Menschen mit verschieden Hautfarben arbeiten an einem Tisch zusammen (Themenbild). © picture alliance / Westend61 | NOVELLIMAGE

Wachsender Rechtsextremismus: Wo steht Niedersachsens Wirtschaft?

Stand: 19.01.2024 17:03 Uhr

Nach Bekanntwerden von Plänen zur Deportation von Millionen Menschen demonstrieren seit Tagen Hunderttausende Menschen gegen Rechtsextremismus - und die AfD. Wie stehen Niedersachsens Firmen dazu?

von Marc Wichert

Der NDR hat 18 Unternehmen mit Hauptsitz in Niedersachsen angeschrieben - darunter VW, Continental und Rossmann, die international agieren, aber auch jene, deren Geschäft ausschließlich auf Deutschland oder Niedersachsen beschränkt ist, etwa der Energieversorger Enercity. Acht Firmen haben bislang geantwortet - Rossmann und Hörgeräte Kind aus Burgwedel haben eine gemeinsame Stellungnahme abgegeben. Die Fragen beziehen sich auf das Treffen von Rechtsextremisten, Unternehmern, Mitgliedern von CDU und Werteunion sowie AfD-Politikern - auch ein AfD-Kreisvorsitzender aus Niedersachsen soll dabei gewesen sein - in einem Hotel in Potsdam.

Diese Unternehmen haben geantwortet

Der Hintergrund zum Treffen in Potsdam und die aktuellen Entwicklungen

Eine Recherche von Correctiv deckte auf, was in einem Hotel in Potsdam im November besprochen wurde: Pläne zur Ausweisung von Millionen Menschen aus Deutschland. Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, aber auch solche mit deutschem Pass, aber mit Migrationshintergrund und weitere missliebige Personen. Zuletzt hatte der AfD-Fraktionschef im Brandenburger Landtag Hans-Christoph Berndt gesagt: "Remigration ist kein Geheimplan, sondern ein Versprechen." Remigration als beschönigender Begriff für Ausweisung und Deportation wurde gerade erst zum Unwort des Jahres gewählt.

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Menschen demonstrieren gegen Rechtsextremismus und die AfD

Diese Aussagen in Verbindung mit hohen Umfragewerten für die AfD hat einen Teil der Öffentlichkeit aufschrecken lassen. Auf zahllose Kundgebungen in Deutschland wie auch in Niedersachsen demonstrieren seit Tagen Hunderttausende gegen Rassismus - und teilweise für ein Verbot der AfD, die in manchen Bundesländern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird. Kirchen, Bundesligavereine, Gewerkschaften positionieren sich. Und was sagt die Wirtschaft? Wir protokollieren die Antworten jener Unternehmen, die auf die Anfrage des NDR reagiert haben, im Wortlaut.

Stellungnahme von VW

Das Kraftwerk des Autobauers VW in Wolfsburg. © picture alliance Foto: Moritz Frankenberg
Der Volkswagen-Konzern betont, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt gestärkt werden müsse.

"Der Volkswagen Konzern steht für eine offene Gesellschaft, Respekt und Toleranz und stellt sich Hass und Fremdenfeindlichkeit entschieden entgegen. Diese Haltung spiegelt sich in unserem Handeln, entsprechenden Projekten und in unserer Betriebsvereinbarung wider. Gerade in diesen herausfordernden Zeiten ist es wichtig, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, statt zu spalten. Daher fühlen wir uns einer Kultur des gegenseitigen Respekts und der Wertschätzung verpflichtet. Wir sind ein globales Unternehmen, wir vertreiben unsere Produkte in mehr als 150 Ländern und stehen für Internationalität, freien Austausch über Ländergrenzen hinweg und offenen, fairen Welthandel. Wir sind folglich gegen Protektionismus, Forderungen nach dem Austritt aus der EU, dem Leugnen des Klimawandels oder dem Instrumentalisieren ökonomischer Sorgen für den Widerstand gegen eine nötige Transformation."

Stellungnahme von Continental

Nikolai Setzer, Vorstandsvorsitzender von Continental © Continental AG
Conti-Chef Nikolai Setzer sagt: "Keine Chance für Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung!"

Nikolai Setzer, Continental-Vorstandsvorsitzender: "Unsere eigene Vergangenheit hat uns gezeigt, wie schnell sich menschenverachtendes Gedankengut verbreiten kann. Deswegen: keine Chance für Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung! Unsere vier Unternehmenswerte sind Ausdruck unserer klaren Haltung. Bei Continental setzen wir auf die Kraft der Vielfalt und fördern sie in allen Dimensionen. Sie macht uns als globales Unternehmen erfolgreich und als Gesellschaft stärker."

Ariane Reinhart, Continental-Vorständin für Personal und Nachhaltigkeit: "Bei Continental arbeiten Menschen aus rund 150 Nationen weltweit. Aus ihrem Know-how, ihren unterschiedlichen Erfahrungen und Sichtweisen schaffen wir zusammen den größten Wert. Für uns als Unternehmen. Aber auch für eine weltoffene Gesellschaft, in der Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung keinen Platz haben."

Olaf Schick, Continental-Vorstand für Integrität und Recht: " Wir sagen "Nein" zu Hass und Fremdenfeindlichkeit und leben unsere Werte. Sie sind die Basis für unser Handeln und verbindlich für alle Beschäftigten und Geschäftspartner weltweit. Darauf haben wir uns in unserem Verhaltenskodex verpflichtet. Wir als Unternehmen, aber auch jeder Einzelne von uns, ist verantwortlich dafür, dass wir in einer Gesellschaft ohne jegliche Art von Diskriminierung leben."

Stellungnahme von Rossmann und Kind Hörgeräte

Raoul Roßmann, Geschäftsführer der Drogeriemarktkette Rossmann, spricht während eines dpa-Interviews in seinem Büro in der Firmenzentrale in der Region Hannover. © picture alliance Foto: Julian Stratenschulte
Für Raoul Roßmann haben "rassistische, antisemitische und flüchtlingsfeindliche Haltungen" keinen Platz in Deutschland.

Kind Hörgeräte und Rossmann haben gemeinsam Stellung bezogen: "Wir begrüßen bei Rossmann und Kind täglich zusammen weit über 2 Millionen Kunden aus aller Welt und jeder ist bei uns herzlich willkommen. In unseren beiden Unternehmen arbeiten Kolleginnen und Kollegen aus weit über 100 Nationen und bilden mit ihrer Vielfalt die Gesellschaft in Deutschland ab." Aktuell ist von besorgniserregenden, rechtspopulistischen Positionen zu lesen, die sich gegen jeden richten, der eine Einwanderungsgeschichte hat – das hat Rossmann und Kind veranlasst, gemeinsam Stellung zu beziehen und sich klar zu positionieren.

"Ohne die zahlreichen Menschen, die ihren Weg nach Deutschland finden, die hier arbeiten, hier leben, ihren Beitrag für dieses Land leisten, würde unsere Wirtschaft schlicht nicht funktionieren“, sagt Raoul Roßmann, Sprecher der Geschäftsführung. "Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind alle Teil unserer Rossmann-Familie und wir sind dankbar für all die engagierten Menschen bei uns." Rossmann und Kind setzen sich aktiv für ein WIR in Deutschland ein, in dem rassistische, antisemitische und flüchtlingsfeindliche Haltungen keinen Platz finden.

Stellungnahme von EWE

Der Vorstandsvorsitzende der EWE AG, Stefan Dohler, steht bei der Bilanz-Pressekonferenz 2019 hinter einem Pult. © picture alliance Foto: Hauke-Christian Dittrich
Die Veranstaltungen gegen Demokratiefeindlichkeit und Rechtspopulismus finden "meine uneingeschränkte Unterstützung", sagt EWE-Chef Stefan Dohler.

Stefan Dohler, Vorstandsvorsitzender EWE AG:
"Wer glaubt, dass wir bei den Stimmen am rechten Rand der Gesellschaft Antworten auf die fast immer globalen und komplexen Herausforderungen unserer Zeit finden, irrt gewaltig. Dort werden Nationalismus, Demokratiefeindlichkeit, Intoleranz und Populismus propagiert, zum Schaden für unsere Demokratie, zum Schaden für unser Land und zum Schaden für unser Unternehmen. Toleranz, Respekt und Austausch sind Werte, für die wir auch als EWE stehen – Werte von Demokraten. Deshalb ist es wichtig, für unsere Demokratie einzustehen und denjenigen, die sie zerstören wollen, entgegenzutreten. Die für dieses Wochenende auch in unserer Region geplanten Veranstaltungen gegen Demokratiefeindlichkeit und Rechtspopulismus finden deshalb meine uneingeschränkte Unterstützung."

Stellungnahme von der Salzgitter AG

Gunnar Groebler, Vorstandsvorsitzender der Salzgitter AG © Salzgitter AG
Gunnar Groebler, Chef der Salzgitter AG, sagt: "Auf 'Renationalisierung' ausgerichtete politische Konzepte sind rückwärtsgewandt und schaden erheblich dem Wirtschaftsstandort Deutschland."

Gunnar Groebler, Vorstandsvorsitzender Salzgitter AG: "Die Salzgitter AG ist ein international agierender Konzern mit langjährigen, nationalen sowie internationalen Partnerschaften mit Kunden- und Lieferanten. Weltoffenheit gehört zwingend in unser Geschäftsmodell. In allen Gesellschaften unseres Konzerns finden sich exzellente Mitarbeiter:innen mit einem Migrationshintergrund. Fehlende Fachkräfte finden wir in vielen Fällen außerhalb Deutschlands. Schon deshalb ist für uns ganz klar: Auf "Renationalisierung" ausgerichtete politische Konzepte sind rückwärtsgewandt und schaden erheblich dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Solche Konzepte sind auch unvereinbar mit unseren Werten und Überzeugungen. Wir verurteilen entschieden jede Form von Diskriminierung, Rassismus, populistische Stigmatisierung sowie Fremdenfeindlichkeit.

In unserem Konzernleitbild sind unsere unverrückbaren Grundsätze zu respektvollem Umgang, Diversität und Inklusion fest verankert. Wir sind integer, handeln konsequent, ehrlich und ethisch korrekt. Diese Grundsätze prägen unsere Werte, steuern unser Handeln und sind maßgebend in der Zusammenarbeit untereinander und mit unseren Partnern." Nichts ist im Augenblick wichtiger als die Freiheit und Demokratie der Bundesrepublik Deutschland und Europa zu schützen – wir, und damit meine ich alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, dürfen nicht nur am Spielfeldrand stehen und zuschauen, wir müssen Verantwortung übernehmen, laut werden, um die Zukunft dieses Landes in die richtige Richtung zu lenken – jetzt und sofort. Gerade mit Blick auf die kommenden Wahlen 2024.

Stellungnahme von Enercity

Logo und Schriftzug der enercity AG (kommunales Energieversorgungsunternehmen) auf dem Dach des Ihme-Zentrums im Stadtteil Linden. © picture alliance / Fotostand Foto: Matthey
Der Energieversorger enercity aus Hannover distanziert sich von einer "Gesellschaftspolitik, die Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung schürt".

"Als Arbeitgeber zahlreicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedlicher Herkunft oder Abstammung, Religionszugehörigkeit oder sexueller Identität steht enercity für Vielfalt und Toleranz und lehnt jedwede Form von Diskriminierung entschieden ab – sowohl innerhalb des Unternehmens als auch im äußeren, gesellschaftlichen Umfeld. Um es eindeutig zu formulieren: enercity bekennt sich klar zu demokratischen Grundwerten. Wir verurteilen eine Gesellschaftspolitik, die Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung schürt und distanzieren uns von all jenen, die für eine ebensolche stehen."

Stellungnahme von Sartorius

Joachim Kreuzburg, Vorstandsvorsitzender von Sartorius © Sartorius
Der Gedanke von "Remigration" sind "mit meinen persönlichen Überzeugungen" nicht vereinbar, sagt Joachim Kreuzburg, Vorstandsvorsitzender des Laborzulieferers Sartorius aus Göttingen.

Bei Sartorius arbeiten Menschen aus 117 Nationen; rund 70 Prozent der Mitarbeitenden sowie der Führungskräfte haben eine andere als die deutsche Staatsangehörigkeit. Im Einklang mit der UN-Menschenrechtscharta setzt sich Sartorius für Offenheit und Toleranz ein und macht dies nach innen und außen unmissverständlich deutlich.

Joachim Kreuzburg, Vorstandsvorsitzender Sartorius: "Die seit Jahren in immer mehr Ländern auftretenden und stärker werdenden politischen Strömungen, die auf Vorurteile, Diskriminierung und Ausgrenzung zielen, sehe ich mit großer Sorge. Offenheit, Toleranz und Respekt der Vielfalt und Andersartigkeit sind für das friedliche Miteinander essenziell. Sind sie nicht stabil gewährleistet, wird dies in erster Linie fatale gesellschaftspolitische Folgen, aber natürlich auch negative wirtschaftliche Auswirkungen haben und Frieden und Wohlstand gefährden.

Die von der AfD und anderen Parteien und politischen Kräften in Europa, Nordamerika und weiteren Regionen propagierte Ausgrenzung und konkret der Gedanke von Remigration stehen dazu in klarem Widerspruch und sind mit meinen persönlichen Überzeugungen und auch mit den Unternehmenswerten von Sartorius nicht vereinbar."

Transparenzhinweis: Einige der Stellungnahmen, die dem NDR geschickt wurden, sind bereits zuvor als Pressemitteilung oder in sozialen Netzwerken veröffentlicht worden.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 19.01.2024 | 12:00 Uhr

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