CCS-Technik in der Nordsee: Debatte könnte Fahrt aufnehmen
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck lässt sich bei seinem Besuch in Norwegen die umstrittene CCS-Technik vorführen. Damit soll das klimaschädliche CO2 unterirdisch gespeichert werden. In Schleswig-Holstein ist das Verfahren bislang verboten. Doch jetzt kommt Bewegung in die Debatte.
Es ist eine erstaunliche Kehrtwende von Robert Habeck (Grüne). Noch 2012 hatte er als grüner Energiewendeminister von Schleswig-Holstein das Verbot der unterirdischen Speicherung des Klimagases betrieben. Jetzt, als Bundeswirtschaftsminister, steht er der Technik aufgeschlossen gegenüber: Am Freitag besucht er das Zementwerk von Norcem in Brevik, etwa zwei Stunden südwestlich von Oslo. Norcem nutzt die CCS-Technik, um die gigantischen CO2 Mengen, die bei der Produktion anfallen, im Boden zu verpressen. Zukünftig könnte Deutschland CO2 nach Norwegen verschiffen, um es dort im Boden zu entsorgen.
Die Erneuerung des Gesetzes für "Carbon Capture and Storage" - zu deutsch Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid, kurz CCS - sei eines der wichtigen Vorhaben im Jahr 2023, verkündete Habeck schon kurz vor Weihnachten. In Norwegen lässt er sich vorführen, wie das klimaschädliche Gas unter hohem Druck tief im Untergrund verpresst wird.
Umweltorganisationen laufen Sturm
"Wir wissen, dass das schiefgeht," ist Reinhard Knof überzeugt. Seit Jahren kämpft er mit der Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager und gegen die CCS-Technik. Die Sorge: Das Kohlendioxid könnte über undichte Stellen entweichen und die Umwelt gefährden. Er verweist auf wissenschaftliche Untersuchungen, in denen undichte Bohrlöcher entdeckt wurden. "Und dann soll das Kohlendioxid, nochmal mit Druck diese Bohrlöcher gepresst werden. Das kann nur in einer Katastrophe enden."
So kritisch sieht Prof Klaus Wallmann vom Kieler Forschungszentrum Geomar das nicht. Es sei eine Chance, den Klimawandel einzudämmen, so Wallmann. "Der überwiegende Teil der europäischen Speicherkapazität befindet sich in Sandsteinschichten im tiefen Untergrund der Nordsee." Für Wallmann ist es eine Abwägungsentscheidung. "Wenn es heißt: Weiter so wie bisher CO2 in die Atmosphäre, dann bin ich für CCS. Es ist für das Meeresökosystem besser mit diesem kleinen Risiko zu leben als mit der massiven Versauerung, die durch den Klimawandel entsteht."
Industrieunternehmen wie der Zementhersteller Holcim in Lägerdorf halten CCS zumindest übergangsweise für unausweichlich, da sonst die Klimaschutzziele nicht erreicht werden könnten.
Politischer Klimawandel: Wohin mit dem CO2?
Auf Bundesebene ändert sich das politische Klima. Um bis 2045 die vollständige Treibhausgasneutralität zu erreichen, muss Kohlendioxid in Deutschland gespeichert werden, heißt es in einem Prüfbericht des Bundeswirtschaftsministeriums, aus dem eine Novellierung des Kohlendioxidspeicherungsgesetzes entstehen soll. Das Bundeswirtschaftsministerium sieht großes Potenzial zur Speicherung von Kohlendioxid unterhalb der Nordsee. Die Beschlusslage im Kieler Landtag dazu ist eindeutig. Schleswig-Holstein lehnt die CCS-Technik bislang ab.
Doch die Klimaschutzziele der Bundesregierung setzen Unternehmen unter Druck. CO2 einzusparen allein wird aller Voraussicht nach nicht reichen. Das führt auch zu einem Umdenken in Schleswig-Holstein.
Ministerpräsident Günther begrüßt Habecks Norwegen-Besuch
Schon im vergangenen September ließ Bildungsministerin Karin Prien die Debatte wieder aufflammen: "Deutschland muss eine technologieoffene Debatte über CCS führen, es darf keine Denkverbote geben", so Prien damals. Jetzt will auch Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) die Debatte öffnen. "Wir stellen alle gemeinsam in Deutschland wie auch in ganz Europa fest, dass das Erreichen der Klimaziele aus verschiedenen Gründen immer herausfordernder wird. Dies gilt insbesondere für CO2-intensive Herstellungsprozesse. Hier fehlt es uns derzeit einfach noch an Lösungen, wie diese gänzlich klimaneutral aufgestellt werden können", so Günther zu NDR Schleswig-Holstein. Er begrüßt, dass sich Robert Habeck in Norwegen über die CCS-Technik informiert. "Wir werden uns nun genau anschauen, was der Bund plant und das in der Koalition beraten".
Umweltminister Tobias Goldschmidt von den Grünen betont dagegen, Norwegen gehe beim Thema CCS einen anderen Weg als Deutschland. Zu einer guten Partnerschaft gehöre es aber, dass man sich mit unterschiedlichen Perspektiven auseinandersetzt. Gut möglich ist aber, dass mit dem Besuch von Robert Habeck auch hierzulande die Debatte wieder Fahrt aufnimmt.