Protest gegen Rechtsextremismus in SH: Mit Kindern zur Demo?

Stand: 07.02.2024 05:00 Uhr

Am vergangenen Wochenende haben wieder Tausende in Schleswig-Holstein gegen Rechtsextremismus demonstriert - darunter viele Eltern mit ihren Kindern. Gut so, sagen Expertinnen und Experten. Eltern sollten allerdings gerade kleinere Kinder nicht als "Litfaßsäulen" für politische Parolen benutzen.  

von Astrid Wulf

Demonstration gegen Rechtsextremismus am vergangenen Wochenende in Lübeck. Kinder laufen nicht nur mit, viele tragen farbenfroh gestaltete Schilder und Plakate: "Wir lieben Bunt", "F*ck AfD", ein Mädchen hält bei der Kundgebung vor dem Theater Lübeck "Kein Marzipan für Nazis" in die Höhe.

Eine Familie, welche zusammen an einer Demo gegen Rechtsextremismus teilnimmt. © NDR Foto: Astrid Wulf
Familie Heilmann demonstriert in Lübeck - "gegen die Nazis", sagt der achtjährige Leon.

Katrin und Karl Heilmann sind mit dem achtjährigen Leon und dem dreijährigen Jonas auf die Straße gegangen. "Wir demonstrieren gegen die Nazis", sagt Leon. "Die sagen, dass die, die nicht hier geboren sind, weg sollen." Zuhause werde auch über Rechtsextremismus gesprochen, sagt seine Mutter Katrin: "Wir versuchen, das Thema präsent zu halten."

Eltern: Kinder bekommen viel mit

Aicha und Gerrit nehmen mit ihren Söhnen Kalle und Hanno an der Demonstration teil. Bis zur Abschlusskundgebung vor dem Stadttheater haben die beiden Jungs durchgehalten. Sie haben schon Routine, sagt Vater Gerrit: Es sei ihre dritte gemeinsame Demo - und es habe auch ganz pragmatische Gründe, dass die Kinder mitzunehmen. "Wir müssen schauen, wie wir die Betreuungssituation bewältigen. Und ich finde es richtig, einem Sechsjährigen zu zeigen, dass man für seine Meinung auf die Straße gehen darf - dass es ein wichtiger Grundsatz unserer Demokratie ist."

Die Eltern hätten sich mit ihm Beiträge im Kinderkanal über Alltagsrassismus angeschaut, erzählt Mutter Aicha. Er habe einiges mitbekommen - sogar die Berichte über die sogenannten "Remigrationspläne" der AfD: "Er sagt: Ich will nicht, dass die Mama gehen muss. Das beschäftigt ihn schon." Deshalb sei es auch ihm wichtig, auf die Straße zu gehen.

Kinderschutzbund Lübeck: Auch kleinere Kinder können mitdemonstrieren

Dass Schülerinnen und Schüler auf die Straße gehen, sei sinnvoll, sagte Paula Diehl im Schleswig-Holstein Magazin. Sie ist Professorin für politische Theorie, Ideengeschichte und politische Kultur an der Uni Kiel: "Die Möglichkeit, mit anderen zusammen für etwas auf die Straße zu gehen - in dem Fall Toleranz und das Gleichheitsprinzip - bringt sie weiter. Später kann man daran anknüpfen und politisch aktiv werden." Nicola Ingo Leuschner vom Lübecker Kinderschutzbund findet: Eltern könnten auch kleinere Kinder mit auf Demonstrationen nehmen - Demokratiebildung finde ja auch schon in der Kita statt. Vorher sollten Eltern altersgerecht erklären, worum es dabei geht - vorausgesetzt, die Kinder interessieren sich dafür.

Der Kinderschutzbund Niedersachsen hatte vor drei Jahren Eltern kritisiert, die gemeinsam mit ihren Kindern gegen die Corona-Schutzmaßnahmen auf die Straßen gegangen sind und vor "politischem Missbrauch" der Kinder gewarnt. Leuschner macht sich bei den aktuellen Demos gegen Rechtsextremismus keine Sorgen, dass Kinder instrumentalisiert werden könnten. Er sieht es lediglich kritisch, wenn gerade kleine Kinder mit Schildern behängt werden: "Kinder sollten nicht als Litfaßsäulen missbraucht werden. Sprüche in die Luft zu heben: Wunderbar, aber nutzt nicht eure Kinder dafür."

Dazu sollten Eltern im Blick haben, dass sich die Kinder auf der Demo wohl fühlen und nicht langweilen - und dass die Stimmung entspannt ist. Auch Hannos und Kalles Mutter Aicha würde ihre Jungs nur auf friedliche Demos mitnehmen: "Wenn ich wüsste, dass es zu Ausschreitungen kommen könnte, würde ich es mir genauer überlegen."

 

Weitere Informationen
Mehrere tausend Menschen bei deiner Demonstration gegen rechts und Faschismus in Plön © Daniel Friederichs Foto: Daniel Friederichs

Demo gegen Rechtsextremismus sorgt in Plön für B76-Sperrung

Am Sonntag sind in Flensburg, Bad Bramstedt und dem Kreis Plön wieder Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. mehr

Sonja Anders, Intendantin des Schauspiel Hannover © Staatstheater Hannover / Katrin Ribbe Foto: Katrin Ribbe

Sonja Anders über Correctiv-Enthüllungen: "Müssen uns in Allianzen finden"

Die "Correctiv"-Enthüllungen wurden in einer Szenischen Lesung auf die Bühne gebracht, zu sehen auch im Schauspiel Hannover. Intendantin Sonja Anders im Gespräch. mehr

Politikwissenschaftlerin Prof. Paula Diehl von der CAU Kiel im NDR Interview. © Screenshot
3 Min

Wie wichtig sind die Demos gegen Rechtsextremismus?

Politikwissenschaftlerin Paula Diehl sieht in den Protesten ein großes Signal, das auf mehreren Ebenen gesellschaftlich wirken kann. 3 Min

Auf dem Schweriner Marktplatz hat sich eine Menschenmenge versammelt, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. © Milad Kuhpai / NDR

Breiter Protest gegen rechts - eine dauerhafte Bewegung?

Tausende demonstrieren derzeit gegen die AfD und einen bekannt gewordenen Plan zur "Remigration". Was treibt die Menschen an, die dagegen auf die Straße gehen? mehr

Eine junge Frau blickt in die Kamera bei einer Demo gegen Rechtsextremismus in Henstedt-Ulzburg. © NDR Foto: Verena Sens

Demos gegen Rechtsextremismus: Plötzlich nicht mehr allein

"Mia" organisiert seit Jahren Proteste gegen die AfD in Henstedt-Ulzburg, oft war das ermüdend. Nun kamen Tausende zur Demo. Was das mit ihr macht. mehr

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 30.01.2024 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Migration

Rechtsextremismus

AfD

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

verschneite Straßen in Flensburg © NDR Foto: Ben Armstrong

Wetter in SH: Unfälle nach erstem Schneefall und Glätte

Die Polizei im Land warnt vor glatten, verschneiten Straßen. Überall hat es vereinzelt Unfälle gegeben. mehr

Videos

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?