Englischsprachige Romane in deutscher Buchbranche - ein Trend?
Für viele Leser*innen geht es darum, die Bücher im Original zu lesen, für andere auch um Ästhetik. Was ist dran am Trend, in Deutschland Bücher auf Englisch zu veröffentlichen? Stimmen von der Buchmesse Leipzig.
Das Interesse an englischsprachigen Büchern ist in den letzten Jahren in Deutschland gestiegen. In einer Studie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels haben im vergangenen Jahr 21 Prozent der 16-bis 19-jährigen Leserinnen und Leser angegeben, Bücher häufig im Original zu lesen. Ein Grund dafür: die Verbesserung der Sprachkenntnisse.
Jetzt wittern auch deutsche Verlage die Möglichkeit, ins Geschäft mit englischsprachigen Büchern einzusteigen. Eindrücke von der Leipziger Buchmesse.
Neuer Roman von T.C. Boyle "No way home" erscheint bei Hanser auch auf Englisch
Hanser-Verleger Jo Lendle blinzelt lächelnd in die Sonne. Ihm ist ein echter Coup geglückt: Demnächst erscheint der neue Roman vom amerikanischen Bestseller-Autor T.C. Boyle nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch im Hanser-Verlag: "T.C. Boyle ist gern ein Pionier. Der hat da total Spaß dran. Wir sind total nah miteinander, und er sagte, 'komm, wenn es da etwas zu verändern gibt, bin ich dabei!'".
Künftig vertreibt der Verlag dann den englischen Roman "No way home" nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Jo Lendle nennt es zwar einen "Versuchsballon", aber seine Überlegungen gehen schon weiter. Man sei in Verhandlungen mit weiteren englischsprachigen Autorinnen und Autoren. Versucht der Hanser-Verlag da auf der Erfolgswelle von englischsprachigen Büchern zu surfen? Nein, wehrt der Verleger ab, es sei eher eine Überlebensstrategie: "Es ist ein Versuch, der Welle zuvorzukommen, die zum Beispiel Verlage in den Niederlanden oder in Skandinavien an den Rand ihrer Existenz bringt, weil dort fast niemand mehr übersetzte Bücher aus dem Englischen kauft."
Lyx Verlag kennt Trend aus dem Bereich New Adult
Für den Lyx-Verlag, der ausschließlich Bücher im Bereich New Adult herausbringt, ist das alles nichts Neues, sagt Programmleiterin Stephanie Bubley: "Wir haben die Bestellerin Anna Huang mit ihrem deutschen Roman im Programm. Wir haben auch eine englische Edition herausgebracht, die heißt dann 'English Editions by Lyx'."
Für die Leserinnen des Lyx-Verlags geht es aber auch noch um etwas Anderes: "Unser Angebot ist für die Leser*innen. Wir hatten es alles von der Ästhetik, dass alles im Bücherregal schön aussieht und gut zusammenpasst und das ist ja oft bei den englischen Ausgaben nicht der Fall, weil die ein anderes Format haben, als unsere restlichen Bücher. Da sagen wir, 'wenn du lieber auf Englisch liest, aber das lieber im Lyx-Format haben möchtest, dann können wir dir das auch anbieten'", meint Bubley.
Die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Karin Schmidt-Friedrichs, beobachtet ebenfalls, dass auf dem Markt der gerade viel in Bewegung ist. Den Trend zu fremdsprachigen Büchern findet sie aber erst einmal unproblematisch: "Das ist in einer globalisierten Welt und vor allem in einem zusammenhaltenden Europa eine ganz schöne Entwicklung - wenn man feststellt, dass die 'Fremd'-Sprache eben nicht mehr fremd ist, sondern selbstverständlich mitgelesen wird."
Mehr Zeit für die Übersetzung? Das dient der Qualität
Marieke Heimburger, die Vorsitzende des Verbandes deutschsprachiger Übersetzer, runzelt angesichts der Entwicklung ein wenig sorgenvoll die Stirn. Ihr begegnen immer wieder Vorurteile gegen ihre Zunft: "Die Übersetzung ist einfach nicht so gut, da geht einfach viel verloren in der Übersetzung", erzählt Heimburger. Und sie weist noch auf einen anderen Umstand hin, dass die deutsche Übersetzung von T. C. Boyles neuem Roman VOR dem englischen Roman erscheint: "Ich habe leider keine Gelegenheit gehabt, mit dem Übersetzer Dirk van Gunsteren zu sprechen. Mich würde interessieren, ob der Zeitdruck dadurch nachgelassen hat, oder ob er zugenommen hat. Grundsätzlich: Alles, was Zeitdruck herausnimmt, kann nur der Qualität dienen."
Auch andere deutsche Verlage prüfen derzeit, ob sie künftig fremdsprachige Bücher herausbringen können. Konkret ist aber noch nichts. Was das langfristig für den Buchmarkt bedeuten könnte, ist aber noch völlig unklar.
