Chorwettbewerb: Euphorie über Rückkehr zu alter Stärke
Mit einem umjubelten Preisträgerkonzert im Kuppelsaal des HCC ist am Sonnabend der Deutsche Chorwettbewerb in Hannover zu Ende gegangen. 100 der besten deutschen Amateurchöre aus Deutschland haben sich gemessen und zusammen gefeiert.
Schöner Erfolg für die norddeutschen Chöre, auch beim zweiten Teil des Chorwettbewerbs in Hannover: Bei der Bekanntgabe am Sonnabend (hier die Ergebnisse der einzelnen Kategorien) gab es je einen dritten Preis für den Kammerchor der Musikhochschule Rostock und für den Chor Cantaloop aus Hamburg sowie je einen zweiten Preis für die Männerstimmen des Knabenchors Hannover und für den Juventis Jugendchor Celle. Über einen ersten Preis konnten sich jeweils der Mädchenchor Hamburg, der Männerchor ffortissibros aus Mecklenburg-Vorpommern und der Junge Kammerchor Braunschweig freuen.
Der größte Sieger ist jedoch die Chorszene selbst. Nach den langen Zwangspausen und teilweise drastischen Einschränkungen der Corona-Pandemie haben sich viele Chöre mittlerweile gut erholt. Das belegen die unzähligen starken Auftritte, nicht nur von den Preisträgern.
Volle Säle, Spaß beim Zuhören: "Das haben wir lange vermisst"
"Es ist ganz großartig zu sehen, dass wir nach dieser wirklich schwierigen Zeit wieder einige Chöre auf extrem hohem Niveau gehört haben", sagt etwa der Chorleiter und Hochschuldozent Tristan Meister aus der Jury der Frauenchöre. "Das haben wir lange vermisst. Volle Säle, wo die Leute auch wirklich Spaß haben beim Zuhören und merken, dass da der Funke vom Chor aufs Publikum überspringt. Viele junge Mädchenchöre und Frauenchöre, aber auch gestandene Frauenchöre, die wieder zu alter Stärke zurückfinden konnten. Das ist ganz toll."
Die künstlerische Qualität ist das eine. Die auffallend herzliche und begeisterte Stimmung das andere. Trotz der Konkurrenzsituation bei einem Wettbewerb begegnen sich die Sängerinnen und Sänger mit einem großen Wohlwollen, sie wünschen und gönnen sich nur das Beste.
Sängerinnen loben den Zusammenhalt der Szene
Ein besonders schönes Beispiel ist die Reaktion der Hamburger a cappella-Gruppe Vocoder auf ihren zweiten Platz in der Kategorie "Populäre Chormusik". "Die Truppe Quintabulous aus Bremen hat mit 0,1 Punkten Vorsprung den ersten Platz gemacht - das war ein absolut knappes Rennen", erzählt eine der Sängerinnen. Eine ihrer Kolleginnen ergänzt: "Das ist eine ganz tolle Gruppe, die haben megageil Jazzstücke gesungen."
Die aufrichtige Freude für- und miteinander habe sich auch bei der Bekanntgabe der Preisträger nach dem ersten Teil des Wettbewerbs am vergangenen Dienstag gespiegelt, erzählt ein Mitglied von Vocoder: "Es war so ein Zusammenhalt und jeder hat jedem applaudiert. Bei uns in der Ensemble-Kategorie, wir sind ja nicht so groß, da können nicht so viele jubeln. Aber auch da - wir haben uns alle gegenseitig die Hände gehalten und füreinander applaudiert, miteinander mitgefiebert."
Stadt-Land-Gefälle zeigt sich auch beim Deutschen Chorwettbewerb
Ein kleiner Wermutstropfen beim Blick auf die Chorszene ist die Tendenz zu einem Stadt-Land-Gefälle, die sich nicht erst jetzt abzeichnet. Jan Schumacher, künstlerischer Leiter und Juryvorsitzender des Deutschen Chorwettbewerbs: "Ich glaube, wir haben einen Schwerpunkt auf Chöre aus einem eher städtischen Raum und Umfeld. Das kann man nicht pauschal sagen, aber es fällt schon auf. Diese große Breite, die es in der Amateurszene auf dem Land gab, ist am Schwinden. Das hat natürlich auch ein bisschen mit Covid zu tun, aber es war vorher auch schon an vielen Stellen schwierig. Und ich wage zu behaupten, dass man das bei uns auch merkt. Aus dem ländlichen Raum kommt nicht so viel, wie wir es schon einmal hatten."
Doch auch wenn sich hier und da ein paar Lücken in der Chorlandschaft auftun - im Gesamteindruck vom Wettbewerb in Hannover überwiegt ganz klar die Euphorie. Über die Rückkehr zur alten Stärke. Und über die Fülle an menschlicher Wärme, die vielleicht keine andere Musik so verströmen und vermitteln kann wie der Chorgesang.