Schüler bringen Grenzgeschichte auf die Bühne
"Wann starten wir denn nun endlich?" Die Schüler der Theater AG des Deutschen Gymnasiums in Apenrade aus Dänemark sind bereits in vollem Kostüm und werden langsam ungeduldig. Doch an der Bühne müssen die Techniker noch mal Hand anlegen und die Scheinwerfer neu ausrichten. Dabei ist das heute die Generalprobe. Und dann auch noch an so einem besonderen Ort. Der Schleswig-Holstein-Saal im Landeshaus in Kiel wurde kurzerhand zum Theater umfunktioniert, ein weiterer Saal dient als Maske und Garderobe für die Requisiten. Das Stück, das im Landtag seine Premiere feiern soll, ist eine ambitionierte Produktion: Eineinhalb Jahre haben Schüler und Lehrer des Deutschen Gymnasiums am Drehbuch von "Amphibien" gearbeitet und zusammen geprobt.
Unterstützt wurden sie dabei von Studierenden der Europauniversität Flensburg. Vom Landtag gab es Geld. Die Studierenden nähten Kostüme und gestalteten eine begleitende Ausstellung zum Stück. Dort zeigen sie unter anderem einen Nachbau der Brücke des wohl bekanntesten Grenzübergangs an der deutsch-dänischen Grenze, der "Schusterkate" bei Krusau.
Roman "Riss durch's Festland" dient als Vorlage
Im Kern geht es in "Amphibien" um die wechselvolle Geschichte der deutsch-dänischen Grenze und die Abstimmungen vor knapp 100 Jahren. Als Vorlage diente der Roman "Riss durch's Festland" von Uwe Pörksen. "Wir haben ein paar geschichtliche Sachen aus seinem Roman herausgenommen, ebenso Texte aus dem Friedensvertrag von Versailles und Auszüge aus einem kriegschirurgischen Handbuch", sagt Lehrer Jürgen Schultze. Er hat zusammen mit der Schülerin Stella Sina die Textvorlage erarbeitet.
Die Grenzgeschichte aus "junger" Perspektive
Stella übernimmt im Stück gleich zwei Rollen. Zum einen spielt sie die 20-jährige Anna-Kathrine, die Ende des 19. Jahrhunderts in der deutschen Minderheit aufwächst und den aufkeimenden Nationalismus und die Spannungen zwischen Dänemark und Preußen hautnah miterlebt. In der zweiten Erzählebene verfrachtet sie ihre Rolle in die Gegenwart. Das Setting: eine deutsch-dänische Wohngemeinschaft in Kopenhagen. Stella war es wichtig, dass das Stück nicht nur in der Vergangenheit spielt, sondern auch in ihrer heutigen Lebenswelt. "Uns betrifft dieses Stück ja direkt. Wir sind ja schließlich ein Produkt dieses alten Grenzkonfliktes. Ich rede deutsch, bin aber dänische Staatsbürgerin und jetzt sind wir gerade in Kiel. Identitätsmäßig sind wir irgendwie schon ein komisches Gemisch."
"Amphinien" - eine Metapher auf das Leben an der Grenze
Endlich ist die Bühne fertig, die Generalprobe kann losgehen. Wesen in weißen Gewändern und übergroßen Froschhänden erscheinen auf der Bühne. Es sind die Namensgeber des Stückes - die "Amphibien": Sie leben in der deutschen und dänischen Kultur gleichermaßen - eine Metapher auf das Leben der Minderheiten in der Grenzregion. Die Figuren werden die Zuschauer im weiteren Verlauf begleiten. Auch in anderen Rollen: Mal sind sie ein Chor, dann eine aufgebrachte Menschenmasse oder verletzte Soldaten.
Ein Zeichen gegen Nationalismus
In "Amphibien" zeigen die Schüler aus Apenrade, in welchem Spannungsfeld sich die Minderheiten in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bewegten, bewegen und bewegen werden. Sie zeigen die Schrecken von Krieg, Ausgrenzung und Verfolgung und hinterfragen ihre eigene Identität. "Amphibien" zeigt die Geschichte der Minderheiten aus einer "jungen" Perspektive. "Ich bin deutsch, ich bin dänisch, ich bin Mensch." Mit diesen Worten enden die Schüler ihre Inszenierung und zeigen damit Haltung gegenüber nationalistischen Tendenzen.
Das Theaterstück tourt in den kommenden Wochen durch den Norden Schleswig-Holsteins und den Süden Dänemarks.