"Remigration" ist Unwort des Jahres 2023
"Remigration" ist zum Unwort des Jahres 2023 gekürt worden - das hat die Jury an der Philipps Universität in Marburg bekannt gegeben. Mehr als 2.300 Vorschläge waren zuvor eingegangen.
"Das Wort ist in der Identitären Bewegung, in rechten Parteien sowie weiteren rechten bis rechtsextremen Gruppierungen zu einem Euphemismus für die Forderung nach Zwangsausweisung bis hin zu Massendeportationen von Menschen mit Migrationsgeschichte geworden", begründete die Jury ihre Entscheidung. Man kritisiere die Verwendung des Wortes, weil es im vergangenen Jahr als "rechter Kampfbegriff, beschönigende Tarnvokabel und ein die tatsächlichen Absichten verschleiernder Ausdruck gebraucht wurde".
"Sozialklimbim" und "Heizungs-Stasi" auf Platz zwei und drei
Auf Platz zwei der Wahl kam das Wort "Sozialklimbim", das im Zuge der Diskussion um die Kindergrundsicherung verwendet wurde und nach Auffassung der Jury für eine wieder häufiger zu beobachtende diskriminierende Rhetorik stehe. Auf Platz drei der Unwortwahl landete "Heizungs-Stasi", das für eine populistische Stimmungsmache gegen Klimaschutzmaßnahmen stehe.
Mehr als 2.300 Einsendungen - doppelt so viele wie 2022
Die überwiegend aus Sprachwissenschaftler*innen bestehende Jury in Marburg ermittelt jedes Jahr Anfang Januar das Unwort des Jahres. Das Unwort soll auf unangemessenen, verschleiernden oder diffamierenden öffentlichen Sprachgebrauch aufmerksam machen. Bis zum 31. Dezember 2023 konnte jede und jeder Vorschläge per E-Mail bei der Jury einreichen. Dabei wareen 2.301 Einsendungen eingegangen, teilte die Sprachwissenschaftlerin und Jury-Sprecherin Constanze Spieß im Vorfeld NDR Kultur mit. Das waren fast doppelt so viele wie 2022 (1.467 Einsendungen).
Es kommt auch auf den Gebrauchskontext des Wortes an
Als Beispiele für eingereichte Begriffe nannte die Jurysprecherin "Sondervermögen, Tierwohlfleisch, Öko-Diktatur, Klima-RAF." Außerdem noch "Gratismentalität, Remigration, Stolzmonat, Abschiebepaket und Abnutzungskrieg". Die Jury habe 710 verschiedene Wörter von den mehr als 2.300 Einsendungen feststellen können. "Um sagen zu können, ob es sich um ein Unwort handelt, kommt es immer auch auf den Gebrauchskontext des Wortes an, den wir in einigen Fällen nachrecherchieren." So habe die Jury prüfen müssen, ob etwas von Bots gesteuert worden sei. "Das hatten wir im letzten Jahr. Das merkt man daran, wenn ganz viele Einsendungen zu genau demselben Wort zur haargenau gleichen Zeit kommen. Die klammern wir dann aus", erklärte Spieß.
Klimadiskurs bleibt dominant bei den Einsendungen
Seitdem sie die Rolle der Jurysprecherin inne habe, gebe es jedes Jahr auch Worte, die sich wiederholen. "Das hängt sehr stark von den Diskursen ab, die geführt werden. Letztes Jahr war der Klimadiskurs sehr dominant", erzählte Spieß. "Dieser Diskurs ist dieses Jahr wieder prominent vertreten. Daneben spielen auch wieder Diskurse über Krieg, Sozialpolitik und Migration eine wichtige Rolle bei den Einsendungen. Diese Diskurse verschwinden nicht einfach so. Da sehen wir schon, dass einige Worte wiederholt eingereicht werden. Zu den Einsendungen im Jahr 2023 gehört beispielsweise auch 'Sozialklimbim'." Es kämen aber stets neue dazu. "Es wird nicht Jahr für Jahr das gleiche Wort gewählt, sondern wir schauen auch darauf, was neu eingereicht worden ist, und was dann den Unwort-Kriterien entspricht".
Unwort des Jahres 2022 war "Klimaterroristen"
2022 lautete der Begriff "Klimaterroristen". Er sei im öffentlichen Diskurs benutzt worden, um Aktivisten und deren Proteste für mehr Klimaschutz zu diskreditieren, hieß es in der Begründung der Jury. Die Jury kritisierte die Verwendung des Begriffs, weil Aktivistinnen und Aktivisten mit Terroristen "gleichgesetzt und dadurch kriminalisiert und diffamiert werden". Gewaltlose Protestformen zivilen Ungehorsams und demokratischen Widerstands würden so in den Kontext von Gewalt und Staatsfeindlichkeit gestellt, rügte die Jury.