Frauen machen Karriere in MINT-Jobs - auch dank Netzwerken
Mittlerweile liegt der Frauenanteil in den noch männerdominierten MINT-Studienfächern bei rund 20 Prozent. Eine Karriere im technischen Bereich streben noch weniger Frauen an. Netzwerke können helfen.
Eigentlich wollte Britta Linnemann etwas ganz anderes lernen. Damals Ende der 1980er-Jahre träumte sie davon, Malerin zu werden. "Ich habe mich an der Kunsthochschule beworben und auch einen Platz bekommen. Das habe ich dann aber nur ein Semester gemacht. Und gedacht, wow, ganz viele alte Herren, die mir erzählen wollen, wie Malerei geht."
Gutes Geld aber ein Paradies ohne Frauen
Die Perspektive als Künstlerin wirklich Geld zu verdienen, ist zudem nicht gut. Sie zieht deshalb die Reißleine und wechselt in ein Fach mit mehr finanziellem Potenzial: Informatik. "Ich habe während meines ersten Semesters gleich Jobs angeboten bekommen und 50 D-Mark die Stunde verdient. Das war absoluter Wahnsinn! Ich dachte, hey, was für ein Paradies. Habe aber auch festgestellt, es ist ein Paradies ohne Frauen."
Männliche Kollegen treiben Scherze mit Kolleginnen
Ihr erster Job führt sie in die Autoindustrie: eine Männerbranche. Schon damals werden hier Frauen gesucht - aber, wenn sie dann als Berufsanfängerinnen kommen, nicht gerade freundlich behandelt. "Da hat mir tatsächlich der IT-Verantwortliche gesagt, ich soll mich mal an die Tastatur setzen und zeigen, ob ich überhaupt mit einer Tastatur umgehen kann. Ich dachte nur, oh, das bin ich schon lange nicht mehr gewöhnt, ich bin Diplom-Informatikerin! Ich habe mich dann hingesetzt und die ersten Aufgaben gemacht. Dann hat er gesagt: 'Du hast ja was auf dem Kasten!' Und er hat sich hinterher entschuldigt. Einerseits wollen sie mehr Frauen haben in der Branche - und andererseits werde ich hier so dämlich behandelt."
Berufswahl stand schon in der Schule fest
Eine ganze Generation später startet Nathalie Haußmann ebenfalls in die Autobranche. Sie ist Maschinenbauingenieurin. Dass sie Ingenieurin werden will, weiß sie schon in der Schule und sie nutzt die ganze Bandbreite der MINT-Frauen-Förderung. Als Frau in diesem Job akzeptiert fühlt sie sich trotzdem nicht. Auch sie wird immer mal wieder vor ein Bauteil gestellt und "abgefragt", was als Scherz gedacht ist aber bei ihren männlichen Kollegen nicht gemacht wird. "Es ist leider an vielen Stellen doch noch ein Kampf, den man tagtäglich kämpft. Das ist ein gesellschaftlicher Umbruch, den wir hier gemeinsam schaffen müssen. Quasi der Kampf unserer Generation von Frauen. Wir müssen nicht fürs Wahlrecht kämpfen, aber das ist unser Kampf."
Netzwerk bietet als geschützter Raum aktive Unterstützung
Schon im Studium suchte Nathalie Haußmann Mitstreiterinnen und fand sie im Netzwerk Femtec. Das Netzwerk richtet sich an Frauen in MINT-Studiengängen. Dazu gehört ein Stipendienprogramm, das junge Frauen in Projektgruppen an Unternehmen vermittelt. Nach dem Studium bleiben die Femtec-Frauen in einem Ehemaligen-Netzwerk in Kontakt. "Es einfach toll zu wissen, dass da ein Netzwerk ist. Da sind Frauen, die so ticken wie ich und da kann ich mir auch einfach mal einen Rat holen oder wir tauschen uns einfach aus."
Das Netzwerk bezeichnet Nathalie Haußmann als "safe space", also als einen Raum, in dem man sich geschützt mitteilen kann. Ihr ist dabei wichtig, dass es nicht zu einer "Kaffeeklatsch-Runde" verkommt, wie sie sagt, in der man sich beklagt über die Hürden im Job. Sondern dass sich die Frauen aktiv unterstützen: "Zum Beispiel, wenn etwas passiert im Unternehmen, da kommt die Führungskraft her und sagt, wir haben eine neue Stelle ausgeschrieben und man kann aus dem Effeff zehn Frauen dafür vorschlagen, die genau dazu passen würden."
Unternehmensgründung als weiterer Schritt in der Karriere
Auch Britta Linnemann hat ihre Karriere über Netzwerke vorangetrieben. Nach einigen Jahren im Job gründet sie ihr eigenes Unternehmen. Und tritt unter anderem dem Verband Deutscher Unternehmerinnen (VDU) bei. "Ich bin ganz bewusst in den VDU eingetreten, weil ich von denen lernen möchte, die es geschafft haben. Und ich bin wie so ein kleiner Welpe aufgenommen worden, aber immer wieder zurechtgestutzt worden. Das war schon anstrengend, aber ich wollte das auch. Ich wollte halt von den Besten lernen."
Einen Rat, den sie früh bekommt: "Du musst mehr klappern." Also nicht nur fachlich gut sein, sondern auch darüber reden. "Ich habe mir den Rat zu Herzen genommen und mich in Kongresse und Veranstaltungen gewagt und immer versucht, als Erste etwas zu sagen. Dabei bin ich halb gestorben vor Aufregung - es hat mich sehr viel Energie gekostet. Aber dadurch bin ich gewachsen und bin in dem Frauennetzwerk auch aufgefangen worden."
Als Mentorin aktiv für andere sein
Inzwischen ist Britta Linnemann mit ihrem Unternehmen sehr erfolgreich und eine derjenigen, die junge Frauen bei ihrer Karriere begleitet. Und auch Nathalie Haußmann ist, obwohl noch keine 30 Jahre alt, in ihrem Femtec-Netzwerk als Mentorin für MINT-Studentinnen aktiv. "Das finde ich einfach wichtig, dass wir das steigern, dass wir das skalieren. Damit wir irgendwann so einen 'safe space' nicht mehr brauchen, weil wir uns den in der Gesellschaft kreiert haben."