Ein Kassenbon mit der Summe 115,79 Euro wird in der Hand gehalten, darunter ein Einkaufswagen mit Lebensmitteln. © picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON Foto: picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON

Mehrheit wünscht sich weniger Mehrwertsteuer auf Lebensmittel

Stand: 19.03.2025 06:00 Uhr

Nahezu drei Viertel der Teilnehmer einer #NDRfragt-Umfrage halten die bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung der Inflation für nicht ausreichend. Die meisten Befragten sind für die Senkung oder Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel.

von Sandra Aïd

Ob Olivenöl, Strom oder Auto-Versicherung: Viele alltägliche Güter sind teurer geworden. Erst die Corona-Pandemie, vor allem aber der russische Einmarsch in die Ukraine ließen die Preise für Rohstoffe, Lebensmittel oder Dienstleistungen so stark in die Höhe schnellen wie zuletzt während der Ölkrise Anfang der 1970er-Jahre: um knapp sieben Prozent im Jahr 2022 und fast sechs Prozent im Jahr 2023.

Zuletzt stiegen die Verbraucherpreise zwar wieder weniger stark. Doch selbst deutliche Anhebungen der Reallöhne reichen offenbar nicht aus, um die Teuerung der vergangenen Jahre auszugleichen. Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen #NDRfragt-Umfrage "Hohe Preise Welche Politik hilft?" Zwei Drittel der Befragten geben an, dass sich ihre finanzielle Lage seit 2022 verschlechtert hat. Bei einem guten Drittel der Befragten ist das Geld knapp. Um gegenzusteuern, ist etwas mehr als die Hälfte aller Teilnehmenden für eine Senkung oder gar Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel.

An der nicht repräsentativen, aber gewichteten Umfrage haben mehr als 21.500 Menschen aus Norddeutschland teilgenommen. Alle Ergebnisse der Umfrage können Sie hier nachlesen.

Die Belastungen merken viele #NDRfragt-Teilnehmer im Alltag in erster Linie an der Supermarktkasse. Gefragt nach den Bereichen, in denen sie die Preisanstiege am stärksten spüren, sind Lebensmittel mit 70 Prozent mit Abstand die meistgenannte Antwort. Am zweitstärksten belasten die Befragten die hohen Strom-, Gas- oder Heizkosten (59 Prozent). Viele merken die Teuerungen auch an der Zapfsäule, am Bahnhof oder im Restaurant: Jeder dritte Umfrageteilnehmer gibt jeweils die Bereiche Verkehr und Mobilität sowie Gaststätten und Reisen an.

Wie die Befragten die hohen Kosten bewältigen

Was tun die #NDRfragt-Mitglieder, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten zu bewältigen? Gut die Hälfte der Befragten isst weniger oder nicht mehr auswärts (51 Prozent) oder greift zu günstigeren Lebensmittel-Alternativen (49 Prozent). So auch die 54-Jährige Nicole aus Niedersachsen: "Ich schaue noch genauer hin, was ich mir kaufen kann und wechsle noch mehr die Nahrungsmittel ab (...) In der einen Woche kaufe ich z.B. Kaffee, in der anderen Woche kaufe ich dann z.B. Mini-Cabanossi. Somit komme ich noch einigermaßen klar (...)."

Tatsächlich sind die Preise einzelner Lebensmittel laut dem Statistischen Bundesamt seit 2020 stark gestiegen, bei Olivenöl zum Beispiel um knapp 100 Prozent. Jeder dritte Befragte muss sogar an die eigenen Ersparnisse ran, um mit den Belastungen zurechtzukommen - wie etwa die 23-jährige Michelle. Was das für ihren Alltag bedeutet, beschreibt sie so: "Nicht mehr rausgehen und was unternehmen. Nur arbeiten und wieder nach Hause. Essen nur einmal am Tag".

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Deutliche Mehrheit befürwortet stärkeren Eingriff des Staates

Bereits infolge der Corona-Krise hatte der Staat auf die Teuerung vieler Güter mit einer Reihe von Maßnahmen reagiert, etwa mit einer verminderten Mehrwertsteuer für Gaststätten, einer Deckelung von Energiepreisen oder einer Inflationsausgleichsprämie. Letztere erreichte allerdings nur knapp vier von zehn der Umfrageteilnehmer. Alles in allem halten fast drei Viertel der Befragten (73 Prozent) die bisher getroffenen Maßnahmen für nicht ausreichend.

Was wünschen sich die #NDRfragt-Mitglieder von der Politik? 60 Prozent befürworten einen stärkeren Eingriff des Staates in den freien Markt, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten einzudämmen. Als konkrete Maßnahme wünschen sich die meisten Befragten eine Senkung oder Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel - 55 Prozent sehen darin das größte Potenzial für eine Entlastung. Danach folgen eine strengere Energiepreisbremse sowie weniger Einkommenssteuer (jeweils 37 Prozent Zustimmung). Geht es nach der #NDRfragt-Gemeinschaft, sollten aber mögliche Entlastungen nicht allen zugutekommen. 78 Prozent der Befragten würden Vermögende und Spitzenverdiener davon ausschließen, alle anderen aber entlasten. Ein knappes Drittel plädiert dafür, nur Menschen mit niedrigen Einkommen oder Renten unter die Arme greifen.

Wie soll der Staat mögliche zusätzliche Entlastungen finanzieren?

Bei der Frage, wie diese Entlastungen finanziert werden sollten, gibt es einen klaren Trend: Etwa vier von zehn Befragten sprechen sich für Kürzungen staatlicher Ausgaben aus (37 Prozent). Die Aufnahme neuer Schulden befürwortet nur jeder fünfte Umfrageteilnehmer, gleich viele Befragte sind für die Einnahme zusätzlicher Gelder etwa in Form von Steuern. Sollte es zu mehr Entlastungen kommen, so wünscht sich eine große Mehrheit von 71 Prozent, dass Menschen mit größerem Einkommen mehr in die Pflicht genommen werden.

Für #NDRfragt-Teilnehmer Jens ist es eine Frage der Gerechtigkeit: "Die Ungleichheit ist in Deutschland in den letzten Jahrzehnten immer größer geworden und in den Krisen der letzten Jahre haben die oberen paar Prozente ihr Vermögen noch deutlich ausbauen können (...) Eine Vermögenssteuer und eine Beteiligung aller - auch der Reichen - an den Solidarsystemen ist meiner Ansicht nach überfällig", schreibt der 58-jährige Hamburger. Für Lars (45) muss der Staat eher den Rotstift ansetzen. Kürzungen im Haushalt seien unumgänglich, schreibt der Schleswig-Holsteiner: "Der Staat hat genügend Einnahmen, nur die Verteilung ist fehlerhaft. Was muss an China oder Indien Entwicklungshilfe gezahlt werden, was gehen mich Radwege in Peru an?" Thomas (71) sieht weitere Entlastungen generell kritisch: "Entlastung der Bürger durch den Staat ist die Aufforderung an die Wirtschaft, die Preisspirale weiter hochzuschrauben. Für Wirtschaftsunternehmen häufig eine Gewinnsubventionierung!", findet der Niedersachse.

Wie sollen Maßnahmen gegen hohe Lebenshaltungskosten finanziert werden?

Pro Umfrage erreichen uns unzählige Meinungen - in dieser Anwendung bereiten wir einige für Sie auf. Um den ganzen Beitrag zu sehen, tippen Sie auf die jeweilige Kachel. Sie können die Meinung danach filtern, ob bei der Finanzierung möglicher Entlastungen auf Kürzungen oder auf zusätzliche Gelder etwa durch mehr Schulden oder Steuern gesetzt wird.

Mitarbeit
Umfrageerstellung: Sandra Aïd, Nora Köhler
Datenanalyse: Lisa Richter
Community-Management, Zitate: Julia Radke

Über diese Befragung

Die Antworten stammen aus der Umfrage "Hohe Preise - Welche Politik hilft?", an der sich 21.533 Norddeutsche beteiligt haben.

Für die Ergebnisse wurden Antworten ausgewertet, die vom 4. bis 7. März 2025 um 9 Uhr abgegeben wurden. An den Umfragen von #NDRfragt nehmen Menschen aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen teil. Die Umfragen werden online ausgefüllt.

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings nach den statistischen Merkmalen Alter, Geschlecht, Bundesland, Schulabschluss und Familienstand gewichtet. Das heißt: Antworten von Bevölkerungsgruppen, die unter den Befragten seltener vertreten sind als in der norddeutschen Bevölkerung, fließen stärker gewichtet in die Umfrage-Ergebnisse ein. Und die Antworten von in der Befragung überrepräsentierten Gruppen werden schwächer gewichtet. Insgesamt verteilen sich die Antworten dann am Ende eher so, wie es der tatsächlichen Verteilung der Bevölkerungsgruppen in Norddeutschland entspricht.

Wachsende #NDRfragt-Community: Zehntausende Norddeutsche machen mit

#NDRfragt ist das Meinungsbarometer für den Norden. Mittlerweile haben sich mehr als 52.000 Norddeutsche für die Community angemeldet. Wer noch nicht dabei ist, aber mitmachen will, kann sich registrieren und wird zu den Umfragen per E-Mail eingeladen. Mitglied kann werden, wer in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg oder Bremen wohnt und mindestens 16 Jahre alt ist.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Infoprogramm | 19.03.2025 | 19:30 Uhr

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