Letzte-Hilfe-Kurse - am Ende wissen, wie es geht

Stand: 22.12.2022 05:00 Uhr

Einen Erste-Hilfe-Kurs machen wir alle mindestens ein Mal beim Führerschein mit. Dort lernen wir, wie man Menschenleben in Notsituationen rettet. Aber es gibt auch Letzte-Hilfe-Kurse. Dabei geht es darum, am Ende zu wissen, wie es geht. Wir haben einen Kurs in Schleswig besucht.

von Kati Bochow

Es ist ein schlichter Konferenzraum in einer Klinik in Schleswig. Sonnabend morgens um 10 Uhr treffen sich hier sechs Teilnehmer mit den Kursleitern. Sie haben in den kommenden vier Stunden ein Thema vor sich, dass man nicht bei jedem Treffen mit Freunden bespricht: das Sterben, den Tod von nahen Angehörigen oder auch den eigenen Tod.

Sie können nichts falsch machen

Jannik Hein, Kursteilnehmer vom Letzte-Hilfe-Kurs. © NDR
Jannik Hein fühlte sich nach dem Tod seines Großvaters zerrissen und verwirrt und sagt: "Man denkt in solchen Situationen auch über seinen eigenen Tod nach."

Der Abschied vom Leben ist der schwerste, den die Lebensreise für einen Menschen bereithält. Deshalb braucht es, wie auf allen schweren Wegen, jemanden der einem die Hand reicht. Diese Hand zu reichen, erfordert Mut und Wissen. Und genau das vermitteln die Letzte-Hilfe-Kurse. Mit dabei ist Jannik Hein - zuletzt ist der Opa des 32-Jährigen verstorben und deshalb ist er hier. "Ich möchte einfach lernen, wie ich mit so einer Situation umgehen kann und wie ich demjenigen auch helfen kann." Kursleiterin Marina Schmidt gibt den Teilnehmern als erstes einen einfachen, aber wichtigen Tipp mit auf den Weg: "Sie können nichts falsch machen, außer nichts zu tun - das ist wie bei der Ersten Hilfe."

Das Lebensende macht oft hilflos

Viele sind unsicher, wissen in dem Moment nicht, was zu tun ist. Auch Jannik Hein ging es so: "Ich fühlte mich zerrissen, verwirrt, man denkt in solchen Situationen auch über seinen eigenen Tod nach." Genau da sollen diese Kurse weiterhelfen. Die Idee dazu hatte der Palliativmediziner Dr. Georg Bollig aus Schleswig. Seit 2015 gibt es die Kurse in Deutschland. "Ich erlebe immer wieder, dass Menschen einfach nicht wissen, wen sie kontaktieren sollen. Bei Erster Hilfe wissen wir: 112 wählen und dann bekommen wir Hilfe. Am Lebensende aber sind wir oft hilflos und wissen nicht, wenn wir anrufen können. Im Kurs lernen die Teilnehmer, dass man zum Beispiel einfach den Hausarzt anrufen kann, es gibt aber auch Palliativteams oder Hospize, die helfen. Dann sind die Menschen einfach gestärkt und fühlen sich auch vorbereitet auf die Situation."

Kursleiterin gibt viele Tipps, um Leiden zu lindern

Marina Schmidt, Leiterin vom Letzte-Hilfe-Kurs. © NDR
Kursleiterin Marina Schmidt sagt: "Einen Menschen auf dem letzten Lebensweg zu begleiten ist keine Geheimwissenschaft."

Die Kursleiterin Marina Schmidt vermittelt vor allem Basiswissen über das, was im Körper beim Sterben passiert. Und sie gibt viele einfache Handgriffe weiter. "Ich möchte gerne, dass die Teilnehmer sich bestärkt fühlen und das sie merken, einen Menschen auf dem letzten Lebensweg zu begleiten ist keine Geheimwissenschaft. Das kann wirklich jeder tun. Jeder, der ein Herz hat, sich dem Menschen zuwenden möchte, kann das tun. Das ist ein Akt der Mitmenschlichkeit." Denn Zuwendung ist das, was Menschen am Ende ihres Lebens am meisten brauchen. Im Kurs sprechen die Menschen über die Normalität des Sterbens als Teil des Lebens, natürlich werden auch Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht thematisiert. Außerdem geht es darum, wie man selbst mit den schwereren, aber auch den leichteren Stunden umgeht. Am Ende überlegen alle gemeinsam, wie man Abschied nehmen kann und besprechen auch, wo eigene Möglichkeiten aber auch eigene Grenzen liegen.

Beliebte Geschmäcker geben Geborgenheit

Letzte Hilfe kann auch aktiv sein: durch die Mundpflege zum Beispiel: "Kaffee, Tee, Rotwein, Cola oder auch Wasser - mit allem können sie Mundpflege machen", erklärt Marina Schmidt den Teilnehmern. Gerade beliebte Geschmäcker geben den Sterbenden noch einmal ein Gefühl von Geborgenheit. Einfach mit einem kleinen Schwamm oder Lappen vorsichtig auf die Lippen geben. Das hilft vielen schon sehr, da gerade am Ende das Atmen schwerfällt und der Mund dadurch oft trocken ist.

Einfach Dasein und das Sterben aushalten

Am Ende einfach Dasein - das sei das einfachste und gleichzeitig auch das Schwierigste für die Begleitenden. Verständlicherweise wollen Angehörige gern etwas zu tun und würden den Sterbenden zum Beispiel immer wieder fragen, ob er nicht etwas essen möchte. Dann organisieren sie eine Currywurst, weil der Schwerkranke gerade darauf Appetit hat. Bis die Currywurst am Bett ist, ist ihm der Appetit aber vielleicht schon wieder vergangen oder er schafft nur einen winzigen Bissen. Es gibt da einen Spruch - erzählt Marina Schmidt: "Man stirbt nicht, weil man aufhört zu essen und zu trinken. Man hört auf zu essen und zu trinken, weil man stirbt". Eine einfache Wahrheit, die doch schwer zu akzeptieren ist.

Die Idee aus Schleswig ist ein Erfolg

Mehr als 50.000 Menschen haben bisher an den Letzte-Hilfe-Kursen teilgenommen. Mittlerweile gibt es diese Kurse in 20 Ländern weltweit. Jannik Hein hat an diesem Vormittag viel Wissen mitgenommen: "Es sind auch einige Fragen aufgekommen, die ich mir aber nur selbst beantworten kann." Auf jeden Fall möchte er auch im Bekanntenkreis versuchen, mehr über dieses Thema zu sprechen. Am Ende erhält er ein Zertifikat über seine Teilnahme. Mit ihm haben an diesem Vormittag in Schleswig wieder sechs Teilnehmer gelernt, wie man Menschen auf ihrer letzten Lebensreise begleiten kann.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Schleswig-Holstein Magazin | 22.12.2022 | 19:30 Uhr

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