Protest gegen Rechtsextremismus in SH: Mit Kindern zur Demo?
Am vergangenen Wochenende haben wieder Tausende in Schleswig-Holstein gegen Rechtsextremismus demonstriert - darunter viele Eltern mit ihren Kindern. Gut so, sagen Expertinnen und Experten. Eltern sollten allerdings gerade kleinere Kinder nicht als "Litfaßsäulen" für politische Parolen benutzen.
Demonstration gegen Rechtsextremismus am vergangenen Wochenende in Lübeck. Kinder laufen nicht nur mit, viele tragen farbenfroh gestaltete Schilder und Plakate: "Wir lieben Bunt", "F*ck AfD", ein Mädchen hält bei der Kundgebung vor dem Theater Lübeck "Kein Marzipan für Nazis" in die Höhe.
Katrin und Karl Heilmann sind mit dem achtjährigen Leon und dem dreijährigen Jonas auf die Straße gegangen. "Wir demonstrieren gegen die Nazis", sagt Leon. "Die sagen, dass die, die nicht hier geboren sind, weg sollen." Zuhause werde auch über Rechtsextremismus gesprochen, sagt seine Mutter Katrin: "Wir versuchen, das Thema präsent zu halten."
Eltern: Kinder bekommen viel mit
Aicha und Gerrit nehmen mit ihren Söhnen Kalle und Hanno an der Demonstration teil. Bis zur Abschlusskundgebung vor dem Stadttheater haben die beiden Jungs durchgehalten. Sie haben schon Routine, sagt Vater Gerrit: Es sei ihre dritte gemeinsame Demo - und es habe auch ganz pragmatische Gründe, dass die Kinder mitzunehmen. "Wir müssen schauen, wie wir die Betreuungssituation bewältigen. Und ich finde es richtig, einem Sechsjährigen zu zeigen, dass man für seine Meinung auf die Straße gehen darf - dass es ein wichtiger Grundsatz unserer Demokratie ist."
Die Eltern hätten sich mit ihm Beiträge im Kinderkanal über Alltagsrassismus angeschaut, erzählt Mutter Aicha. Er habe einiges mitbekommen - sogar die Berichte über die sogenannten "Remigrationspläne" der AfD: "Er sagt: Ich will nicht, dass die Mama gehen muss. Das beschäftigt ihn schon." Deshalb sei es auch ihm wichtig, auf die Straße zu gehen.
Kinderschutzbund Lübeck: Auch kleinere Kinder können mitdemonstrieren
Dass Schülerinnen und Schüler auf die Straße gehen, sei sinnvoll, sagte Paula Diehl im Schleswig-Holstein Magazin. Sie ist Professorin für politische Theorie, Ideengeschichte und politische Kultur an der Uni Kiel: "Die Möglichkeit, mit anderen zusammen für etwas auf die Straße zu gehen - in dem Fall Toleranz und das Gleichheitsprinzip - bringt sie weiter. Später kann man daran anknüpfen und politisch aktiv werden." Nicola Ingo Leuschner vom Lübecker Kinderschutzbund findet: Eltern könnten auch kleinere Kinder mit auf Demonstrationen nehmen - Demokratiebildung finde ja auch schon in der Kita statt. Vorher sollten Eltern altersgerecht erklären, worum es dabei geht - vorausgesetzt, die Kinder interessieren sich dafür.
Der Kinderschutzbund Niedersachsen hatte vor drei Jahren Eltern kritisiert, die gemeinsam mit ihren Kindern gegen die Corona-Schutzmaßnahmen auf die Straßen gegangen sind und vor "politischem Missbrauch" der Kinder gewarnt. Leuschner macht sich bei den aktuellen Demos gegen Rechtsextremismus keine Sorgen, dass Kinder instrumentalisiert werden könnten. Er sieht es lediglich kritisch, wenn gerade kleine Kinder mit Schildern behängt werden: "Kinder sollten nicht als Litfaßsäulen missbraucht werden. Sprüche in die Luft zu heben: Wunderbar, aber nutzt nicht eure Kinder dafür."
Dazu sollten Eltern im Blick haben, dass sich die Kinder auf der Demo wohl fühlen und nicht langweilen - und dass die Stimmung entspannt ist. Auch Hannos und Kalles Mutter Aicha würde ihre Jungs nur auf friedliche Demos mitnehmen: "Wenn ich wüsste, dass es zu Ausschreitungen kommen könnte, würde ich es mir genauer überlegen."