Kommentar: Ursachen der Gewalt gegen Einsatzkräfte bekämpfen
Die Angriffe auf Einsatzkräfte an Silvester - insbesondere Attacken auf ehrenamtliche Retter und Retterinnen haben für große Empörung gesorgt. Harte Strafen und Böllerverbote wurden gefordert. In seinem Hamburg Kommentar sagt Heiko Sander: Beides bekämpft nicht die Ursachen.
Die Übergriffe in der Silvesternacht haben für Kriminologen und Kriminologinnen eine perfide Logik: Die gesellschaftlichen Außenseiter attackieren die Retter und Retterinnen, eben weil diese höchste Wertschätzung erfahren. Sie hindern freiwillige Feuerwehrleute am Löschen, damit sie eben nicht "die Guten" sein können.
Es werden tradierte Männlichkeitsbilder ausgelebt
Nach der Silvesternacht hat die Hamburger Polizei knapp zwei Dutzend Tatverdächtige identifiziert. Alles Männer. Zwischen 18 und 24 Jahren. Mehr als 70 Prozent sind Ausländer oder haben offenbar einen Migrationshintergrund. Aber was heißt Migration? Viele sind hier geboren, nicht wenige Eltern sind längst integriert. Aber die Jungs schießen quer - an Silvester, zu Halloween, bei jedem Anlass. Soziologen und Soziologinnen sagen, hier werden tradierte Männlichkeitsbilder ausgelebt. Nach dem Motto: Man(n) setzt sich durch. Gewalt ist kein Tabu. Ein Macho-Image hinter dem die beruflichen Perspektiven weit zurückbleiben.
Eine soziale Pflichtzeit für alle
In den sozialen Brennpunkten haben sich deutlich mehr Menschen - mit und ohne Migrationshintergrund - von unserer Gesellschaft entfremdet. In manchen Stadtteilen geht nur noch ein Viertel der Wahlberechtigten zur Wahl. Aber wir können es uns nicht leisten, dass hier eine staatsferne Schicht entsteht. Wir müssen mehr Bildungs- und Ausbildungschancen bieten. Aber wir müssen den jungen Männern auch den Kopf zurechtrücken. Strafen bewirken häufig wenig, aber wir dürfen sie in die Pflicht nehmen. Die Idee der sozialen Pflichtzeit. Wie damals der Zivildienst. Nicht freiwillig, sondern für alle jungen Männer und Frauen.
Zusammenhalt durch alle Schichten fördern
Das könnte den Zusammenhalt fördern - durch alle Schichten. Und hier könnte eine Chance liegen, rauszukommen aus dem eigenen Milieu, um etwas Sinnvolles für die Gesellschaft zu tun. Vielleicht findet sich mancher Raketen-Rabauke dann auf der anderen Seite wieder: Und erfährt als ehrenamtlicher Helfer die Wertschätzung, die er vermisst hat.