Minderheit wächst: Warum mehr Deutsche im Süden Dänemarks leben
In Dänemark leben heute deutlich mehr Deutsche als vor der Pandemie. Das hat nicht nur mit deutscher Corona-Politik zu tun. Die Zahlen steigen weiter. Nicht nur die Schulen der deutschen Minderheit sind gefordert.
Für die deutsche Minderheit in Nordschleswig war der 4. November einer der wichtigsten Tage des Jahres. Im dänischen Tingleff, rund zwölf Kilometer von der Grenze entfernt, feiert die kleine Volksgruppe am Samstagvormittag den "Deutschen Tag" - ganz hyggelig mit Kaffee und Suppe unter dem Motto "Brücken statt Grenzen". Wobei: Ganz so klein ist die Volksgruppe nicht mehr. Seit 2018 ist die Anzahl deutscher Staatsbürger in den vier nordschleswiger Kommunen Apenrade, Tondern, Hadersleben und Sonderburg um mehr als 70 Prozent gestiegen. Das geht aus Zahlen der dänischen Regierungsorganisation Danmarks Statistik hervor.
"Entscheidung hat mit Work-Life-Balance zu tun"
Die Gründe für den starken Anstieg sieht die deutsche Minderheit in Dänemark nicht vorrangig in der Unzufriedenheit einiger Zuzügler mit der deutschen Corona-Politik zwischen 2020 und 2022. "Corona war für viele Familien nur der primäre Anstoß. Es ist richtig, dass bei uns Sachen anders gelaufen sind, aber das liegt unter anderem daran, dass hier fast alle geimpft wurden", sagt Harro Hallmann, der Sprecher der deutschen Minderheit in Dänemark. "Ich glaube, dass viele Familien durch Corona überlegt haben, wie der Rest ihres Lebens aussehen soll." Die Entscheidung für Dänemark habe bei vielen mit der Work-Life-Balance zu tun. "Es ist der Glaube daran, dass man sein Leben hier in Dänemark besser mit dem Familienleben vereinbaren kann", sagt Hallmann. Nicht immer würden sich diese Erwartungen erfüllen, einige Familien kehrten auch zurück nach Deutschland.
Immobilien in Süddänemark vergleichsweise günstig
Die im Vergleich zu Deutschland günstigen Immobilienpreise machen den Umzug nach Süddänemark für viele Menschen erst möglich. Laut dem dänischen Immobilienportal Boligsiden liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis für Eigentumswohnungen zum Beispiel in der Kommune Apenrade bei rund 1.100 Euro, in ganz Dänemark dagegen bei etwa 4.600 Euro. In Schleswig-Holstein zahlen Wohnungskäufer nach Angaben des deutschen Portals Immowelt derzeit im Schnitt rund 3.400 Euro pro Quadratmeter. Wer Eigentum in Dänemark erwerben will, muss dort seinen Erstwohnsitz haben. Eine Einbürgerung ist erst nach mindestens siebenjährigem Aufenthalt möglich.
Schulen in Nordschleswig sind voll
Ein wesentliches Argument dafür, in den südlichsten dänischen Landesteil Nordschleswig zu ziehen, dürften für viele deutsche Familien die 14 deutschsprachigen Schulen der Minderheit sein. Allein zwischen 2021 und 2022 ist die Schülerzahl von 1.642 auf 1.869 gestiegen. "Wir sind in der außergewöhnlichen Situation, dass unsere Schulen voll sind. Das liegt nicht nur, aber auch an den Zuzüglern, und das ist für uns auf jeden Fall eine neue Situation", sagt Hallmann. Derzeit würden so gut wie keine neuen Plätze frei. Schulträger ist der Schul- und Sprachverein für Nordschleswig der deutschen Minderheit.
"Einige Zuzügler möchten mit der deutschen Minderheit gar nichts zu tun haben und das ist völlig legitim. Für die anderen haben wir die doppelte Aufgabe, diese Familien in die Minderheit und in die dänische Gesellschaft zu integrieren. Das sind zwei große Herausforderungen", sagt Hallmann.
Jeder darf sich zu einer Minderheit bekennen
Die Gründung der deutschen Minderheit geht auf die Grenzziehung zwischen dem Deutschen Reich und Dänemark im Jahr 1920 zurück. Zu einer Minderheit darf sich grundsätzlich jeder bekennen, ohne dafür einen Nachweis erbringen zu müssen. Nach Angaben der Bundesregierung gehören der deutschen Minderheit in Dänemark rund 15.000 Menschen an, in Nordschleswig leben insgesamt etwa 250.000 Personen.