Friedrich von Esmarch: Der Ausnahmemediziner aus Tönning

Stand: 09.01.2023 05:00 Uhr

Friedrich von Esmarch hat neue Methoden für die Kriegs- und Unfallmedizin eingeführt und war Mitbegründer der Ersten Hilfe in Deutschland. Heute vor 200 Jahren wurde er im nordfriesischen Tönning geboren.

von Janina Harder

Friedrich von Esmarch ist schon zu Lebzeiten einer der bekanntesten deutschen Ärzte und einer der bedeutendsten Unfallchirurgen seiner Zeit. In der Landesbibliothek in Kiel lagern viele Schätze aus seinem Leben: Portraitbilder des Mediziners, von ihm verfasste Original-Erste-Hilfe-Anleitungen und zahlreiche Abbildungen seiner Erfindungen.

Ohne Adelstitel geboren in Nordfriesland

Am 09. Januar 1823 wird er als Johann Friedrich August Esmarch in Tönning (Kreis Nordfriesland) geboren. Erst später, 1887, wird er vom Kaiser geadelt werden und heißt dann so, wie man ihn heute kennt: Friedrich von Esmarch. Er stammt aus einer alten schleswig-holsteinischen Pastoren- und Juristenfamilie. Bereits 1830 zieht die Familie nach Rendsburg, wo der Vater als Arzt tätig ist. Der junge Friedrich schlägt dieselbe Berufsrichtung ein, studiert zuerst an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), später in Göttingen.

Vom mittelmäßigen Schüler zur Medizinkoryphäe

"Wie viele bedeutende Mediziner war von Esmarch nur ein höchst mittelmäßiger Schüler, der nach heutigen Maßstäben niemals zum Medizinstudium zugelassen worden wäre", schreibt Professor Christian Andree in einem Artikel über die Geschichte der Klinik für Unfallchirurgie. "Erst während des Studiums zeigten sich nämlich die Begabung und das Interesse von Esmarchs für die Medizin. Er hatte allerdings auch die besten Lehrer, die man sich in jener Zeit denken kann, nämlich Bernhard Rudolf Konrad von Langenbeck, der 1847 in Kiel die Äthernarkose einführte, und Georg Friedrich Louis Stromeyer, bei dem von Esmarch sich habilitieren konnte", so der Kieler Medizinhistoriker. Seine beiden Lehrer sind im Erhebungskrieg bei dem Aufbau des Sanitärdienstes in der schleswig-holsteinischen Armee tätig.

Es sind kriegerische Zeiten, in denen der jungen Medizinstudent Friedrich von Esmarch im Jahr 1848 erste Erfahrungen als Feldarzt sammelt. Wenn ein Soldat in der Schlacht verletzt wird, ist es schwierig, ihn zu bergen, ohne die Verletzungen weiter zu verschlimmern. In der Regel bleibt er liegen und wird irgendwann von der Zivilbevölkerung abtransportiert. Dann ist es meistens schon zu spät.

Geprägt durch das Leid in den deutsch-dänischen Kriegen

Jens Ahlers ist der ehemalige Direktor der Landesbibliothek Kiel. Der Historiker hat sich viele Jahrzehnte lang mit dem Leben der Medizinkoryphäe von Esmarch beschäftigt. "Die Erste Hilfe und das Samariterwesen gehen auf seine langjährigen Erfahrungen in verschiedenen deutsch-dänischen Kriegen zurück", erklärt Ahlers. "Er hat also von morgens bis abends nur Amputationen gemacht. Und natürlich hat man dann irgendwann mal Ideen im Kopf: Das muss ich so gestalten, dass die Leute mir nicht zur Hälfte sterben, sondern ein größerer Teil überlebt."

Durch die vielen Amputationen bemerkt von Esmarch schnell, wo die Fehler liegen: viele Patienten verbluten. Von Esmarch bindet die Gliedmaßen ab und stellt so eine künstliche Blutleere her. Mit Erfolg: Die Esmarchsche Blutleere ist seine erste Erfindung und wird noch heute in der Medizin angewendet.

Der Wunsch zu helfen, führt zur Idee der Ersten Hilfe

In der Pharmazie- und medizinhistorischen Sammlung der CAU lagern noch viele Erfindungen des bekannten Mediziners. Eva Fuhry kennt sich mit den Exponaten aus und holt eine sogenannte Staubinde heraus, die zu von Esmarchs Zeiten bei Amputationen verwendet wurde: "Diese Staubinde hat von Esmarch mit einem speziell konstruierten Verschluss versehen, um an Armen und Beinen mit möglichst wenig Blutverlust operieren zu können", erklärt sie. "Dazu hat er den Arm oder das Bein mit einer Binde umwickelt, um das Blut herauszudrücken."

Laut Jens Ahlers erfüllte Friedrich von Esmarch das medizinische Ethos schlechthin: "Er hatte den Wunsch, zu helfen und was er natürlich erkannt hat, war, wie extrem unter den Kriegseinwirkungen die Leute damals gelitten haben", so Ahlers. Das Lazarettwesen habe von Esmarch ganz energisch vorangetrieben, um bessere Bedingungen für die Versorgung von verwundeten Soldaten zu schaffen.

Erste Hilfe mit Anleitung in Bildern

Es müssen gut ausgebildete Helfer her. Als Professor an der Chirurgischen Klinik in Kiel schreibt von Esmarch all seine Erfahrungen auf. Und verfasst eine Erste-Hilfe-Anleitung: "Der erste Verband auf dem Schlachtfelde". Jens Ahlers öffnet die original Erste-Hilfe-Anleitung aus dem 19. Jahrhundert und zieht aus einer Lasche ein sogenanntes Dreiecktuch. "Das speziell von Esmarch entwickelte Dreiecktuch soll hauptsächlich dazu dienen, die Soldaten zu versorgen", sagt Ahers. Es sei vielseitig anwendbar gewesen. "Der Mensch lernt am ehesten durch das Bild. Also hat er so auf diesem Dreiecktuch alle Möglichkeiten aufgemalt, wie man dieses Tuch sinnvoll verwenden kann."

Vom Dreiecktuch zum ersten "Deutschen Samariter-Verein"

In der Erste-Hilfe-Anleitung wird auch der Esmarch-Handgriff beschrieben. Den erfindet von Esmarchs damals, um während einer Narkose das Ersticken des Patienten zu verhindern. Außerdem entwickelt er eine spezielle Chloroformmaske für Narkosen. Im Jahr 1882 gründet er in Kiel den ersten "Deutschen Samariter-Verein", um jeden Bürger zu einem kompetenten Ersthelfer auszubilden.

Der berühmte Kriegsarzt ist von 1854 bis 1898 Direktor des Chirurgischen Klinikums in Kiel. Die Fördestadt wird durch von Esmarch der Medizin-Standort des damaligen Deutschen Reiches. Von Esmarch lockt viele junge, engagierte Nachwuchsärzte nach Kiel.

Von Esmarch wird für seine Verdienste in den Adelsstand gehoben

Esmarch ist Generalarzt des Sanitätskorps, Geheimer Medizinalrat, Ehrenmitglied zahlreicher Fachverbände des In- und Auslands und Inhaber einer Reihe von Orden. 1853 heiratet von Esmarch Anna Stromeyer, mit der er drei Kinder bekommt. Seine Frau Anna erkrankt gegen Ende der 1860er Jahre an Tuberkulose und stirbt 1870. Zwei Jahre später verliebt sich eine Patientin, Prinzessin Henriette von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, eine Tante der späteren Deutschen Kaiserin Auguste Viktoria, in ihn. Sie heiraten, und in Anerkennung seiner Verdienste wird der Mediziner 1887 durch Kaiser Wilhelm I. in den erblichen preußischen Adelsstand gehoben. Er ist jetzt ein "von Esmarch". Am 23. Februar 1908 stirbt er im Alter von 85 Jahren in Kiel.

Seine zahlreichen Erfindungen haben die Medizin revolutioniert. Friedrich von Esmarch legte damit den Grundstein für viele weitere medizinische Neuerungen. Er war ein Arzt, der die Probleme seiner Zeit erkannte und sie löste, damit es den Menschen besser geht.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 09.01.2023 | 19:30 Uhr

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