Krankenhausreform beschlossen: So reagiert der Norden
Der Bundestag hat die von Bundesgesundheitsminister Lauterbach geplante Krankenhausreform beschlossen. Dem Minister zufolge handelt es sich um die größte Krankenhausreform seit 20 Jahren. Die Reform ist allerdings umstritten, Kritik kommt unter anderem aus dem Norden. Der Bundesrat muss den Plänen im November zustimmen.
Deutschlands Kliniken stehen vor einer umfassenden Neuordnung. Nach zwei Jahren Vorbereitung hat der Bundestag die umstrittene Krankenhausreform der Ampel-Koalition beschlossen. Für den von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgelegten Gesetzentwurf stimmten in namentlicher Abstimmung am Donnerstag 374 Abgeordnete. Es gab 285 Gegenstimmen und eine Enthaltung.
Union, Linke und BSW lehnten die Reform ab beziehungsweise forderten Korrekturen an dem Gesetzentwurf. Lauterbach sagte, dass der Umbau etwa zehn Jahre dauern und im Vergleich zu heute für eine modernere Krankenhausversorgung sorgen werde. Die Reform muss noch durch den Bundesrat. Sie ist dem Gesetzentwurf zufolge dort zwar nicht zustimmungsbedürftig, kann aber im Vermittlungsausschuss aufgehalten werden.
Was sind die wichtigsten Punkte der Krankenhausreform?
- Spezialisierung: Vor allem kleinere Krankenhäuser sollen in Zukunft weniger Leistungen anbieten und sich auf Eingriffe beschränken, die sie gut beherrschen. Patientinnen und Patienten sollen dadurch bessere Behandlungen bekommen - müssen unter Umständen aber längere Wege in Kauf nehmen.
- Finanzierung: Die bisherige Vergütung über Fallpauschalen soll eingeschränkt werden, weil sie dazu führen kann, dass Kliniken Behandlungen ausführen, die medizinisch nicht nötig sind. Künftig sollen Kliniken vor allem dafür bezahlt werden, dass sie bestimmte Leistungen anbieten und zusätzliche Mittel für wichtige Kernbereiche wie Pädiatrie, Geburtshilfe, Schlaganfallbehandlung, Traumatologie und Intensivmedizin erhalten.
- Reduzierung der Standorte: Durch die Reform soll das erwartete Kliniksterben begrenzt werden. Für die 1.719 Krankenhäuser gebe es bereits jetzt nicht genügend Personal, viele Kliniken schrieben laut Lauterbach zudem rote Zahlen: "Wenn es am Ende 20 Prozent Krankenhäuser weniger gibt, diese aber bessere Versorgung bieten, dann ist das aus meiner Sicht richtig." Deutschland habe die höchste Krankenhaus- und Bettendichte in Europa, viele Betten seien aber nicht belegt.
Wie reagieren die Länder auf die Reform?
Die Bundesländer drohen mit einer Blockade im Bundesrat und der Anrufung des Vermittlungsausschusses. Sie sind skeptisch, ob die Reform das befürchtete Kliniksterben im ländlichen Raum abwenden kann. Zudem fürchten sie hohe Kosten. Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) wollte sich mit Blick auf das Abstimmungsverhalten seines Bundeslandes beispielsweise noch nicht festlegen. Entscheidend sei neben der Bereitstellung von Geld, ob eine Auswirkungsanalyse deutliche Vorteile für Niedersachsen durch die Reform zeige. "Davon ist natürlich auch abhängig, wie wir uns dann Ende November im Bundesrat verhalten werden", so Philippi.
Niedersachsen: Gesundheitsminister Philippi zufrieden
Generell zeigte sich Philippi aber zufrieden mit der geplanten Reform. Das Wichtigste sei für ihn: Krankenhäuser, deren Erhalt er für notwendig hält, sehe er durch die Reform nicht mehr gefährdet. So sei der Erhalt vieler Fachkrankenhäuser in Niedersachsen gesichert, weil sie nicht mehr zwingend eine Abteilung für innere Medizin und Chirurgie anbieten müssten. Ganz anders bewertet die niedersächsische Krankenhausgesellschaft den geänderten Gesetzesentwurf. Aus ihrer Sicht sind die Forderungen der Länder nach wie vor nicht ausreichend berücksichtigt worden. Ihre Kritik: Die Krankenhäuser blieben unterfinanziert, die Reform sei zu bürokratisch, die Länder hätten zu wenig eigenen Spielraum bei der Krankenhausplanung.
Mecklenburg-Vorpommern: Krankenhausgesellschaft lehnt Reform ab
Mecklenburg-Vorpommerns Krankenhäuser lehnen das Gesetz geschlossen ab, wie der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Uwe Borchmann erklärte. Der Verband hatte die Bundestagsabgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern dazu aufgefordert, gegen das Gesetz zu stimmen, da erheblicher Nachbesserungsbedarf bestehe. Aus Sicht des Verbands sei unklar, was die Reform für die einzelnen Krankenhäuser im Land bedeute. Ebenso fehlten Finanzhilfen, um die Kliniken zu unterstützen, bis die Reform in einigen Jahren ihre Wirkung zeige. Hans-Martin Benad, Ärztlicher Direktor der Bodden-Kliniken Ribnitz-Damgarten, sieht die Gefahr, dass es im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern zu große Entfernungen zum nächsten Krankenhaus geben könnte. Er betonte, dass für die Notfallversorgung im Land die kleinen Krankenhäuser extrem wichtig seien.
Ganz anders sieht das Landesgesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD): Ohne die Reform drohe einigen Krankenhäusern die Zahlungsunfähigkeit. Gleichzeitig räumte sie nach der Abstimmung im Bundestag ein, dass bei so einer umfassenden Reform nicht an jeder Stelle "der ganz große Wurf" zu erwarten sei. Sie lobte außerdem die Verhandlungen in den vergangenen anderthalb Jahren und verwies auf die dadurch erwirkten zahlreichen Änderungen am ursprünglichen Gesetzentwurf. "Ein großer Erfolg für Mecklenburg-Vorpommern ist etwa der erhöhte Sicherstellungszuschlag für kleinere Häuser im ländlichen Bereich sowie der Erhalt einer flächendeckenden Notfallversorgung." Dadurch werde der wirtschaftliche Druck für die Krankenhäuser reduziert. In dem Bundesland gibt es insgesamt 37 Kliniken.
Schleswig-Holstein: Ländliche Krankenhäuser in Gefahr?
Die Gesundheitsministerin von Schleswig-Holstein, Kerstin von der Decken (CDU), die auch Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz ist, sorgt sich vor allem um den Erhalt von Krankenhäusern auf dem Land. "Wir brauchen eine Reform, aber eine gute. Die haben wir bisher nicht. Ich stelle fest, dass die wesentlichen, fachlich begründeten, Forderungen der Länder nicht berücksichtigt sind", teilte die Ministerin am Donnerstag mit. Sie kritisiert insbesondere das Fehlen einer tragfähigen Übergangsfinanzierung bis zum Greifen der Reform, welche sie frühestens im Jahr 2027 erwartet.
Außerdem geht ihr das Gesetz beim Bürokratie-Abbau im Gesundheitswesen nicht weit genug, auch wenn die Entlastung der Krankenhäuser zentraler Bestandteil der Reform sein sollte. Von der Decken stellt ebenso in Frage, ob die Finanzierung der Krankenhäuser so wie sie im Gesetz vorgesehen ist, funktioniert: "Sie ist hochkomplex, sie ist weiter fallzahlenabhängig und löst die bestehenden Probleme nicht", so die Ministerin nach der Abstimmung im Bundestag gegenüber dem NDR Schleswig-Holstein.
Hamburg: Sorge um Finanzierungslücke
In Hamburg sorgt sich die Sozialbehörde, ob es in der Übergangsphase der Reform genug Geld für die Kliniken geben wird. Ähnlich sehen es die Hamburger Krankenhäuser. Sie befürchten eine große Finanzierungslücke, die durch die Reform nicht geschlossen werde. Gleichzeitig zeigte sich die Sozialbehörde zuversichtlich, dass in Hamburg keine Klinik in Folge der Krankenhausreform schließen müsse. Hamburgs Sozial- und Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) sagte am Donnerstag, die Krankenhausreform werde dafür sorgen, dass Hamburg den Weg zur Gesundheitsmetropole weitergehen könne.