"Belarus muss überleben": Alhierd Bacharevič im Gespräch
Der belarussische Schriftsteller Alhierd Bacharevič hat bei der Eröffnung der Leipziger Buchmesse den Preis zur Europäischen Verständigung für seinen Roman "Europas Hunde" bekommen. Vorab hat er mit NDR Kultur über seinen Roman, sein Leben im Exil und die Zukunft seines Landes gesprochen.
Seit fünf Jahren leben Alhierd Bacharevič und seine Frau im Exil. Nach Stationen in Österreich, der Schweiz und Australien hat das Paar in Berlin vorerst eine neue Heimat gefunden. In ihre Heimat Belarus können sie aktuell nicht zurückkehren, weil ihnen Repressionen drohen. Alhierd Bacharevičs Roman "Europas Hunde" ist seit zwei Jahren in Belarus verboten, das Buch ist nicht mehr in Buchhandlungen oder Bibliotheken zu finden. Der über 700-Seiten-starke Roman "Europas Hunde" sei "eine wilde Mischung aus Politthriller, Epos, Abenteuergeschichte, Satire und Märchen", sagt die Jury des Leipziger Buchpreises für Europäische Verständigung.
Herr Bacharevič, Sie werden in Leipzig mit dem Buchpreis für Europäische Verständigung ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch! Was bedeutet Ihnen dieser Preis?
Alhierd Bacharevič: Vielen Dank. Dieser Preis bedeutet mir natürlich sehr viel. Das ist wichtig nicht nur für mich, sondern auch für die ganze unabhängige belarussische Literatur. Heute leben viele Autoren aus Belarus im Exil, und ich hoffe, dass unsere Literatur mit diesem Preis in Westeuropa sichtbarer, bekannter wird. Auch für mich persönlich ist der Preis sehr wichtig. Diese Anerkennung bedeutet, dass ich weiter schreiben kann. Für mich als einen Schriftsteller im Exil ist das sehr wichtig, dass ich diesen Preis bekomme - nicht nur die Ehre, sondern auch das Geld.
Ihr Buch "Europas Hunde" ist letztes Jahr auf Deutsch erschienen. Es ist schwierig zusammenzufassen, worum es in diesem Roman geht. Was ist für Sie als Autor die Botschaft dieses Romans?
Bacharevič: In diesem Roman geht es vor allem über Sprache, die Sprache der Macht, über die Macht in der Sprache. Es geht über Belarus als eine europäische Insel, über Europa als einen belarussischen Traum, über Literatur, über eine ideale Sprache. Ich stelle mir eine sehr wichtige Frage: Ist eine ideale Sprache, eine ideale Gesellschaft überhaupt möglich? Natürlich ist dieser Roman auch eine Zukunftsvision.
Sie schreiben an einer Stelle: "Was brauche ich Europa? Ich habe es mir schon ausgedacht." Was bedeutet Europa für Sie ganz persönlich?
Bacharevič: Meine Botschaft ist: Belarus gehört zu Europa, Belarus ist ein Bestandteil Europas. Europa ist unsere Zukunft, Europa ist unser Traum, und Belarus muss nach Europa zurückkehren. Belarus gehörte eigentlich immer zu Europa. Es ist ein europäisches Land, unsere Kultur ist europäisch und unsere Verbindung, unsere Beziehung zu Europa war immer sehr stark. Belarus war vielleicht die russifizierteste Republik in der Sowjetunion, und diese Russifizierung in Belarus hat unsere Kultur, unsere Sprache, unsere Identität praktisch völlig zerstört. Und jetzt erleben wir unsere Wiedergeburt.
Mein Buch handelt von Belarus als ein europäisches Land. Wir Belarussen, wir Ukrainer, wir Osteuropäer haben Westeuropa immer vor dieser Gefahr aus Russland gewarnt. Für uns war es immer klar, welche Gefahr aus Russland kommt. In den 90er-Jahren zum Beispiel wussten wir schon, als Putin an die Macht kam, wozu das führen kann. Leider ist dieser Roman eine Prophezeiung. Sehr viel davon, was ich in diesem Roman geschrieben habe, ist heute wahr geworden.
Im Buch sehen Sie Belarus in 25 Jahren als Teil des großrussischen Reiches. Die Bedrohung ist seit Erscheinen des Buches nicht kleiner geworden. Wie schätzen Sie aktuell die Lage für Belarus ein? Tendiert es eher zu Europa oder eher zu Russland?
Bacharevič: Ich denke, der Dritte Weltkrieg steht schon vor der Tür, und Belarus muss irgendwie überleben. Wir waren immer im Schatten Russlands, im Schatten des Imperiums. Mit diesem Diktator und mit diesem Regime sind unsere Chancen, unabhängig zu bleiben, sehr gering. Wie immer brauchen wir Unterstützung aus dem Westen, und wir brauchen dieses Verständnis vom Westen, dass Belarus auf keinen Fall Russland ist. Unser Platz ist in Europa.
Das Gespräch führte Maren Ahring.
Schlagwörter zu diesem Artikel
Romane
