Gegenwind in Binz: Scholz und Habeck zu Gesprächen auf Rügen

Stand: 20.04.2023 19:29 Uhr

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) wurden mit lautstarken Protesten auf der Insel Rügen empfangen. Mit Bürgermeistern und Kritikern haben sie über die LNG-Pläne des Bundes gesprochen.

Die Spitzenpolitiker aus Berlin wurden mit mächtig Gegenwind an der Ostsee empfangen: Laut Polizei waren etwa 600 Demonstrierende den Protestaufrufen von "Fridays for Future" und der Bürgerintiative "Lebenswertes Rügen" gefolgt. Scholz und Habeck waren zu Gesprächen über ein für Rügen geplantes Flüssigerdgas-Terminal auf die Insel gekommen. In Binz wollten sie mit Verbänden und Vertretern der Gemeinden und der Wirtschaft über das Thema sprechen. Für die Gemeinden ist das Treffen ein überfälliger Schritt.

Menschen protestieren mit Schildern gegen ein LNG-Terminal auf Rügen © Screenshot
AUDIO: Der Kanzler kommt: Debatte um LNG-Terminal vor Rügen (3 Min)

Bürgermeister und Landräte erwarteten im Vorfeld einen Dialog auf Augenhöhe und fordeten, dass die Bedenken der Menschen ernst genommen werden müssen, sagte der Binzer Bürgermeister Karsten Schneider (parteilos). Die Argumente sollten zentraler Bestandteil der Entscheidungsfindung werden. Vorpommern-Rügens Landrat Kerth (SPD) hoffte, dass endlich die Fragen beantwortet werden, die er und auch die Bürgermeister seit Wochen stellen.

Bürgermeister fordern mehr Informationen

Bei dem Treffen sollen Scholz und Habeck in erster Linie erklären, wie groß der Bedarf für das Flüssigerdgasterminal wirklich ist und wie der Stand der Planungen zu den Standortvarianten ist. Der Kreistag hat ein LNG-Terminal, egal an welcher Stelle, per Beschluss abgelehnt. Umwelt und Tourismus würden zu sehr darunter leiden. Die spärlichen Informationen und das überstürzte Handeln würden außerdem für Verunsicherung und Ablehnung in der Bevölkerung sorgen, so Kreistagspräsident Andreas Kuhn (CDU).

Weitere Informationen
Die LNG Tanker "Seapeak Hispania" (l) und die "Seapeak Meridian" liegen vor der Küste der Insel Rügen. © dpa Foto: Stefan Sauer

LNG-Terminals vor Rügen: Von der Planung zum Kanzlerbesuch

Nach Lubmin soll nun auch vor Rügen ein Terminal gebaut werden. Die Entwicklungen im Überblick. mehr

Hoffnung auf Alternativen

Im Interview bei NDR MV Live kritisierte auch der Bürgermeister Karsten Schneider die Kommunikation über das LNG-Terminal seitens der Bundes. Ihm zufolge müssen alternative Standorte in Betracht gezogen werden, denn auch der aktuell vom Bund ins Auge gefasste Standort bei Mukran sei problematisch. "Die Nachteile vor Sellin, die wir benannt haben, potenzieren sich in Mukran noch", sagte Schneider.

Er verwies auf ein klares Meinungsbild in Mecklenburg-Vorpommern gegen Rügen als Standort für ein LNG-Terminal. Der kürzlich bekannt gegebene Kauf von Material für eine Gasleitung beunruhige die Bevölkerung. Er habe zahlreiche Anrufe von Menschen erhalten, die sich vor vollendete Tatsachen gestellt fühlen.

Schwesig: Bund muss über Bedarf entscheiden

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) begrüßte den Besuch. Sie ging aber nicht davon aus, dass das Zusammentreffen zu einer Standortentscheidung für das Flüssigerdgas-Terminal führt. "Es wird nicht ein Termin sein, wo morgen ein Standort festgelegt wird", antwortete die SPD-Politikerin am Mittwoch auf eine Frage des NDR am Ende ihrer Litauen-Reise in Vilnius.

Weitere Informationen
Bundes-Wirtschaftsminister Robert Habeck (l.) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) © dpa-Bildfunk Foto: Tobias Schwarz/POOL-AFP/dpa
8 Min

Vor Besuch von Scholz und Habeck: Das sind die Erwartungen

Nach den Protesten gegen ein LNG-Terminal auf Rügen kommen Kanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck morgen nach Binz - welche Erwartungen gibt es an das Treffen? 8 Min

Stattdessen erwartete Schwesig von Scholz und Habeck eine Erklärung, warum es überhaupt ein weiteres Terminal für Flüssigerdgas (LNG) brauche. Schwesig stehe zu ihrer Zusage, dass Mecklenburg-Vorpommern seinen Beitrag für eine sichere Energieversorgung leiste. Doch könne letztlich nur der Bund darüber befinden, ob dafür ein weiteres Terminal in Mecklenburg-Vorpommern wirklich benötigt werde.

Neues Gutachten zu LNG-Beschleunigungsgesetz

Ein neues Rechtsgutachten der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zum LNG-Beschleunigungsgesetz des Bundes könnte nun für Furore bei der anstehenden Diskussion sorgen. Mithilfe dieses Gesetzes soll gemeinhin der Bau von LNG-Terminals schneller umgesetzt werden. Der Bund hatte geplant, den Geltungsbereich des Gesetzes auf Rügen auszuweiten. Das Rechtsgutachten der DUH soll die Rechtswidrigkeit des Gesetzes belegen. Es beruhe auf überholten Annahmen und widerspreche in weiten Teilen dem Europarecht sowie den Zielen des Klimaschutzgesetzes. Die DUH fordert daher eine sofortige Rücknahme des Gesetzes, einen Klimastresstest für alle weiteren LNG-Terminalprojekte sowie sofortigen Bau- und Planungsstopp, einschließlich der geplanten Standorte auf Rügen.

Weitere Standorte in der Prüfung

Vom ursprünglich geplanten Standort vor Sellin ist der Bund mittlerweile abgerückt. Andere Standorte, wie etwa der Hafen in Mukran, seien in der Prüfung, heißt es. In der Diskussion sollen auch Gebiete weiter draußen auf der Ostsee vor Rügen in Frage kommen. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es vehementen Widerstand gegen ein LNG-Terminal vor Rügen. Erst am Montag war bekannt geworden, dass die Bundesregierung nicht verbaute Röhren der deutsch-russischen Erdgaspipeline Nord Stream 2 für das LNG-Terminal gekauft hat.

Weitere Informationen
Ersatzrohre für die Pipeline Nord Stream 2 liegen Mitte April 2023 im Hafen von Sassnitz-Mukran. © NDR Foto: NDR

Bund kauft Nord-Stream-2-Rohre für LNG-Terminal vor Rügen

Das Wirtschaftsministerium bestätigte den Ankauf der Ersatzrohre, die im Hafen Sassnitz-Mukran lagern. Sanktionsrechtliche Fragen mit der Nord Stream 2 AG seien geklärt. mehr

Die Offshore-Arbeitsplattform "JB119" und der LNG Tanker "Seapeak Hispania" liegt auf der Ostsee vor dem Ostseebad Sellin. © dpa Foto: Stefan Sauer

SPD-Bundesvorsitzende Esken: LNG vor Rügen notwendig

Im "Bericht aus Berlin" verteidigte Esken die Pläne für ein Flüssigerdgas-Terminal und fordert mehr Gespräche mit den Menschen vor Ort. mehr

Demonstranten haben sich am Strand von Binz versammelt © NDR Foto: Mathias Krüger

Weitere Proteste auf Rügen: Menschenkette gegen LNG-Terminal

Über das Osterwochenende haben sich Menschen auf Rügen erneut zu Protesten gegen das geplante LNG-Terminal zusammengefunden. mehr

Die Offshore-Arbeitsplattform "JB119" und der LNG Tanker "Seapeak Hispania" liegt auf der Ostsee vor dem Ostseebad Sellin. © dpa Foto: Stefan Sauer

Bundestagspetition gegen Rügener LNG-Terminal

Der Petitionsausschuss des Bundestages wird sich schon bald mit den Plänen für ein Flüssigerdgas-Terminal beschäftigen. mehr

Blick auf ein Gebäude im Hafen Mukran in der Gemeinde Sassnitz. © dpa Foto: Stefan Sauer

Bund prüft LNG-Terminal in Mukran: Kritik an Alternative

Statt auf der Ostsee vor Sellin könnte das Terminal nun im Hafen von Mukran entstehen. Mehrere Bürgermeister der Insel Rügen sind dagegen. mehr

Ein großes LNG-Spezialschiff wird von Schleppern zum Hafen von Mukran begleitet. © Deutsche ReGas / Christian Morgenstern

LNG: Wie viel Flüssigerdgas kommt derzeit in Deutschland an?

LNG-Terminals in Betrieb, Einspeisung, Anteil an Gas-Importen: Die wichtigsten Daten in der Live-Übersicht. mehr

Eisenbahnwaggons auf Deck des Fährschiffes Mukran im Fährhafen von Mukran bei Sassnitz auf der Insel Rügen, aufgenommen im Oktober 1986. Als für die DDR wichtige direkte Verbindung in die UdSSR wurde hier der Eisenbahn-Fährbetrieb zwischen Mukran (DDR) und Kleipeda (UdSSR) aufgenommen. © picture alliance / ZB / Zentralbild

Als Rügen mit Mukran einen neuen Fährhafen bekam

Am 2. Oktober 1986 nahm der Fährhafen Sassnitz-Mukran den Betrieb auf. Er sollte die DDR und die Sowjetunion enger verbinden. mehr

"LNG Powered" steht auf dem Rumpf eines beladenen Containerschiffs © picture alliance Foto: Christian Charisius

LNG: Fakten zu Flüssigerdgas und Projekten in Norddeutschland

LNG soll Deutschlands Energieversorgung sichern. Im Norden entstanden dafür mehrere Terminals, weitere sind geplant. Welche Vor- und Nachteile gibt es? mehr

Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 20.04.2023 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

LNG (Liquefied Natural Gas)

Energiewende

Gas

Energie

Mehr Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern

Zahlreiche Kerzen stehen zum Gedenken an die Opfer vor dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg. © Sebastian Kahnert/dpa +++ dpa-Bildfunk Foto: Sebastian Kahnert/dpa +++ dpa-Bildfunk

Mutmaßlicher Täter von Magdeburg bereits in Rostock verurteilt

2013 soll Taleb A. wegen der Androhung von Straftaten zu 90 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt worden sein. mehr