LNG-Terminals vor Rügen: Von der Planung zum Kanzlerbesuch
Seit Monaten wird in Mecklenburg-Vorpommern gegen den Bau eines LNG-Terminals vor der Küste Rügens protestiert. Was seit der Ankündigung des Baus im Februar 2023 passierte:
Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise soll mit Flüssigerdgas (LNG) die Energieversorgung in Deutschland weiter unabhängig gemacht werden. Im Norden entstehen dafür die ersten LNG-Terminals Deutschlands. Den Anfang machte das LNG-Terminal in Wilhelmshaven, das Mitte Dezember 2022 eröffnet wurde. Einen Monat später folgte ein Terminal in Lubmin, gefolgt von einem Terminal in Brunsbüttel. Mitte Februar 2023 stellte Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) dann die LNG-Pläne des Bundes für das Land vor: Ein Terminal mit zwei Plattformen, vier bis sechs Kilometer vor Rügens Südostküste gelegen, mit insgesamt vier Anlegestellen. Seither werden die Pläne hitzig diskutiert und inzwischen auch überarbeitet.
Demonstrationen, Menschenketten, Osterfeuer
Die von Meyer in Schwerin vorgestellten Pläne des Bundes waren auf heftigen Widerstand gestoßen, der sich schon Ende Februar zu mehreren Demonstrationen formierte. So versammelten sich etwa 2.500 Menschen zu Protesten gegen das Terminal in Baabe auf Rügen. Anfang März demonstrierten tausende Kritiker der Pläne auf einem Festival in Binz, organisiert von Kommunen und Gemeinden der Insel, dem Tourismusverband Rügen, dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu), Fridays for Future, Greenpeace, Sea Shepherd, Dehoga Mecklenburg-Vorpommern und weiteren Gruppen. Am Ostersonntag initiierte ein Bündnis aus 37 Bürgerinitiativen, Umweltverbänden, Städten und Kommunen Proteste mit Menschenkette, Osterfeuern und Trommelumzug von Mukran bis Sellin.
Touristiker und Naturschützer kritisieren das Projekt
Die Pläne werden aus vielerlei Gründen kritisiert, hauptsächlich handelt es sich um Belange des Naturschutzes in der Ostsee und des Tourismus auf der Insel Rügen. So sorgen sich Kritiker zum Beispiel um den Hering, denn die Industrieanlage vor Sellin läge in einem Bereich, durch den die Heringsschwärme zum Laichen in den Greifswalder Bodden zögen. Die Gemeinden auf Rügen haben unter anderem die potenzielle Gefahrenabwehr im Auge. Bei Havarien vor Rügens Küste, wie etwa bei Öl- oder Chemikalienunfällen, Bränden oder Blackouts auf den Schiffen oder der Plattform, blieben ihnen bei Ostwind nur wenige Minuten Reaktionszeit. Vertreter des Tourismus fürchten Einbußen der Branche, etwa durch eine Veränderung des Landschaftsbildes. Laut Deutscher Umwelthilfe (DUH) wäre der Bau der Pipeline vor Rügen eine gewaltige Bedrohung für den Tourismus und außerdem für den Greifswalder Bodden, die Ostsee und die umliegenden Schutzgebiete.
Petition schafft es in den Bundestag
Für das LNG-Projekt war die Aufnahme Rügens als Standort in das LNG-Beschleunigungsgesetz des Bundes geplant. Damit sollte das Bauprojekt als Vorhaben mit Priorität eingestuft und der Weg für ein schnelleres Genehmigungsverfahren geebnet werden. Anfang März hatten Kritiker der Anlage eine Bundestagspetition gegen die Aufnahme Rügens in das Gesetz gestartet. Die Petition konnte bis zum 4. April unterzeichnet werden. Mehr als die nötigen 50.000 Unterschriften für eine Bundestagspetition sind zusammengekommen, heißt es auf der Website des Bundestages. Der Ausschuss wird sich also in naher Zukunft mit den Plänen zum Terminal beschäftigen.
Pläne zurückgezogen - Prüfung von Alternativen
Nach der heftigen Kritik hat das Bundeswirtschaftsministerium im März die Planungen für eine Anlage vor Sellin zurückgezogen und prüft nun alternative Standorte, darunter auch Mukran. Schon im Februar hatte der Selliner Bürgermeister Reinhard Liedtke (Selliner Bürgerschaft) die Idee, das LNG-Terminal in den wenige Seemeilen entfernten Ortsteil von Sassnitz zu verlegen. Dort gibt es einen Tiefwasserhafen, ungenutzte Industrieflächen sowie Abstand zu Wohngebäuden und Hotels. Auch dieser Standort steht allerdings in der Kritik. Sowohl Vertreter der Grünen als auch der CDU im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns halten das Projekt für überdimensioniert.
Position der Landesregierung MV
Der Antrag der CDU, das laufende Genehmigungsverfahren für ein LNG-Terminal vor Rügen zu stoppen, fand im Landtag jedoch keine Mehrheit. Die rot-rote Koalition stimmte Ende März gemeinsam mit den Grünen und der FDP für einen Antrag, der sich für alternative Standorte zum inzwischen gestrichenen Projekt vor Sellin auf Rügen ausspricht. Mit Blick auf die zu gewährleistende Energiesicherheit in Deutschland wäre das falsch, sagte Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD). Doch zunächst müsse der Bund den Bedarf für ein zusätzliches Terminal nachweisen, so Meyer.
Scholz und Habeck zu Gesprächen auf Rügen
Die Proteste gegen ein LNG-Terminal und die Diskussion um dessen Standort dauern an. Erst Mitte April war bekannt geworden, dass die Bundesregierung nicht verbaute Röhren der deutsch-russischen Erdgaspipeline Nord Stream 2 für das LNG-Terminal gekauft hat. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) werden am Donnerstag in Binz auf der Insel Rügen erwartet. Sie wollen nach Angaben von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) mit Verbänden und den Inselbürgermeistern über die Pläne des Bundes für ein weiteres LNG-Terminal in Mecklenburg-Vorpommern sprechen.