Hurricane Festival-Blog 2023: Da bin ich wieder!
Von Freitag bis Sonntag steigt auf dem Eichenring in Scheeßel eines der größten Musikfestivals in Deutschland. Auch in diesem Jahr bloggt NDR Musikjournalist Matthes Köppinghoff wieder beim Hurricane in Niedersachsen und berichtet von seinen Beobachtungen.
Wer mich noch nicht kennt, eine kurze Vorstellung meinerseits: Ich bin Matthes Köppinghoff, Musikjournalist beim NDR. Wenn ich nicht in der NDR Kultur Musikredaktion sitze, blogge ich beim Reeperbahn Festival. Doch im vergangenen Jahr hat man mich auch nach Scheeßel geschickt - und so schlimm kann's nicht gewesen sein, denn man hat mich auch in diesem Jahr hier hinbestellt. Ich freue mich also wieder darauf, für Euch vom Hurricane zu berichten!
Anreisetag zwischen Staub und Gabelstaplern
Da wären wir wieder: Es ist Donnerstag, der 15. Juni 2023, Anreisetag beim Hurricane Festival. Frisch angekommen in Scheeßel, flüchte ich mich von einem ungünstigen Platz zum nächsten - will sagen, noch stehe ich vor allem viel im Weg rum. Selbst schuld, wer gerne oberpünktlich ist. Starke und fachkundige Menschen schrauben noch an den Bühnen rum, verlegen Kabel und sorgen zum Beispiel dafür, dass es hier auf dem Gelände der Motorrad-Sandrennbahn Eichenring Strom für uns alle gibt.
Live-Musik hingegen gibt's noch keine - erst gegen Abend treten vereinzelte Acts auf. Daher beschränke ich mich vorerst auf meine Inselbegabungen: schlau, wichtig oder hilflos zu gucken - und irgendwas über Musik schreiben. Während ich also Gabelstaplern ausweiche oder im Staub auf meine Laptoptastatur einhacke, wobei durch meine billigen Noise-Cancelling-Kopfhörer "Pure Morning" von Placebo dröhnt (die spielen hier am Sonntag), erinnere ich mich an die Hinfahrt im Bus.
Smalltalk im Bus
Da gab es vor allem Smalltalk: Seit wann gibt's nochmal das Hurricane? Länger als das Wacken? Schnell bei Wikipedia geprüft: Das Wacken Open Air in Schleswig-Holstein (DAS Metal-Festival schlechthin) gibt es seit 1990, das Hurricane Festival in Niedersachsen findet hingegen seit 1997 statt. Seitdem ist es zu einem der größten Musikfestivals in Deutschland gewachsen. Musikfans, die sowohl große Namen aus Rock, Pop, Hip-Hop und Indie sehen möchten, aber auch ein bisschen was abseits davon, kommen hier auf ihre Kosten. Während wir an den Feldern von Scheeßel (also den Campingflächen für zehntausende von Festivalbesuchern) vorbeifahren, hören wir im Autoradio die Nachrichten; das Heizungsgesetz geht in den Bundestag.
Wie geht eigentlich nachhaltig?
Und da Pop-Musik immer auch ein Kommentar zur Gegenwart ist, eine kleine Zwischenfrage: Wie ist das eigentlich mit Energie-Verbrauch und Umweltschutz bei Großveranstaltungen? Wenn man wirklich rundum nachhaltig beispielsweise ein Hurricane Festival ausrichten möchte? Unser Bus hält auf dem Parkplatz, und da ich sowieso vorerst doof in der Gegend herumstehe und niemanden habe, den ich fragen könnte, schaue ich mich erstmal so um.
Grün rockt - ein bisschen
Zwar steht beim Hurricane Festival das Thema Nachhaltigkeit ganz oben auf der Prioritätenliste - Stichwörter Green Camping, Recycling oder die Aktion "Grün rockt!" - aber natürlich ist eine Veranstaltung dieser Größenordnung nicht ohne Gabelstapler, Kräne, Quads, Lieferbusse, Trucks, Nightliner und alle möglichen anderen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zu bewerkstelligen. Mobile Generatoren dröhnen, die unter anderem auf dem ganzen Areal Fressbuden noch und nöcher versorgen: Auch Festivalbesucherinnen und Festivalbesucher in Norddeutschland möchten nicht auf Köstlichkeiten aus aller Welt verzichten.
Gute Absichten hin, Realität her: So richtig grün sieht das, trotz meiner Farbenblindheit, noch nicht aus. Aber nun gut, es gibt einerseits die angesprochenen Ansätze, andererseits bestimmt (also hoffentlich) in den nächsten Jahren weitere Pläne und Umsetzungen. Und es gibt ja dazu tolle Aktionen wie Hanseatic Help: Hier kann man nach dem Festival gebrauchtes Camping-Zeugs für Leute spenden, die es brauchen.
Es ist mal wieder warm
Themenwechsel, kommen wir doch zum Wetter: In diesem Jahr ist es hier mal wieder bullig warm. Bei meinem ersten Spaziergang über das Gelände sieht das alles etwas trocken und ein bisschen nach Steppe aus - auch, wenn Tankfahrzeuge mit Wasser sprengen. Aber nicht zu viel - Wasser ist hier ebenfalls knapp. Ansonsten steht aber eigentlich schon alles: die großen Bühnen, das Riesenrad, die Merch-Stände, Tattoo-Buden und und und. Am Horizont sehe ich das Camping Areal (von mir liebevoll "Mordor" getauft), dazu Festival-Fans, ausgestattet mit Bollerwagen, Dosenbier und allem möglichen und unmöglichen Camping-Equipment, wie sie ihre Festivalbändchen abholen gehen. Welch friedliches Bild! Auf dass es eine friedliches und entspanntes Hurricane werden möge.
Darauf freue ich mich am Freitag
Wieder auf dem staubigen Parkplatz angekommen, sortiere ich auf ein Neues meine Festival-App, mein grober Plan dafür, welche Konzerte ich mir in den nächsten Tagen anschauen möchte. Ich könnte jetzt alle möglichen Headliner-Namen runterrattern, aber hier konzentriere ich mich jetzt erst einmal auf den Festivalfreitag. Los geht's: Wer eine Art "Oasis-Coverband entwickelt sich allmählich zur Coldplay-Coverband aus Australien" haben möchte, der kann sich die DMA's um 16:30 Uhr anschauen. Bei den Donots (auch im Stream) gehe ich bestimmt vorbei, will hier aber unbedingt noch Betterov empfehlen. Sein Konzert beim Reeperbahn Festival ist mir in schöner Erinnerung geblieben. Und dann muss ich mich noch zwischen Bosse und Anti-Flag entscheiden.
Ansonsten gibt's auch eines meiner Festivalhighlights, nämlich englisches Gemeckere auf Premier-League-Niveau: die Sleaford Mods! Zu dem Duo erzähle ich euch morgen mehr. Überhaupt wäre da noch der Hochkaräter Peter Fox, auf Tash Sultana aus Australien freue ich mich ebenfalls. Billy Talent habe ich hier vor einer Ewigkeit schon mal gesehen, zu denen gehe ich bestimmt auch; und Kraftklub kann man ohnehin nicht entkommen. Live sind die unbestritten eine Macht.
Soweit also der erste Lagebericht aus Scheeßel - ich freu mich auf die nächsten Tage, bis morgen!