Das bisschen Haushalt? Care-Arbeit ist Milliarden wert
Care-Arbeit - die Tätigkeiten, die wir alle "nebenbei" machen, um unser Leben zu organisieren: putzen, kochen, einkaufen, uns um andere kümmern - all das ist unbezahlte Arbeit. Weltweit wird sie vor allem von Frauen geleistet.
Wenn diese Care-Arbeit gerechter in der Familie aufgeteilt wird, schafft das Freiräume für die meisten Frauen. Sie könnten also ihre Arbeitszeit beim Job erhöhen. Die App "WhoCares" will den Wert der unbezahlten Arbeit zu Hause sichtbar machen. "Also, ich habe hier in 174,5 Stunden 4.021 Euro verdient", erzählt Familienvater Andi, der die App "Who Cares" ausprobiert hat. Das wäre ein stattlicher Lohn für den Hamburger, für zwei Wochen Care-Arbeit.
Die App zeigt an, wieviele Stunden für welchen Bereich geleistet wurden
"Hier gibt’s eine Statistik, die sagt: 'Kinder', die sind immer dran, das sind 174 Stunden. Dann Management: 50 Stunden, 'Emo-Arbeit' ist auf dem dritten Platz und dann zehn Stunden Einkaufen, Putzen, Wäsche. Das macht einem halt bewusst, wie viel Zeit man damit verbringt", so Andi. Bei ihm waren das viele Stunden pro Tag. Doch das war nicht immer so. In den ersten vier Lebensjahren der Kinder hat sich seine Frau Edie komplett um die Kinder und den Haushalt gekümmert, er war von acht bis siebzehn Uhr im Büro. Bis sie nicht mehr konnte und anfing, die Rollenaufteilung zu hinterfragen: "Ich begann, die Strukturen in meinem Kopf zu überdenken. Ist es überhaupt richtig so, ist es gerecht? Und habe für mich beschlossen: Nein, ich möchte auch nicht später von Altersarmut betroffen sein, weil ich mich um die Kinder gekümmert habe."
Ökonomin beziffert den Wert der Arbeit
825 Milliarden Euro ist der Wert der unbezahlten Care-Arbeit, die pro Jahr in Deutschland geleistet wird; meist von Frauen, denn im Schnitt übernehmen sie doppelt so viel Care-Arbeit wie Männer. Und den Frauen fehlt am Ende das Geld: auf Giro- oder Rentenkonten. Dabei kommt die Care-Arbeit der Wirtschaft zugute, denn die braucht gut versorgtes, möglichst leistungsfähiges Personal, so die Ökonomin Christine Rudolf, die die Summe ausgerechnet hat. "Wir sehen, dass die Hauptarbeit in der Gesellschaft in der unbezahlten Arbeit steckt. Das heißt, dass diese Care-Arbeit eigentlich für das, was unsere Gesellschaft ausmacht, ungeheuer wichtig ist. Aber dadurch, dass sie in der Regel nicht mit Zahlen belegt wird, sondern nur eine gefühlte Größe ist, wird sie in der politischen Entscheidung nicht so berücksichtigt."
Neue Aufteilung in der Arbeit in den Familien soll angeregt werden
Bei Edie und Andi hat es viel Kommunikation, aber auch viel Streit gebraucht, bis es Klick gemacht hat, wie Andi sagt. Mittlerweile ist auch Edie wieder berufstätig: "Diese sechs Stunden Arbeit am Tag sehe ich eher als Erholung, denn das ist etwas, das ich für mich tue. Da konzentriere ich mich auf eine Sache. Bei der Kindererziehung, da hast du an manchen Tagen nicht die Zeit für einen klaren Gedanken - immer die Verantwortung für jemand anderen zu haben - 24/7."
Auch bei allen planerischen Dingen versuchen die beiden, Aufgaben besser zu verteilen: Welche Kleider braucht das Kind, wann steht der nächste Arzttermin an? Es klappt nicht perfekt, erschöpft sind sie oft beide, aber sie sind im Findungsprozess, wie sie sagen. Genau das ist es, was "WhoCares"-Initiatorin Lina Schwarz und ihre Mitstreiterin mit der App bewirken wollen. "Das ist kein individuelles Problem. Vielleicht streite ich mich mit meinem Partner hundertmal, wer das Bad putzt, aber es geht auch anderen so. Es ist gesamtgesellschaftlich so, auch in dem bezahlten Bereich der Care-Arbeit: Pflege, Kindererziehung, Putzen. Wenn man da hinschaut, sieht man die mangelnde Wertschätzung und, dass es immer wieder von Frauen gemacht wird, dass ihnen das nahegelegt wird."
Neue Arbeitszeitmodelle können die Produktivität und Zufriedenheit erhöhen
Das Ehegatten-Splitting und zu wenige Betreuungsplätze für kleine Kinder führten dazu, dass es sich nicht zwangsläufig lohne, wenn beide arbeiten gehen. Dies müsse sich ändern - ebenso, wie die Arbeitszeitmodelle. Ökonomin Christine Rudolf: "Arbeitszeit bei Lohnausgleich zu verkürzen: Alle Studien deuten darauf hin, dass beide Seiten von so einem Modell profitieren. Die Arbeitsproduktivität wird erhöht, auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis, die Arbeitszufriedenheit erhöht sich - und es gibt die Möglichkeit, bei weniger Arbeitszeit für beide Geschlechter die Care-Arbeit geschlechtergerechter zu verteilen."
Wenn alle mehr Zeit hätten, würde es nicht automatisch bedeuten, dass Männer und Frauen die Care-Arbeit fairer aufteilen. Aber die Aushandlungsprozesse würden leichter, und der Wert des Kümmerns gesellschaftlich womöglich höher angesehen.