Dänemark und Schleswig-Holstein: Nicht alles läuft reibungslos
Schleswig-Holstein und Dänemark sind stolz auf ihre engen Verflechtungen - ob wirtschaftlich, im Tourismus oder bei der Minderheitenpolitik im Grenzland. Ein Vorzeigeverhältnis in Europa. Doch bei genauer Betrachtung zeigen sich Risse. Eine Bestandsaufnahme.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) ist nach Informationen der Staatskanzlei während seiner am Dienstag angetretenen Delegationsreise nach Dänemark an einem Magen-Darm-Infekt erkrankt. Die Termine am Mittwoch mit der dänischen Regierung werden von den jeweiligen Fachministerinnen und Fachministern wahrgenommen, die den Ministerpräsidenten in Kopenhagen begleiten. Das Gespräch mit der dänischen Staatsministerin Mette Frederiksen wird der dänisch-deutsche Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) führen, begleitet von Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack und Umweltminister Tobias Goldschmidt.
Bei dem Treffen soll überlegt werden, wie die Zusammenarbeit zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein weiter ausgebaut werden kann. Knapp 13.000 Menschen pendeln täglich von und nach Dänemark. Mal eben einkaufen in Flensburg oder in Appenrade zur Arbeit und zum Arzt - das gehört für viele in der Grenzregion zum Alltag. Jedes Jahr kaufen Dänen Lebensmittel im Wert von 5,5 Milliarden Dänischen Kronen (738 Millionen Euro) in Schleswig-Holstein ein.
Erfolgsmodell Minderheiten
Die Minderheitenpolitik gilt als Erfolgsprojekt: Nach dem Ende des 2. Weltkriegs gab die "Bonn-Kopenhagener Erklärung" von 1955 die Grundlage für eine kontinuierliche Verbesserung des deutsch-dänischen Verhältnisses. Auch dank ihrer "Bekenntnisfreiheit", also dem Recht, sich zu einer nationalen Minderheit zu bekennen, ohne dass dies von Amts wegen geprüft werden darf. Heute leben etwa 15.000 Deutsche in Dänemark und 50.000 Dänen in Deutschland - vor allem in der Grenzstadt Flensburg, den Kreisen Nordfriesland und Schleswig-Flensburg oder im nördlichen Rendsburg-Eckernförde. Die Zahl der Deutschen in Dänemark ist zuletzt stark gestiegen. "Die gemeinsame Historie ist der zentrale Punkt", sagt Götz Bormann, der Honorarkonsul Dänemarks mit Sitz in Kiel. "Die Minderheitenpolitik ist ein Erfolgsmodell für ganz Europa. Das ist ein unkompliziertes Verhältnis, man hört einander zu."
Marketing und Handel
"Ich sehe das so, dass Schleswig-Holstein ein bisschen hoch guckt zum nordischen Nachbarn", sagt Caroline Weber, Vorsitzende der deutsch-dänischen Gesellschaft. Dänemark habe weltweit ein gutes Image, sei so weit in der Digitalisierung und in Fragen der Nachhaltigkeit, das gesellschaftliche Miteinander gelte als hervorragend - da wolle sich Schleswig-Holstein gerne etwas abschauen, so die promovierte Historikerin mit dem Schwerpunkt deutsch-dänische Geschichte. Die vielen dänischen Flaggen - die Dannebrogs - in Schleswig-Holstein, die Orientierung an Design und Sprache, aus Sicht von Weber nutze Schleswig-Holstein Dänemark auch als Werbefaktor. Dänemark hingegen sehe in Deutschland - also, der gesamten Republik - vor allem den wichtigsten Handelspartner. Im Jahr 2022 exportierte Dänemark Güter im Wert von mehr als 17 Milliarden Euro nach Deutschland. Die wichtigsten Exportgüter dabei: fossile Brennstoffe und Maschinen.
Fehmarnbelt: Dänemark baut - in Deutschland wird noch verhandelt
Aber es gibt auch Bereiche, in denen das gute Miteinander bröckelt: "Unmut habe ich beim Thema Fehmarnbelt erlebt", sagt Honorarkonsul Bormann. Die Fehmarnbeltquerung soll die gut 20 Kilometer lange Meerenge zwischen dem dänischen Lolland auf der einen und der schleswig-holsteinischen Insel Fehmarn auf der anderen Seite überwinden. Ein Vorzeigeprojekt. 2008 wurde der Vertrag unterzeichnet, 2029 ist derzeit offizieller Termin der Inbetriebnahme. Doch ob das realistisch ist, bezweifeln Experten. Denn während Dänemark den Bau des Tunnels auf seiner Seite vorantreibt, hinkt Deutschland hinterher. Die Genehmigungsprozesse sind zu langsam, der Protest in Schleswig-Holstein riesig. Als Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) im Dezember den offiziellen Spatenstich für die Schienanbindung auf Fehmarn tätigte, fehlten noch die Planfeststellungsbeschlüsse.
"Für Dänemark ist die Fehmarnbeltquerung das letzte Puzzleteil, um den skandinavischen Raum an das gesamte Europa anzubinden. Dann können extrem effizient Waren über die Schiene transportiert werden", so Caroline Weber. Entsprechend groß seien die Erwartungen des dänischen Staates, bestätigt auch Götz Bormann. Hier zeige sich: "Dänemark ist ein viel kleineres Land mit einer direkteren Demokratie. Da sei es zum Teil leichter, Projekte solch einer Größenordnung durchzuziehen als in einem föderalistischen Staat wie Deutschland", so Weber. Wenn die Fehmarnbeltquerung aber einmal errichtet sei, dann erwarten sich beide von dem Verkehrsmegaprojekt eine Intensivierung der dänisch-schleswig-holsteinischen Beziehungen.
Dänemark irritiert mit Grenzpolitik
Ein weiteres Beispiel, bei dem die unterschiedlichen Interessen von Schleswig-Holstein und Dänemark zuletzt immer wieder sichtbar wurden, ist die Frage der Grenzpolitik. Denn gerade diese ist entscheidend für das unkomplizierte Miteinander in der Region. Doch Dänemark hat "vorübergehende" Grenzkontrollen eingeführt - und dieses "vorübergehend" dauert nun schon acht Jahre. Im Sommer staut sich der Verkehr vor den Übergängen in Richtung Norden zum Teil kilometerlang. Die offiziellen Begründungen der dänischen Regierung sind vielfältig: Terrorgefahr, Coronapolitik, innere Sicherheit. Aber die abschottende Migrationspolitik des Staates spielt dabei die Hauptrolle.
"Grenzen müssen in Europa irgendwann mal der Vergangenheit angehören, das ist ja die Idee der Europäischen Union, und je weniger wir das reglementieren, desto besser. Das ist unsere grundsätzliche Auffassung, und das weiß die dänische Regierung auch", ermahnte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther immer wieder. Bislang mit geringem Erfolg. "Aus schleswig-holsteinischer Perspektive wird die Nähe zu Dänemark als Öffnung wahrgenommen. Eine Öffnung gen Norden. Dänemark hingegen sieht das protektionistisch - und vergisst vielleicht auch immer mal wieder, dass die Grenze eine gemeinsame ist", sagt die Historikerin Caroline Weber.
Das Verhältnis von Schleswig-Holstein und Dänemark ist ein historischer Erfolg in Europa, die wirtschaftlichen und persönlichen Verflechtungen eng. Das darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die unterschiedlichen bürokratischen Strukturen, Mentalitäten und nicht zuletzt Erwartungen an das Verhältnis auch Konflikte mit sich bringen.