Star-Club in Hamburg: "Die damalige Zeit war einmalig"
Zur Eröffnung am 13. April 1962 spielten die Beatles, später auch Jimi Hendrix: Im Hamburger Star-Club wurde Musikgeschichte geschrieben. Doch 1969 war schon wieder Schluss. Zum 55. Jahrestag der Eröffnung sprach NDR.de 2017 mit Fotograf Robert Günther, der die intensive Zeit hautnah miterlebte.
"Besondere Momente im Star-Club? Da gab es ganz viele. Einer war, als mich Jimi Hendrix mit seiner Gitarre weggeschubst hat, als ich neben ihm auf der Bühne stand", erinnert sich Robert Günther. Ab 1966 war er mehr als drei Jahre lang Stammgast im legendären Livemusik-Club in der Großen Freiheit auf dem Hamburger Kiez und erlebte als Fotograf ein Stück Musikgeschichte mit. "Das war schon außergewöhnlich damals. Ich war mehrmals in der Woche da, es war wie ein paralleles Leben. Meine Mutter hat mich immer gefragt: 'Was machst du dort denn immer die ganze Nacht?' Aber ich würde alles genau so wieder machen", sagt Günther augenzwinkernd im Gespräch mit NDR.de.
Star-Club als Trittbrett - "Einfach der Hammer"
"Er war schon einmalig - einfach der Hammer. So etwas gab es vorher noch nicht. Heute gibt es viele Alternativen - damals nicht." Alle Bands seien plötzlich nach Hamburg gekommen. Der Club sei ein Trittbrett für große Karrieren gewesen. Sänger Graham Bonney habe beispielsweise gesagt: "Gehe nach Hamburg, da wirst du berühmt."
The Beatles spielten zur Eröffnung
Für rund sieben Jahre war der Star-Club, der am 13. April 1962 eröffnete, einer der wichtigsten Musik-Clubs der Welt. An sieben Tagen in der Woche wurde von mehreren Bands Beat und Rock 'n' Roll gespielt - bis in die frühen Morgenstunden. Am ersten Abend spielten auch die Beatles. Dabei hatten sie erst nach ihrer Ankunft in Hamburg erfahren, dass das ehemalige Band-Mitglied Stuart Sutcliffe am 10. April an einer Hirnblutung gestorben war. Insgesamt 79 Mal standen die "Fab Four" aus Liverpool bis Ende 1962 auf der Bühne des Star-Clubs und starteten hier ihre Weltkarriere. Auch Legenden wie Jimi Hendrix, The Searchers, Tony Sheridan, Bill Haley, Chuck Berry, Jerry Lee Lewis, Little Richard, The Rattles, Cream, Ray Charles, Fats Domino oder Manfred Mann spielten in dem Hamburger Kult-Club.
Fascher hat die Idee - Weissleder das Geld
Die Idee zum Star-Club hatte Horst Fascher, der Ende der 1950er-Jahre als Aufpasser und Tresenmann im Kaiserkeller arbeitete, wo damals schon viel Live-Musik gespielt wurde. Fascher lernte Anfang der 1960er-Jahre Manfred Weißleder, Besitzer einiger Kneipen und Stripteaseläden, kennen. Dieser wandelte sein Stern-Kino in den Star-Club um. Weissleder hatte das Geld, Fascher die nötigen Kontakte. "Wir haben damals etwas angefangen, was in der Jugend brodelte", sagt Fascher. "Deshalb stand auf dem Eröffnungsplakat auch: 'Die Not hat ein Ende! Die Zeit der Dorfmusik ist vorbei!' Als wir den Laden aufmachten, knallte es." Zwei bis fünf Mark kostete der Eintritt. Knapp 1.000 Zuschauer passten in den Saal, etwa eine Million waren es pro Jahr. Sie wollten die Musiker sehen, die sie nur aus dem Radio kannten.
Besondere Atmosphäre und gute Stimmung
Robert Günther beschreibt die Stimmung und Atmosphäre als speziell: "Der Club hatte auch Sitzplätze, aber es wurde viel getanzt - natürlich auch gequalmt und gesoffen. Ab und zu gab es auch Prügeleien, aber das war ja normal", so der Fotograf. Es seien auch einige Touristen da gewesen, "aber die konnte man immer gut von den Musikfans unterscheiden". Der Star-Club sei fast immer gut gefüllt gewesen. "Bei dem besagten Hendrix-Konzert war es komischerweise gar nicht so voll. Aber ich konnte sowieso nie etwas mit seiner Musik anfangen", erklärt Günther. Vielleicht ja auch, weil er vom späteren Weltstar so ruppig behandelt worden war. Besser gefiel ihm der Auftritt von Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich. "Die sind vor Begeisterung ins Publikum gesprungen. Das war ein Highlight."
Erstes Konzert 1966 - Beatles verpasst
Sein erstes Konzert war der Auftritt der Spencer Davies Group 1966. "Da habe ich auch meine ersten Fotos gemacht. Ich war leider insgesamt ein bisschen spät dran. Andere Fotografen wie Günther Zint waren schon viel eher da. Die Zeit der Beatles habe ich leider verpasst", ärgert sich Günther, der nach und zwischen den Konzerten häufig mit den Musikern bei "Gretel & Alfons" in der Großen Feiheit einkehrte und sich mit einigen Bands anfreundete. Der Laden war zuvor auch jahrelang die Stammkneipe der Beatles gewesen. "Da hat sich fast nichts verändert seit damals, da hängen seit über 40 Jahren auch Bilder von mir", sagt der gebürtige Schwarzwälder.
Aus dem Schwarzwald in die Weltstadt
Günther war am 31. Mai 1956 aus Königsfeld nach Hamburg gekommen. "Es war morgens um 6 Uhr an meinem 10. Geburtstag, das weiß ich noch genau", sagt Robert Günther. "Meine Mutter ist Hamburgerin und wollte wieder zurück in die Heimat. "Für mich war in Hamburg natürlich alles neu und groß - ist ja klar, wenn man vom Dorf in die Stadt kommt". Günther machte eine Ausbildung als Fotolaborant und Bildjournalist und nutzt seine Besuche im Star-Club, "um einfach zum Spaß Fotos zu machen". Er entwickelte so auch eine Leidenschaft zur Musik und war schon bald Stammgast. "Die Fotos konnte ich glücklicherweise bei uns in der Wohnung selbst entwickeln", so Günther. "Fotos im Star-Club zu machen, war damals gar nicht so einfach - ohne Blitzlicht und alles analog. Da waren am Anfang einige Bilder verwackelt."
Rebellion gegen Elternhaus und Gesellschaft
Für Günther war der Star-Club weit mehr als nur ein Musikclub. "Es war auch Rebellion und Protest gegen das Elternhaus und gegen gesellschaftliche Zwänge." Für viele Eltern war die Musik ihrer Kinder Lärm. Ihnen passte es zudem nicht, dass diese sich auf dem Kiez herumtrieben. Sie waren deshalb gegen den Club. Für die Jugendlichen war er dagegen ein Stück Freiheit in der von Autoritäten und Zwängen geprägten Zeit.
"Sie haben alles versucht, den Laden dicht zu kriegen"
Legendär wurde der Star-Club auch, weil er Ordnungshütern ebenfalls ein Dorn im Auge war und sie versuchten, Inhaber Manfred Weißleder das Leben mit immer neuen Auflagen und Ausweiskontrollen der Gäste schwer zu machen. "Es gab viele Polizeikontrollen", erinnert sich Günther. Er sei auch einmal nicht in den Laden gekommen, weil die Polizei ihn kurzfristig abgeriegelt hatte. "Der Club war verhasst bei den Behörden und auch bei vielen Politikern. Sie haben alles versucht, den Laden dicht zu kriegen. Sie hatten ihn auf dem Kieker." Um 22 Uhr mussten alle Gäste unter 18 Jahren den Club verlassen. Aber das hätten natürlich viele versucht zu umgehen oder wären mit Tricks wieder hereingekommen. Allerdings war die damals bundesweit einmalige Jugendschutztruppe in Hamburg im Star-Club im Dauereinsatz - und das sehr hartnäckig.
Heute erinnert nur noch Gedenkstein an den Star-Club
Ende der 1960er-Jahre kamen weitere Probleme hinzu. Die Zeiten änderten sich. Die aufkommenden Diskotheken machten dem Star-Club das Leben schwer. Rockgruppen spielten zudem in größeren Hallen und waren zu teuer für kleine Clubs. Es kamen immer weniger Leute, die Bands konnten nicht mehr bezahlt werden. Silvester 1969 musste der Star-Club schließen. Nachmieter wurde das Erotik-Theater Salambo. Am 18. Februar 1983 wurde das Haus durch ein Großfeuer vernichtet. 1978 versuchte Horst Fascher am Großneumarkt mit einer Star-Club-Neueröffnung sein Glück - und scheiterte. "Die damalige Zeit im Star-Club war eben einmalig. So etwas lässt sich eben nicht so leicht wiederholen und nachmachen", sagt Robert Günther, der auch heute noch eine Fan-Seite betreut. In der Großen Freiheit 39 erinnert nur noch eine Gedenktafel an das einstige Mekka der Rock-Musik.