dem Star-Palast hatte Club-Gründer Manfred Woitalla ein Monopol. So etwas gab es in Kiel gar nicht, dass da Live-Gruppen aus der ganzen Welt auftraten", erinnert sich Maaß. Die meisten Gruppen kommen aus England, aber auch Bands aus Indonesien, Schottland, Irland und den USA spielen auf der legendären Bühne. Der Star-Palast ist täglich geöffnet. Jeden Abend spielt eine Band.
Doch die Idee ist nicht neu: In Hamburg sorgt der dortige Star-Club schon seit 1962 für Furore, bei dessen Eröffnung die Beatles spielten. Und das ist kein Zufall, denn Manfred Weissleder, der Gründer des Star-Clubs und Manfred Woitalla kennen sich. Zuvor hatten sie eine Interessengemeinschaft gegründet, die junge und hoffnungsvolle Bands im Norden aufspürte. Als sich Woitalla allerdings entschließt, nach einem ähnlichen Konzept wie der Hamburger, einen Club zu gründen, kommt es zum Rechtsstreit, den der Kieler gewinnt.
Eintritt: Eine Mark
Der Club im Karlstal 42, von dem es nur wenige Fotos gibt, wird zum Publikumsmagneten. Es gibt Schwarzlicht, über der Tanzfläche schwebt eine Diskokugel. "Damals wurden drei Stücke gespielt und dann konnte man sich unterhalten", erinnert sich Inge Hansen. An kleine Nierentischen können die Tänzer sich zwischen den Stücken setzen und etwas trinken. Der Eintritt kostet meistens eine Mark - es sei denn der große Jimi Hendrix steht auf der Bühne. "Das kostete damals fünf Mark", erinnert sich Inge Hansen.
Club statt im großen Stadion
Auch Eric Claptons Band Cream spielt auf der Star-Palast-Bühne. "Eigentlich wollten wir nur tanzen gehen. Aber als die Band zu spielen begann, versammelten wir uns um die Bühne. Ginger Baker, der damals als bester Schlagzeuger der Welt galt, trommelte eine Stunde lang auf seinem Schlagzeug rum und wurde immer schneller. Wir konnten nicht tanzen, wir mussten zugucken", erinnert sich Inge Hansen. "Im Star-Palast konzentrierte sich da die Musik der Zeit. Und zwar auf einem Niveau, das es unter lokalen Bands nicht gibt. Und das alles in einer Club-Atmosphäre. Heute sind das große Stadien", erzählt Hendrik Maaß.
The Who aus Kiel
Henrik Maaß spielt selbst auf der Star-Palast-Bühne. Das erste Mal im Rahmen eines großen Kapellenwettbewerb im Jahre 1964, den die Band aber verlor. Damals waren Henry und seine Bandmitglieder schon kleine Berühmtheiten in Kiel und Umgebung, weil sie bei einem Kapellenwettstreit in der Ostseehalle für Furore gesorgt hatten.
Dabei hatte der Drummer das Resonanzfeld seines Schlagzeugs herausgetreten und der Sänger den Mikrofonständer umgeschmissen. Der Auftritt erinnerte entfernt an The Who, die dafür berühmt waren, ihre Gitarren zu zerstören. "Das konnten wir uns natürlich nicht leisten", berichtet Maaß und lacht. Nach dem Auftritt sind Henry and the Dukes lokale Berühmtheiten. "Jeder Veranstalter hat uns dann gebucht und gehofft, dass wir etwas kaputt machen und das ging natürlich nicht", erzählt Maaß.
Die Dukes stehen in Woitallas Club aber nur dann auf der Bühne, wenn Not am Mann ist. "Normalerweise traten da ja nur englische Bands auf. Die wurden dann für einen Monat gebucht", erinnert sich Maaß.
Hendrix kommt noch einmal zurück nach SH
Im Star-Palast ist Maaß vor allem als Fan unterwegs, der sich inspirieren lässt. "Ich stellte mich immer nah an die Bühne, dann konnte ich sehen, was die Musiker spielten, dann ging ich nach Hause und spielte es da nach." Nur der Gig von Jimi Hendrix bringt ihn komplett aus dem Konzept: "Vier Wochen nach dem Auftritt konnte ich kein Instrument anfassen, weder Bass, noch Gitarre. So wie der Gitarre gespielt hat, sowas habe ich vorher noch nicht gesehen - mit den Zähnen, hinter dem Rücken." In der Pause, zwischen den Auftritten Hendrix’, besorgt sich Henry sogar ein Autogramm des Weltstars - der unterschreibt auf einem Stück Tapete, das ein Kumpel von Maaß von der Wand reißt.
Jimi Hendrix kommt noch einmal nach Schleswig-Holstein zurück - 1970 zum Fehmarn Festival. Kurze Zeit später stirbt er. Der Ära des Star-Palasts endet mit dem Jahreswechsel 1968/69. Live-Musik ist nicht mehr angesagt. Die Leute wollen lieber Musik von der Platte in der Disko hören.