Einigung bei Flüchtlingsgipfel: Länderchefs im Norden sehen Teilerfolg
Der Bund wird die Flüchtlingspauschale an die Länder in diesem Jahr um eine Milliarde Euro erhöhen. Das kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwochabend nach den Bund-Länder-Gesprächen an. Die Länderchefs sehen in der Vereinbarung einen ersten wichtigen Teilerfolg.
Mit der Erhöhung der Flüchtlingspauschale sollen die Länder unterstützt werden, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren, heißt es im gemeinsamen Beschluss von Bund und Ländern. Man sei sich einig, dass es sich bei der Bewältigung der Fluchtmigration um eine dauerhafte Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen handelt, hielten die Teilnehmer des Treffens weiter fest. Bund und Länder wollen in den kommenden Monaten gemeinsam klären, wie die Finanzierung dieser Aufgabe in Zukunft geregelt werden kann. Eine Entscheidung dazu soll bei einer Zusammenkunft im kommenden November getroffen werden.
Bundeskanzler Scholz berichtete bei der abschließenden Pressekonferenz von einem Treffen, das "konstruktiv und gut" gewesen sei. "Ich finde, das ist ein guter Tag des deutschen Föderalismus, den wir heute haben." Mit Blick auf eine dauerhafte Lösung der Kostenverteilung sagte Scholz: "Wir haben eine Diskussion vor uns, die auch jede Mühe wert ist, das will ich ausdrücklich sagen. Aber die Aufgabe zu lösen, ist auch nicht einfach, weil in den letzten Jahren viel passiert ist", so Scholz. "Wir gehen da als offener Prozess rein und das Ergebnis kann niemand vorhersagen."
Weil: "Ergebnis übertrifft meine Erwartungen"
"Wir sind uns, Bund und Länder, der gemeinsamen Verantwortung bewusst", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nach dem Treffen im Kanzleramt. Er sei von dem Ergebnis des Treffens sehr positiv überrascht. Der Beschluss sei besser als das, was er noch vor ein oder zwei Tagen für möglich gehalten habe, sagte Weil, der auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist. Er betonte aber auch, dass aus Sicht der Länder noch weitere Finanzierungsfragen zu klären seien: "Die Diskussion ist eben nicht zu Ende, sondern sie wird sehr vertieft fortgesetzt werden." Nach den Beratungen am Mittwoch in Berlin sei er aber zuversichtlich, zu weiteren Ergebnissen zu kommen.
Tschentscher: "Lange Sitzung mit gutem Ende"
Auch Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zeigte sich nach dem Treffen zufrieden. "Die Sitzung hat etwas länger gedauert als geplant, aber sie hat ein gutes Ende genommen", sagte Tschentscher nach den Beratungen. Aus Hamburger Sicht habe es drei wesentliche Themen gegeben: Die Finanzierung der Flüchtlingskosten, die Beschleunigung der Asylverfahren und die Verteilung der Geflüchteten innerhalb Deutschlands.
Schwesig sieht ersten Teilerfolg für die Länder
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sieht nach dem Bund-Länder-Gipfel zu den Flüchtlingskosten einen ersten Teilerfolg für die Länder. "Wir sind uns einig, dass die Aufnahme von Flüchtlingen eine Daueraufgabe ist, wir sind uns auch einig, dass wir dafür ein Finanzierungssystem brauchen", sagte Schwesig im Anschluss an den Gipfel. Aus ihrer Sicht habe der Bund anerkannt, dass höhere Flüchtlingszahlen höhere Zuschüsse zur Folge haben müssen. Schwesig betonte: "Die Aufnahme von Flüchtlingen ist ein Gebot der Humanität." Bei den Beratungen habe sie jedoch deutlich gemacht, dass es praktische Grenzen gebe, die vor Ort erreicht seien. Als Beispiel nannte sie Wohnraum sowie Kita- und Schulplätze. Wenn diese Probleme nicht gelöst würden, müsse mit Akzeptanzproblemen bei der Bevölkerung gerechnet werden, so die Ministerpräsidentin.
Günther: "Ein Verdienst von 16 Ländern"
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sprach nach dem Treffen von einem zähen Ringen mit dem Bund. "Dass wir schlussendlich ein Signal in die richtige Richtung senden konnten, war ein Verdienst von 16 Ländern." Die Ministerpräsidenten hätten an einem Strang gezogen und dem Bund klargemacht, dass die aktuellen Herausforderungen eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen seien. Der Bund habe anerkannt, dass es sich um eine Daueraufgabe handelt und er sich dauerhaft an der Finanzierung der Flüchtlingskosten beteiligen wird. Das sei positiv, sagte Günther. Eine Milliarde Euro mehr sei aber ein Zeichen des Bundes. "Und es zeigt, dass er eingesehen hat, dass er sich auch bei steigenden Flüchtlingszahlen stärker an der Finanzierung beteiligen muss." Auf der Basis werde jetzt weiterverhandelt.
Ausreisegewahrsam soll verlängert werden
Um Deutschlands Kommunen angesichts steigender Flüchtlingszahlen zu entlasten, sollen Asylverfahren beschleunigt und Abschiebungen konsequenter durchgesetzt werden. Unter anderem hätten sich Bund und Länder darauf verständigt, die maximale Dauer des Ausreisegewahrsams von derzeit zehn auf 28 Tage zu verlängern, sagte Kanzler Scholz. Vereinbart wurden seinen Angaben zufolge auch erweiterte Zuständigkeiten der Bundespolizei und ein verbesserter Informationsaustausch zwischen Justiz- und Ausländerbehörden. "Um Bund, Länder und Kommunen zu entlasten, ist die irreguläre Migration spürbar zu reduzieren", heißt es in dem Beschluss, auf denen sich die Teilnehmer des Flüchtlingsgipfels einigten. Wer dafür die Verantwortung trägt, blieb allerdings offen.
Länder forderten eigentlich monatliche Pro-Kopf-Pauschale
Die Bundesländer hatten ursprünglich in einem Beschlussvorschlag gefordert, dass sich die Zahlungen des Bundes flexibel an der Zahl der aufgenommenen Menschen orientieren müssten. Unter anderem forderten die Länder eine "allgemeine, flüchtlingsbezogene monatliche Pro-Kopf-Pauschale" für Unterbringung und Versorgung sowie verlässliche Zahlungen für die Kosten der Integration aller Geflüchteten und für unbegleitete Minderjährige. Ein derartiges System hatte es bis 2021 gegeben, als der Bund pro Flüchtling 670 Euro zahlte. Zu der Frage eines solchen "atmenden Systems" wird nun eine Arbeitsgruppe geschaffen.
Was der Bund bereits bezahlt
Für das laufende Jahr hatte der Bund bereits 1,5 Milliarden Euro für die Geflüchteten aus der Ukraine zugesagt, außerdem eine allgemeine flüchtlingsbezogene Pauschale von 1,25 Milliarden Euro. Darüber hinaus zahlt der Bund für ukrainische Vertriebene und für anerkannte Flüchtlinge aus anderen Staaten, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten, Sozialleistungen sowie 2,7 Milliarden Euro für Integrationsangebote wie Sprachkurse.
Im März waren nach Angaben der Länder mehr als 3.100 Asylbewerber in den Norden gekommen. Im Vorjahr waren es gut 2.300 Schutzsuchende gewesen. Die meisten von ihnen stammen aus Syrien, Afghanistan und der Türkei. Hinzu kommen mehrere Hundert Ukrainerinnen und Ukrainer, von denen zwar nicht alle eine Unterkunft benötigen. Sie brauchen aber ebenfalls Sprachkurse, müssen bei der Integration begleitet werden und erhalten Sozialleistungen.