Nach Europawahl: Günther fordert Miteinander gegen AfD
Am Tag nach der Europawahl ist die Stimmung bei SPD und Grünen getrübt. Union und AfD sehen sich als Wahlgewinner. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident ruft nun zu einem Miteinander gegen die AfD auf.
Dem vorläufigen Ergebnis der Europawahl zufolge wurden die Grünen in Hamburg entgegen dem Bundestrend stärkste Partei, gefolgt von der SPD. In Mecklenburg-Vorpommern holte die AfD die meisten Stimmen. Dort fuhr die SPD, die MV gemeinsam mit der Linken regiert, lediglich rund 10 Prozent der Stimmen ein und kam auf Platz vier. Auch in Niedersachsen konnte sich die regierende SPD nicht durchsetzen - dort landeten die Sozialdemokraten hinter der CDU auf Platz zwei. In Schleswig-Holstein gewann ebenfalls die CDU.
Günther sieht im Miteinander Lösung gegen AfD
"Trotz der Freude über unser eigenes Landesergebnis sind die Werte für die AfD, die in ihrem Wahlkampf gegen Europa und gegen internationale Zusammenarbeit Stimmung gemacht hat, ein bitteres Ergebnis", sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Das Erfolgsrezept gegen die AfD könne für alle demokratischen Parteien nur lauten: "lösungsorientiertes Arbeiten und mehr Miteinander als Gegeneinander". Die AfD war im Gegensatz zum Bundestrend in Deutschlands nördlichstem Bundesland mit 12,2 Prozent der Stimmen bei der Europawahl lediglich auf dem vierten Platz gelandet.
SPD Niedersachsen spricht von "Weckruf für Bundesebene"
Niedersachsens SPD-Generalsekretärin Dörte Liebetruth bezeichnete das Ergebnis als "Denkanstoß oder Weckruf für die Bundesebene". Sie äußerte Kritik am Auftreten der Ampelregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD). "Was wir uns wünschen, ist, dass diese Bundesregierung die Probleme dieses Landes gemeinsam löst und dass sie gemeinsam, wenn es koalitionsinterne Probleme gibt, die hinter verschlossenen Türen klärt und dann nach außen geht und weiter diese Probleme löst», sagte Liebetruth am Montag in Hannover.
Der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil sprach auf NDR Info von einem bitteren Wahlergebnis. Es sei ein Signal an die SPD, dass Dinge anders werden müssen.
Norddeutsche CDU-Politiker: "Einzige Bastion gegen Rechts"
Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Landeschef Daniel Peters sagte, die Union sei "die einzige Bastion gegen den rechten und den linken Rand". Die Wahl sei auch eine Abstimmung über die Arbeit der Ampel. Und diese Abstimmung habe Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) "krachend verloren", so Peters.
Auch Hamburgs CDU-Vorsitzender Dennis Thering wertete das Ergebnis der Union als Erfolg. Die Berliner Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP sei dagegen regelrecht abgestürzt.
Schleswig-Holstein: Grüne verlieren besonders heftig
In Schleswig-Holstein siegte laut vorläufigem Ergebnis die CDU mit 30,2 Prozent (plus 4,0 Prozent gegenüber 2019). Hingegen schnitten die Grünen mit 15,4 Prozent nur noch etwa halb so gut ab wie 2019, als sie in SH stärkste Kraft waren. Die SPD fällt leicht ab auf 16,7 Prozent. Leicht verbessert hat sich die FDP mit 6,3 Prozent. Die AfD konnte in SH ihr Ergebnis der vergangenen Europawahl (7,5 Prozent) deutlich verbessern - auf 12,2 Prozent.
Grünen-Landeschefin Anke Erdmann sagte, ihre Partei habe damit gerechnet, dass man nicht an das Rekordergebnis der letzten Europawahl anknüpfen könne. "Letztes Mal war es eine Klimawahl. Die fünf Jahre, die zwischen der letzten Wahl und dieser Wahl lagen, haben die Welt komplett anders gemacht. Und deswegen sind wir nicht begeistert, aber auch nicht überrascht."
Schleswig-Holsteins SPD-Chefin Serpil Midyatli sagte: "Unsere Themen haben offenbar nicht verfangen. Wir wollten unser Wahlziel ja verbessern und nicht bei diesem historisch schlechten Ergebnis bleiben." Mit Blick auf das Abschneiden der AfD meinte sie: "Da haben alle demokratischen Parteien das Wahlziel verfehlt. Das heißt, heute ist kein guter Tag für die Demokratie - weder in Deutschland noch auf der europäischen Ebene. Und da müssen wir alle ran."
Niedersachsen: CDU vorn - SPD auf Platz zwei vor AfD
Auch in Niedersachsen wurde die CDU laut vorläufigem Ergebnis stärkste Kraft. Die Christdemokraten kommen dort auf 31,4 Prozent und konnten leicht zulegen im Vergleich zur Wahl 2019 (29,9 Prozent). Zweitstärkste Kraft in Niedersachsen ist die SPD mit 19,5 Prozent (2019: 20,9 Prozent). Die AfD kommt in Niedersachsen auf 13,2 Prozent und schneidet damit deutlich besser ab als noch 2019 (7,9 Prozent). Die Grünen müssen hingegen fast mit einer Halbierung ihres Ergebnisses klarkommen - auf nun 12,2 Prozent (2019: 22,6 Prozent). Die FDP kommt laut vorläufigem Ergebnis in Niedersachsen auf 5,3 Prozent, das Bündnis Sahra Wagenknecht auf 4,5 Prozent und die Linke auf 2,1 Prozent.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) äußerte sich enttäuscht vom Abschneiden seiner Partei: "Das ist ein richtig schlechtes Ergebnis für die SPD insgesamt im Bund und in allen Ländern." Man sei bereits von einem sehr niedrigen Niveau gekommen und dies habe man noch einmal unterschritten, sagte Weil im NDR. Das Ergebnis biete für die Bundesebene eine Menge Denkanstöße.
MV: AfD-Chef bringt Neuwahl ins Spiel - Schwesig kritisiert Ampel
Nach Auszählung aller Wahlbezirke in Mecklenburg-Vorpommern haben dort 28,3 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die AfD gestimmt. Die CDU kommt demnach mit 21,5 Prozent auf Platz zwei, gefolgt vom BSW mit 16,4 Prozent. Die SPD erreicht 10,3 Prozent, die Linke 4,9 Prozent, die Grünen 4,8 Prozent und die FDP 2,6 Prozent.
AfD-Landeschef Leif-Erik Holm sagte bei NDR Info, man habe die politische Landkarte blau gefärbt: "Es ist ein enormer Erfolg für uns." Vor allem kommunal sei man stärker als vor fünf Jahren. Auch die hohe Anzahl an EU-Abgeordneten sei so vor einigen Tagen nicht erwartet worden. Holm zeigte sich zuversichtlich, Teil einer neuen Koalition im EU-Parlament zu werden. Die AfD war kurz vor der Europawahl aus der nationalistischen Fraktion Identität und Demokratie (ID) ausgeschlossen worden. Die neu gewählten Abgeordneten stimmten am Montag dafür, ihren bisherigen Spitzenkandidaten Maximilian Krah nicht in die künftige AfD-Delegation im Europaparlament aufzunehmen.
Aus MV wird laut Hochrechnungen nur eine einzige Kandidatin ins EU-Parlament einziehen - Sabrina Repp für die SPD. Ministerpräsidentin und SPD-Landeschefin Manuela Schwesig sagte: "Das war unser Ziel". Das Abschneiden ihrer Partei bei der Europawahl insgesamt sei enttäuschend, so Schwesig. "Das Wahlergebnis ist ein Signal an die Ampel in Berlin. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass Aufgaben gemeinsam angepackt werden."
Die Grünen in MV bezeichneten das Ergebnis ihrer Partei als nicht zufriedenstellend: "Seit 2019 hat sich die Grundstimmung im Land deutlich verändert und ist nun durch Ängste und Sorgen geprägt", argumentierte der Co-Landesvorsitzende Ole Krüger.
Hamburg: Grüne stärkste Partei - Volt vor Linke und BSW
Laut vorläufigem Ergebnis holten in Hamburg - gegen den Bundestrend - die Grünen die meisten Stimmen: 21,2 Prozent. Gegenüber der letzten Europawahl ist dies allerdings ein Minus von fast 10 Prozentpunkten. Zweitstärkste Kraft wurde die SPD mit 18,7 Prozent (minus 1,1 Prozentpunkte). Platz drei holte die CDU mit 18,4 Prozent (plus 0,7 Prozentpunkte). Die AfD landete auf Rang vier mit 8,0 Prozent (plus 1,5 Prozentpunkte), die FDP holte 7,0 Prozent (plus 1,4 Prozentpunkte), Volt holte 6,0 Prozent (plus 4,8 Prozentpunkte), die Linke 5,1 Prozent (minus 1,8 Prozentpunkte) und das BSW 4,9 Prozent.
Die SPD-Landeschefs Melanie Leonhard und Nils Weiland hatten zuvor bereits von einer Enttäuschung für ihre Partei gesprochen. Viele Menschen seien angesichts der globalen Krisen verunsichert. "Es ist nun die wichtigste Aufgabe für die SPD, wieder Vertrauen zu gewinnen und mit einer konsequenten Ausrichtung auf Stabilität und soziale Sicherheit zu punkten."
Hamburgs AfD-Vorsitzender Dirk Nockemann nannte das Abschneiden seiner Partei ein "bärenstarkes Ergebnis". Angesichts "massiver Antifa-Gewalt, Schmutzkampagnen und dem polit-medialen Dauerfeuer ist dieser Erfolg nicht selbstverständlich".
Hamburgs Linken-Vorsitzende Sabine Ritter äußerte sich enttäuscht. Die Linken seien dem monatelangen Abspaltungsprozess des BSW zum Opfer gefallen. "Und insgesamt, muss man leider feststellen, erleben wir europaweit einen gewaltigen Rechtsruck." Hingegen ist Hamburgs FDP-Vorsitzende Sonja Jacobsen zufrieden mit dem Abschneiden ihrer Partei: "Unsere Botschaft für Europa ist gehört worden", sagte sie im NDR.
Wahlbeteiligung höher als 2019
Die bundesweite Wahlbeteiligung lag mit 64,8 Prozent höher als vor fünf Jahren, als es noch 61,4 Prozent waren. In Hamburg betrug die Beteiligung laut vorläufigem Wahlergebnis 65,7 Prozent, ein historisches Hoch. In Mecklenburg-Vorpommern lag sie bei 64,4 Prozent und damit höher als 2019 (57,2 Prozent). In Schleswig-Holstein war die Wahlbeteiligung mit 64,4 Prozent deutlich höher als vor fünf Jahren, als 59,8 Prozent der Berechtigten ihre Stimme abgegeben hatten. In Niedersachsen lag die Wahlbeteiligung bei 64,1 Prozent, 2,6 Prozentpunkte mehr als 2019.
In Deutschland waren rund 65 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Das Mindestalter lag hierzulande erstmals bei 16 statt bisher 18 Jahren.
Bezirkswahlen in Hamburg und Kommunalwahlen in MV
In Hamburg fanden parallel zur Europawahl Bezirkswahlen statt. Dabei wurde die SPD insgesamt stärkste Kraft, die Grünen verloren deutlich Stimmenanteile.
Auch in Mecklenburg-Vorpommern wurden neue Kommunalparlamente gewählt. Diese endeten für die Regierungsparteien SPD und Linke in einem Debakel, die AfD ist in drei Kreistagen vorn, das BSW erzielt ebenfalls Erfolge.