Oper "Strandrecht" in Schwerin: Musikalischer Oktopus mit acht Armen
Arme Fischer, die ihrem Glück ein klein wenig nachhelfen: Darum geht es in der Komposition "Strandrecht" der Britin Ethel Smyth. Die selten aufgeführte Oper feiert nun am Freitag in Schwerin Premiere.
Wenn das Stichwort Oper fällt, haben viele ein oder mehrere Werke vor Augen beziehungsweise im Ohr. Komponisten wie Verdi, Puccini, Mozart, Bizet und viele andere Männer sind präsent. Aber Komponistinnen, die eine Oper geschrieben haben? Das scheint eine Frage für Musikexperten zu sein. Am Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin hat eine Komposition der Britin Ethel Smyth Premiere.
"Das Stück ist ein musikalischer Octopus, das umarmt einen mit acht Armen und lässt einen nicht los. Es sind ein paar Arme zu viel und man muss sehr daran arbeiten, eine Durchsichtigkeit herzustellen, auch eine Klarheit herzustellen", sagt Mark Rohde.
Für den Chefdirigenten der Mecklenburgischen Staatskapelle war die Arbeit an der Oper "Strandrecht" eine ebenso neue Herausforderung wie für Regisseurin Daniela Kerck: "Die Musik ist wahnsinnig wuchtig und es ist ein großes Chorstück. Es gehört einfach gespielt. Ich finde, was Ethel Smyth für ihre Zeit komponiert hat, ist fantastische Musik. Ich kannte die Oper nicht. Wir haben anderthalb Jahre daran gearbeitet. Die meisten Erkenntnisse hatten wir im Probenprozess zusammen mit dem Dirigenten. Mark Rohde war ein toller Gefährte in der Entdeckung des Stückes."
Dorfbewohner helfen bei Schiffsunglücken nach
Das Stück handelt von einem moralischen Dilemma: An der englischen Küste wohnen in einem Fischerdorf arme, zugleich sehr gottesfürchtige Menschen. Sie haben sich das Recht herausgenommen, von dem zu leben, was am Strand angespült wird. Das Leben wird immer schwieriger.
Also helfen die Dorfbewohner nach, löschen das Feuer des Leuchtturms, hoffen darauf, dass Schiffe in der Dunkelheit an der Steilküste zerschellen. Die Folgen stellen das Zusammenleben der Dorfbewohner auf die Probe.
Uraufführung 1906 in Leipzig
"Strandrecht" erlebte 1906 ihre Uraufführung in Leipzig. Ethel Smyth schrieb gleich mehrere Fassungen ihrer Oper, wie Daniela Kerck herausstellt: "Es wurde in Französisch geschrieben. Da sie in Leipzig war, wurde die Oper außerdem in Deutsch verfasst." Dann sei Smyth nach England gegangen. "Es gibt eine englische Fassung, und ich glaube, dass sie immer wieder an ihrem Werk weitergearbeitet hat. Sie hatte aber nicht das Glück, dass sie es, wie andere Komponisten, zu ihrer Zeit korrigieren konnte." Das war ihr verwehrt - auch als Frau. Sie habe nie als Kapellmeisterin arbeiten können, meint Rohde.
Smyth hat eigene Musiksprache mit verschiedenen Stilen
Diese Oper, die in den vergangenen Jahrzehnten sehr selten aufgeführt wurde, so heißt es, gehöre zur Spätromantik: "Spätromantik ist ein herrlich dehnbarer Begriff, und deswegen trifft es das ganz gut. Es sind viele verschiedene stilistische Elemente drin. Smyth hat eine sehr eigene Musiksprache, teilweise auch eigenwillig. Plötzlich kommt der 'fliegende Holländer' durch, dann ist ein bisschen Tschaikowsky drin. Es sind sehr viele Assoziationen, die man mit dieser Musik verbindet", findet Dirigent Rohde.
Er hat sich diese Komposition mit der Mecklenburgischen Staatskapelle vor allem in den Proben erarbeitet: "Das führt dazu, dass man sagt: Das macht Spaß. Das ist eine gute Komposition. Das ist ein wirklich sehr ernst zu nehmendes Werk. Ich hoffe, dass unser Publikum auf diese Schiene einschwenken kann. Denn wenn man es das erste Mal hört, dann ist es ein Oktopus. Er überwältigt einen erst einmal. Es ist aber eine fesselnde Geschichte", so Rohde.
Suche nach der Essenz der Oper
Da es so viele Fassungen von "Strandrecht" gibt, sagt Daniela Kerck, war sie als Regisseurin auf der Suche nach dem eigentlichen Stück: "Ich habe immer überlegt: Wo ist eigentlich die Essenz des Abends und wie kann man das den Zuschauern erzählen? Denn es gibt ganz tolle Momente und die lösen sich eigentlich erst zum Schluss ein und da muss man hin. Ich fand es sehr schwierig, das zu finden, weil es nicht so viele Aufführungen gab."
Die Schweriner Aufführung - die erste von "Strandrecht" am Mecklenburgischen Staatstheater - vereint in einem tiefen, in schwarz-grau gehaltenen Bühnenbild gleich neun Solisten und einen gefühlt permanent sich auf der Bühne agierenden großen Chor. Strandrecht ist eine Opern-Entdeckung.